Vom „Held“ zum Teamplayer
BAD LIEBENZELL. Partnerschaft wird in der Missionsarbeit immer wichtiger und Missionare sind vermehrt als Begleiter von Gemeinden im Ausland gefordert. Das sagte Missionsdirektor David Jarsetz beim Herbstmissionsfest der Liebenzeller Mission. Es stand unter dem Motto „Ausgezeichnet“. Zu dem Fest kamen über 3.000 Besucherinnen und Besuchern nach Bad Liebenzell, der Livestream wurde mehr als 4.000 mal angeschaut.
Jarsetz verwies auf das enorme Wachstum von Christen und Gemeinden im Süden der Welt. Hier gebe es inzwischen mehr Gläubige als im Norden oder Westen. „Im 21. Jahrhundert liegt der Schwerpunkt der Weltchristenheit im sogenannten Globalen Süden.“ Die evangelistische Arbeit werde dabei vielerorts bereits lange hauptsächlich von einheimischen Kräften getragen. „Viele unserer Partner möchten, dass wir sie stärker begleiten und beraten und weniger die Leitung vor Ort übernehmen. Daher werden wir in Zukunft mehr die Rolle von Beratern, Begleitern, Fachkräfte und Experten für bestimmte Fragen einnehmen – und eher aus der zweiten oder dritten Reihe aus agieren.“ Laut Jarsetz brauche man vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer „Unsicherheitskompetenz“ – der Fähigkeit, Unsicherheit und Vieldeutigkeit aushalten und bei Veränderungen flexibel sein zu können. Nötig sei eine „geistgeleitete Agilität“.
Jarsetz zufolge benötigen Gemeinden aufgrund der Veränderung in der Missionsarbeit ein Verständnis für die neue Rolle des Missionars: „Er ist künftig weniger der ‚Held‘, der Macher vor Ort, sondern verstärkt Teil eines einheimischen Teams. In der zweiten oder dritten Reihe werden Missionare weniger in Erscheinung treten.“ Gemeinden könnten dabei auch viel von den 75 Partnerkirchen der Liebenzeller Mission abschauen: Sie sind nicht nur die „Hilfsbedürftigen“, denen man was zu bringen habe. Vielmehr könne man von ihnen viel lernen im Hinblick auf Gottvertrauen, Bibeltreue, Jesusliebe, Glaubensgehorsam oder Dankbarkeit. Auch in Zukunft gelte, dass Gemeinde, Missionswerk und Missionare einander brauchen: „Sie bilden eine Seilschaft. Sie hängen voneinander ab.“
Laut dem Rektor der Internationalen Hochschule Liebenzell, Volker Gäckle, werden neben dem bisherigen soliden biblisch-theologischen Handwerkszeug und einer intensiven missionstheologischen, religionswissenschaftlichen und interkulturellen Ausbildung zunehmend spezialisierte Abschlüsse wichtiger. Dem trage man unter anderem dadurch Rechnung, dass man bei den Bachelorstudiengängen neben der Theologie noch ein anderes Fach verbinde wie bei den Studiengängen „Theologie und Sozialer Arbeit im interkulturellen Kontext“ sowie „Theologie und Pädagogik im interkulturellen Kontext“. Außerdem werde man im kommenden Jahr mit dem ersten vollständig englischsprachigen Studiengang starten, einem Bachelorstudiengang in „Theology & Development Studies“, also Theologie kombiniert mit dem Thema der Entwicklungszusammenarbeit. Dafür wolle man nicht nur deutsche Studentinnen und Studenten ausbilden. „Missionare verlassen immer mehr den Fahrersitz, auf dem sie das Lenkrad halten, und wechseln auf den Beifahrersitz, um die Landkarte halten“, so Gäckle.
Gottes Versprechen an die Menschen bekommen durch seinen Sohn Jesus Christus Hand und Fuß. Das sagte der Direktor der Liebenzeller Mission, Pfarrer Johannes Luithle, in seiner Predigt. Nur er schenkt wahre Sicherheit in den gegenwärtigen unsicheren Zeiten. „Gott hat uns mit Jesus zusammengeschlossen, fest gemacht. Wir hängen nicht mehr in der Luft, sondern an ihm. Wir sind an seinem Schlepptau.“ Durch den Heiligen Geist lebt Gott in den Christen: „Damit sind wir ‚save‘, gerettet. Gott lebt in uns. Was für ein Geschenk.“ Er ermutigte die Besucherinnen und Besucher, anderen vom christlichen Glauben zu erzählen und für Kranke zu beten. Wie im Neuen Testament empfohlen, könne das auch durch Salbung und Händeauflegen geschehen.
Steffen Cramer und Niklas Ebert von der Männerarbeit „Stronger“ der Liebenzeller Mission riefen beim „Forum Männer“ dazu auf, Gemeinde neu zu denken und dabei die Bedürfnisse der Männer mehr in den Blick zu nehmen: Sie brauchen Formate, in denen sie tiefe Gemeinschaft erleben und sich öffnen können. Das könne zum Beispiel durch eine Mischung von Aktion und lebensrelevante Themen geschehen.
Bei dem Missionsfest waren auch Gäste aus Bangladesch, dem südspanischen Marbella sowie der Ukraine dabei. Die Besucherinnen und Besucher konnten aus rund 20 verschiedenen Parallelprogrammen auswählen. Neben theologischen Referaten gab es interaktive Angebote wie Bogenschießen und Handlettering. Es wurden neben Livestreams auch Übersetzungen in Englisch, Spanisch und Ukrainisch angeboten. Für Kinder gab in einem Familienhaus Angebote bis zur sechsten Klasse und eine Eltern-Kleinkinder-Lounge. Jugendliche ab Klasse 7 waren zur „Powerbar“ eingeladen.
Die Liebenzeller Mission ist mit rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 20 Ländern eine der großen evangelischen Missionsgesellschaften in Deutschland. Das nächste Missionsfest findet am Pfingstsonntag 2023 statt.