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Von wegen „graue Mäuse”!
Missionsschwestern – alles andere als langweilig
Krokodile auf einer Südseeinsel, eine Bekehrung im Krankenwagen, eine waghalsige Flucht aus der DDR oder Gottesdienste in einem Gasthaus. Unsere Missionsschwestern haben schon viel erlebt. Sie haben ihr Leben in den Dienst für Jesus gestellt und sind mit ihm für die Menschen unterwegs – in Deutschland und auf der ganzen Welt. Hier stellen wir euch einige unserer Missionsschwestern mit kurzen Porträts vor. Wir sind uns sicher: Ihr werdet stauen! Es würde uns freuen, wenn ihr euch motivieren lasst, für Jesus im Einsatz zu sein. Viel Freude und Gewinn beim Lesen!
Schwester Elsbeth Reumann
In der Südsee Streit unter messerstechenden Männern geschlichtet
Mit klopfendem Herzen sitzt Elsbeth vor der Wohnzimmertür des Bauernhauses. Auf Zehenspitzen hat sie sich hereingeschlichen. Nicht eine Sekunde will sie verpassen.
Trotz der Winterkälte hat sie sich auch an diesem Morgen früher aus dem Bett gestohlen und ist durch die geheimen Winkel einiger Gärten zu ihrem Arbeitsplatz bei einer Bauernfamilie gekommen. Sie lauscht. Niemand kann sie hören. Keiner weiß, dass sie früher da ist. Sie ist gekommen – um nichts zu verpassen!
Als wäre es gestern geschehen, so berichtet Elsbeth Reumann aus ihrer Kindheit. Viele Jahre – mit Jesus an ihrer Seite. Wie sie ihn kennenlernte? Gott hatte schon bei ihr „angeklopft“, als sie noch klopfenden Herzens vor der Holztür saß und sich nicht traute, anzuklopfen. Aber mit gespitzten Ohren lauschte sie: Elsbeth hörte die Morgenandacht der Bauernfamilie!
Nur kurze Zeit später, während ihrer Ausbildung zur Krankenschwester, findet sie eine Bibel und liest in ihr. Sie lernt Jesus kennen, übergibt ihm ihr Leben. Und sie liest einen Vers im Buch Jesaja, der sie nicht mehr loslässt. Da heißt es in Kapitel 42,Vers 12: „Sie sollen dem HERRN die Ehre geben und seinen Ruhm auf den Inseln verkünden!“ Die junge Frau lernt die Liebenzeller Schwesternschaft kennen und will unbedingt eintreten. Und tatsächlich ist es 1947 so weit. Nach sieben Jahren Krankenhausdienst und eigener schwerer Krankheit darf sie auf die Bibelschule – und später auf eine Inselgruppe im weiten Pazifik!
In der Südsee: Schwester Elsbeth wird aus dem Schlaf gerissen und in großer Aufregung geweckt. Sie lebt zwischen Palmen, kunstvoll gebauten Holzhäusern und Sandstrand. Doch es ist kein Urlaub, ihr voller Einsatz ist gefragt. Seit sie über New York hierher nach Palau gekommen ist, arbeitet sie an der Mädchenschule „Bethania“.
Diese eine Nacht wird sie nicht vergessen. Sie müsse dringend kommen, es habe eine Messerstecherei gegeben! Sofort macht sie sich auf den Weg, einen Urwaldpfad entlang. Es raschelt im Busch. „Nur ein Krokodil“, winkt ein Einheimischer gelassen ab. Die Missionsschwester trifft auf zwei betrunkene Männer – einen von ihnen hat es am Kopf erwischt. „Er wurde halb skalpiert“, erinnert sich Schwester Elsbeth. Doch sie kann helfen. Nach ihrer Notbehandlung wird der Mann per Boot ins Krankenhaus befördert – und kehrt gesund wieder zurück. Die zierliche deutsche Frau steht inmitten einer Schar von Männern und fordert die beiden Streithähne auf, einander zu vergeben. Und Jesus schenkt ihnen Frieden!
Viele Jahre gehen ins Land – oder in die Insel. Schwester Elsbeth unterrichtet in „Bethania“ bis zu 140 Mädchen. Sie erlebt Abenteuer und Bewahrung. Zweimal versucht ein Mann aus dem Nachbardorf, „Bethania“ anzuzünden. Einmal hört ihn ein Mädchen nachts und kann ihn abhalten. Ein zweites Mal geht der Mann auf das Dorf zu. Doch er stockt. Alles, was er sieht: Wasser. Ein Komplize kommt, fragt, was los sei. „Guck!“, lautet die fassungslose Antwort. Auch er schaut um sich. Und sieht nichts als Wasser – dort, wo sonst die Häuser stehen!
Schwester Elsbeth strahlt mich an: „Ich könnte noch Stunden erzählen!“ Sie sitzt da und berichtet aus der Zeit in Mikronesien, dass einem das Herz klopft.
Schwester Margarete Hofacker
Gott dienen – ja. Aber als Schwester?
Der Motor des Mopeds tuckert. Wie immer. Die 18-jährige Margret mag ihr Gefährt – seit drei Jahren düst sie auf zwei Rädern zur Arbeit bei der Krankenkasse. Der Fahrtwind weht ihr entgegen, es scheint ein Tag wie jeder andere zu sein. Sie ahnt nicht, dass der nächste Moment ihr Leben völlig verändern wird.
Man schreibt das Jahr 1939, als Margarete Hofacker in Ellwangen zur Welt kommt. Als die Familie später nach Reutlingen zieht, macht sie erste Erfahrungen mit dem EC* und der Süddeutschen Gemeinschaft. Sie merkt, wie Gott durch Bücher zu ihr redet. Ganz besonders durch ein Gedicht von Oswald Smith, in dem es heißt: „Hast du Jesu Ruf gehört? Geh, lass alles, was dir wert.“ Alles loslassen? Gott dienen – ja. Aber als Schwester? Noch nicht. Sie entscheidet sich dazu, den Kindergottesdienst zu leiten – und ihr Moped zu genießen.
Ohne Helm und doch behütet
Margarete erwacht im Krankenhaus und weiß nicht mehr, was geschehen ist. Ihr wird berichtet, dass sie ohne Helm mit dem Kopf in das Fahrzeug vor ihr geflogen ist. Dieses hatte unvermittelt gebremst. „Die Ärzte haben gesagt, dass es schlimm aussieht“, erinnert sich Schwester Margarete Hofacker heute. Die Wunden am Kopf waren gravierend. Sie betete: „Lieber Gott, wenn ich noch einmal gesund werden darf, dann will ich dir dienen, und zwar ganz!“ Und sie wurde gesund.
Von Lahr über England nach Japan
Mit 19 Jahren kommt sie nach Bad Liebenzell. Nach ihrer Bibelschulausbildung macht sie sechs Jahre Gemeinschaftsarbeit in Lahr. Nach einem Zwischenstopp in England kommt sie schließlich in das Missionsland, in dem sie 30 Jahre lang sein wird: Japan. Sieben lange Wochen ist sie mit dem Schiff dorthin unterwegs. Das Sprachelernen kostet viel Geduld. Oft hört sie von den Kindern, mit denen sie gerne arbeiten würde: „Wir haben keine Zeit für Gott.“ Sie gibt nicht auf. Die Blättermission blüht auf, es finden Evangelisationen, Gottesdienste, Kinderstunden und Jugendkreise statt. Später stößt Schwester Karin Gawlik dazu, gemeinsam sind sie ein starkes Team.
Nicht für sich selbst leben
Was an Japan am außergewöhnlichsten gewesen sei? „Die Höflichkeit“, antwortet Schwester Margarete, „wenn in Deutschland der Zug einmal fünf Minuten zu spät ist, entschuldigt sich niemand. In Japan ist das ganz anders, da entschuldigt man sich sofort.“
In der Stadt Kawasaki erlebt die Schwester viele spannende Situationen. An diese erinnert sie sich ganz besonders: Margarete Hofacker begegnet einem Mann. Er hat in seiner „Furoshiki“ (japanische Tasche) zwei Bibeln. Doch nur seine Frau kennt Jesus. Sie bittet um Gebet für ihren Mann. Kurze Zeit später kommt die schockierende Nachricht: Er ist todkrank. Was die Schwester dann erfährt, vergisst sie ihr Leben lang nicht: „Dieser Mann hat noch im Krankenwagen gesagt, dass er getauft werden will.“ Im Krankenhaus wird er getauft.
Die Japan-Missionarin im Ruhestand hat das, was sie in ihrem Konfirmationsspruch erkannte, in ihrem ganzen Leben umgesetzt: „Christus ist darum für alle gestorben, damit, die da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist.“ (2. Korinther 5,15)
Schwester Esther Hahn
Die geflohene Schwest(h)er
Mittwoch. Plauen, DDR. Rund 40 Lehrer sind an jenem Tag anno 1953 in der Schule versammelt, als das fragwürdige Dokument die Runde macht. Lehrer für Lehrer unterschreibt, das Dokument kommt näher. Die junge Deutsch- und Musiklehrerin Esther Hahn ist seit ihrer Kindheit im sächsischen Gemeinschaftsverband aktiv, der EC-Jugendbund wird vom Vater geleitet. Und nun dieses Dokument: Der Beschluss, dass alle christlichen Jugendarbeiten in der DDR verboten werden. Der Nachbar im Kollegium hat unterschrieben. Esther ist an der Reihe, alle Augen sind auf sie gerichtet. Sie ist gefasst, als sie zwei Sätze sagt: „Ihr kennt meine Einstellung. Ich kann das nicht unterschreiben.“ Als sie die Tür des Lehrerzimmers verlässt, bricht sie fast zusammen und rennt nach Hause.
Donnerstag. Esther ist daheim, als ihre jüngere Schwester in die Wohnung gerannt kommt: „Ich darf mein Abitur nicht machen!“ Es verschlägt ihr die Sprache. Der Grund ist allen klar. Der Beschluss steht: Wir werden fliehen!
Freitag. Alles geht schnell. Der Vater überlegt sich eine Fluchtroute, Sachen werden gepackt.
Samstag. Die damals vierköpfige Familie trennt sich, um unauffällig nach Dresden zu gelangen. Dort treffen sie sich wieder und treten die gemeinsame Fahrt nach Berlin an.
Sonntag. Der Zug rattert. Es ist keine fröhliche Fahrt: Die Lage spitzt sich zu. Im hinteren Zugteil kontrollieren Russen die Abteile auf Flüchtlinge! Vorne steigt die Volkspolizei ein! Die Familie sitzt in einer fahrenden Falle, verraten von ihrem Gepäck. Die Russen unterhalten sich munter. Und dann geschieht das Wunder: Die Männer gehen zügig, ja flüchtig am Abteil von Familie Hahn vorbei! Es war, als wäre dort kein Mensch gewesen. „Passt alles“, hört man die Russen vorne sagen. Die Flucht nach Westberlin gelingt!
Vor Esther steht Schwester. Nach ihrer Geburt hatten die gläubigen Eltern Gott versprochen, dieses Kind in die Auslandsmission gehen zu lassen. Tatsächlich: Nach der Flucht bewirbt sich Esther bei der Liebenzeller Mission. Der Missionsberg wird ihr neuer Zufluchtsort, zumindest vorübergehend. Sie ist in der Gemeinschaftsarbeit im Karlsruher Bezirk tätig und lernt Krankenpflegerin, bevor sie 1959 das erste Mal ausreist. Über Amerika, wo sie nach einem Jahr die Staatsbürgerschaft erlangt, die sie dann auf die Chuuk-Inseln bringt. Siebzehn Jahre arbeitet sie dort als Missionslehrerin in einer Mädchenschule und hat abenteuerliche Erlebnisse, bis sie schließlich als Englisch-Lehrerin und stellvertretende Leiterin an die Bibelschule nach Liebenzell gerufen wird.
Heute. 62 Jahre später berichtet mir eine hellwache 91-jährige Schwester von ihrer Flucht, als wäre sie gestern gewesen. Sie nickt nachdenklich: „Deshalb kann ich die Flüchtlinge verstehen!“ Man glaubt ihr jedes Wort. Sie erlebte ein Schicksaal, welches heute tausende Flüchtlinge teilen. Was sie ihnen wünscht? „Dass sie hineinfinden in die andere Kultur. In erster Linie geht das über die Sprache“, meint sie. Auf der anderen Seite brauche es Entgegenkommen von unserer Seite. Das hat sie damals erlebt. Man müsse den Menschen vorleben, was ein Leben mit Christus heißt. „Damit sie etwas abspüren von unserem Glauben, von unserer eigenen Verbindung mit Jesus.“
Schwester Esther Hahn ist 2022 verstorben. Wir sind sehr dankbar, dass sie unter uns war und schätzen ihren großen Einsatz, den sie für die Liebenzeller Mission und die Menschen in ihrem Umfeld geleistet hat.
Schwester Esther Glawion
Die „Tante Esther“
Das Herz von Esther Glawion beginnt 1938 in Schlesien zu schlagen. Sie ist die Älteste von später fünf Kindern. Schon mit 15 Jahren muss sie mit der Schule aufhören, um zu arbeiten.
Doch diese Zeit sollte trotz aller Härte auch ein großes Wunder bringen: In den Sommerferien besucht sie ihre Tante, und nach einer Bibelstunde schenkt Esther Jesus ihr Leben. Noch im selben Jahr liest sie das Buch eines Missionars und weiß: „Das wäre was für mich!“
Erst drei Jahre später berichtet sie ihrem Vater davon. Die Frage, wie das funktionieren soll, beschäftigt sie. Eine Bibelschule besuchen? Aber wo? Da hört sie von einer „Liebenzeller Mission“ im Schwarzwald. Eine Adresse? Fehlanzeige. Doch Esther Glawion lässt sich davon nicht abhalten. Beherzt schickt sie ihren Brief „An die Liebenzeller Mission im Schwarzwald“. Sie trifft ins Schwarze: Der Brief kommt nicht nur an, auch eine Antwort trifft ein, und mit nur 18 Jahren reist sie in den Schwarzwald. Sie macht Nägel mit Köpfen und tritt der Schwesternschaft bei. Über das Missionswerk sagt sie heute: „Ich war immer stolz auf die Liebenzeller Mission und wie sie uns Schwestern versorgt! Das ist bis jetzt so.“
Es folgen viele Stationen. Der lang ersehnte Besuch der Bibelschule, Gemeinschaftsarbeit, die Ausbildung zur Krankenschwester. Dann wird nach zehnwöchigem Aufenthalt in England ihr Herzenswunsch wahr: Sie wird Missionarin im Schülerheim in Japan.
Mit 26 Jahren wird die Schwester zur Tante: Die Kinder nennen ihre Hausmutter und Heimleiterin von Herzen „Tante Esther“. Sie lebt zusammen mit ihrer Kollegin Esther Benzinger zunächst in Kugahara mit fünf und später 13 Kindern. Als das Heim dort zu klein wird, wird es an den neuen Standort Nakanoshima verlegt. Dort werden bis zu 33 Schüler betreut! Schwester Esther hat ein großes Herz für die Kinder der Missionare. „Der Herr hat mir Liebe geschenkt“, meint sie heute. „Es ging ja nicht um die Aufgaben, sondern um das Zusammenleben. Wie bei einer Mutter: Sie ist immer da!“
Das ist sie für ihre Kinder im Schülerheim. Etwa, als einer der Jungs auf die Straße rennt und angefahren wird. Sie umsorgt ihn selbst nachts, bis er wieder gesund ist. Und wird dafür ganz fest gedrückt: „Tante Esther, Du bist die beste Tante der Welt!“
Es gibt viele Ereignisse, die die Schwester herausfordern. Etwa als 20 Kinder mit Windpocken versorgt werden mussten. „Ich hatte immer eine intensive Beziehung zu den Kindern, gerade auch in Krankheitszeiten.“
Schließlich kommt sie nach 27 Jahren in Japan zurück nach Deutschland, um sich um ihren Vater zu kümmern. Anschließend ist sie noch einmal für ein halbes Jahr Hausmutter für Missionarskinder – dieses Mal in Papua-Neuguinea. Darauf folgen zehn Jahre in Calw-Stammheim als Altenpflegerin.
Jetzt ist sie im Ruhestand, aber sie ruht nicht: „Der Kontakt zu meinen Schülern ist immer noch so herzlich. Über hundert sind es gewesen.“ Mit handgeschriebenen Karten zum Geburtstag, E‑Mails, Telefonaten und vielen Gesprächen hält sie den Kontakt. Was ihr jetzt bleibt? „Vor allem die Fürbitte.“ Und sie betont: „Ich fühle mich ganz reich beschenkt.“ Das spürt man ihr ab. Nicht umsonst klebte sie die mehr als 100 Porträts „ihrer“ Kinder in ein riesiges Herz.
Schwester Gertrud Rück
Wie Gott alles zurechtrückt
Sich vor einem Zeltlager zu drücken kam für Gertrud Rück nie in Frage! Schon mit acht Jahren ist sie voll dabei und entscheidet sich dort ganz bewusst für ein Leben mit Jesus. Aufgewachsen ist sie in einer gläubigen Familie mit fünf jüngeren Geschwistern auf einem Bauernhof in Ilshofen-Leofels. Im Familienbetrieb macht sie eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin. Während eines Einsatzes als Dorfhelferin wird ihr unvermittelt gesagt: „Du gehörst auf eine Bibelschule!“ Nach einem Diakonischen Jahr in Bad Liebenzell meldet sie sich 1977 zur Bibelschule an – auch wenn sie insgeheim hofft, nicht angenommen zu werden. Doch sie wird genommen. Aber Schwester werden? Keine Option! Ihr Plan: heiraten, Familie gründen.
Ein fast verrücktes Erlebnis in der Zeltmission haut Gertrud Rück schier vom Stuhl. Sie sitzt im Zelt, als der Evangelist plötzlich stoppt und ruft: „Ich weiß nicht, warum ich das sagen muss, aber du, junges Mädchen, lass die Sache mit dem jungen Mann. Gott hat dich zur Schwester bestimmt.“ Sie schaut sich um und weiß: Sie ist gemeint! Doch sie – und vor allem ihre Eltern – sind nicht überzeugt. Erst als Gott mit einem weiteren Wunder die Meinung der Eltern wendet, wird der Weg frei. So kommt es, dass sie Schwester wird, zwei Jahre lang trotz ihres jungen Alters die Hausmutter vertritt und schließlich, wie sie es selbst formuliert, mit 25 „auf die Menschheit losgelassen“ und in Simmozheim eingesetzt wird. Vor allem das Zeltlager, das sie bereits als Kind begeistert hat, ist auch jetzt ihr Steckenpferd. Ihr Auftrag ist die Arbeit unter Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
Nahezu bedrückend ist die Stille der Nacht, als sich in Schwester Gertruds Zimmer eines Freizeitheims plötzlich die Türklinke bewegt. „Kein Licht“, zischt eine Stimme. Es ist ein Mädchen, das Schwester Gertrud über den Glauben ausfragt und sich dann wieder aus dem Zimmer schleicht. Später landet eine (Wieder-)Geburtsanzeige bei der Schwester im Briefkasten und sie weiß: Dieses Gespräch war entscheidend! „Das Schönste war, wenn Kinder zum Glauben kamen“, sagt sie voller Begeisterung. Und das darf sie erleben!
Als sie 1997 in den Bezirk Emmendingen wechselt, fängt sie noch einmal ganz neu an. Wo anfänglich „nur“ Frauenarbeit für sie geplant ist, entsteht schnell wieder eine Kinder- und Zeltlagerarbeit. Heute finden dort jeden Sommer Zeltlager mit rund 200 Kindern statt.
Wie Gott seine Gemeinde baut und wachsen lässt, erlebt sie auch im Bezirk Loßburg, in dem sie von 2009 bis 2015 arbeitet.
Neu in den Fokus rücken muss Schwester Gertrud einiges, als eine einseitige Stimmbandlähmung diagnostiziert wird. Die bisherige Arbeit wird fast unmöglich. Deshalb fängt sie mit 58 Jahren noch einmal ganz von vorne an und beginnt eine Ausbildung zur Altenpflegehelferin. „Ich war plötzlich wieder Schülerin und Azubi in der ersten Klasse.“ Doch sie nimmt die Herausforderung mit Würde an. Jetzt ist sie im Feierabendhaus der Schwesternschaft eingerückt, auch wenn noch lange nicht Feierabend ist. Sie übernimmt dort ihre neue Aufgabe: Hausmutter als Nachfolgerin von Schwester Elsbeth Pfeiffle. Für Schwester Gertrud kein Problem, denn ihr Motto ist: „Ich vermag alles durch den, der mich stark macht, Christus.“
Seit Mai 2023 ist Schwester Gertrud im Ruhestand.
Schwester Annemarie Bertschinger
Die gefragte Schwester
Schwaben sind gefragt. Annemarie Bertschinger ist nicht nur eine waschechte Schwäbin von der Alb, sondern auch gefragt. Das zeigt ein Einblick in ihr Leben. In einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen, entscheidet sie sich mit zwölf Jahren auf einer Osterfreizeit für Jesus. In einer Gemeinschaftsstunde kommt die Frage nach dem Ruf zum Dienst auf: „Wen soll ich senden?“ Ihre Antwort ist kurz: „Alle, außer mir.“ Doch eine Bibelstelle lässt Fragen offen: „Dienet dem HERRN mit Freuden“, heißt es in Psalm 100. Das hat die junge Annemarie „absolut nicht eingeplant.“ Schließlich wird das Fragezeichen zum Ausrufezeichen: 1965 tritt sie in die Schwesternschaft der Liebenzeller Mission ein. Am Abend davor wird ihr 1. Thessalonischer 5,24 zugesprochen: „Treu ist er, der euch ruft, er wird’s auch tun.“
Ob sie die Gemeinschaftsarbeit, in die sie gesendet wird, „hinbekommt“, ist für sie fraglich: „Das schaffe ich nicht“, denkt sie. Doch sie erfährt, dass Jesus zu den Aufgaben die Gaben gibt. In Linkenheim bei Karlsruhe arbeitet sie vor allem und gern mit Kindern und Jugendlichen. Nach zwei Jahren folgen ein weiteres Jahr Bibelschule und ein Jahr Krankenpflegehelferinnen-Ausbildung. Wieder wird sie für Linkenheim angefragt. In weiteren zwölf Jahren dort erfährt sie immer wieder: „Was er uns gibt, macht tüchtig zum Dienst.“ Es gefällt ihr so sehr, dass sie zögert, als sie auf den Missionsberg soll. Aber Alfred Gajan wünscht sie als Redakteurin für „Augenblick mal“ und „Durchblick und Dienst“.
Nach zwei Jahren wird sie für andere Büroarbeiten zuständig, zunächst im Schwesternbüro bei Oberin Hanna Bär, dann im Sekretariat des Liebenzeller Gemeinschaftsverbandes (LGV). Auch für diese jeweils sechseinhalb Jahre ist es Schwester Annemarie wichtig, eine Bestätigung für den neuen Einsatzorte zu haben, „ein Ja, um ganz und gern dort zu sein“. Während der Zeit auf dem „Missionsberg“ macht sie 15 Jahre Frauenarbeit in Oberlengenhardt und hält Gemeinschaftsstunden im LGV-Bezirk Neubulach. Die nächste Anfrage kommt aus Backnang. Bibel‑, Frauen- und Gemeinschaftsstunden sind dort ihre Aufgaben. „Vom ersten Augenblick an habe ich mich wohlgefühlt“, sagt sie heute über diese Zeit. Wiederum werden es sechseinhalb Jahre.
„Dann kam ein Schock für mich – die größte Herausforderung!“
Sie soll Oberin im Diakonissenhaus Zion in Aue/Sachsen werden. Ihre erste Reaktion: „Das geht nicht, könnt ihr vergessen.“ Aber: „Ich wurde mit ‚Fürchte dich nicht‘ und ‚Sei getrost und unverzagt‘ bombardiert.“ Für diesen neuen Lebensabschnitt ist sie besonders auf die Vorbereitung Gottes angewiesen. Wieder ersetzt sie das Fragezeichen durch einen Punkt und nimmt das „Vorrecht und die große Herausforderung“ an.
Rückblickend sieht sie alle vorherigen Stationen als Vorbereitung für diesen großen Dienstabschnitt. Die Aufgaben, die sie seit mehr als zwölf Jahren übernimmt (davon siebeneinhalb Jahre als Oberin), sind so vielseitig, dass sie nicht in einen Artikel passen. Höhepunkte sind die Gemeinschaft mit den Schwestern und die Schwesternfreizeiten. Schwester Annemarie zehrt von den jahrelangen Erfahrungen in Gemeinde und Sekretariat.
Seit April 2023 lebt Schwester Annemarie im Feierabendhaus auf dem Missionsberg.
Schwester Almut Gall
Frau Almut und die Syrer
Vor zwei Jahren machte sich Schwester Almut Gall auf, um in der Bad Liebenzeller Flüchtlingsunterkunft Kontakt mit Geflüchteten zu knüpfen. Seither begleitet sie eine syrische Familie und gibt dieser neben der deutschen Sprache auch das Evangelium weiter. An Weihnachten wird sie von der Familie eingeladen. Auch eine weitere syrische Familie ist zu Gast. Beim Essen fragt ein Mann: „Schwester Almut, wieso bist du Schwester geworden?“ Er kann nicht begreifen, wieso eine Frau nicht heiratet. Schwester Almut aber freut sich über die Frage und beginnt zu erzählen …
„Ich habe nie daran gezweifelt, dass es Gott gibt. Trotzdem fiel es mir schwer, eine Beziehung zu ihm aufzubauen.“ Später, als Almut in Waiblingen zur Krankenschwester ausgebildet wird, lernt sie eine Kollegin kennen, die Christ ist. „Ich spürte, sie hatte etwas, das ich nicht hatte, und das machte mich neugierig“, erinnert sie sich. Als ihre Kollegin sie zur Osterfreizeit der Liebenzeller Mission einlädt, willigt Almut sofort ein. Sie ahnt nicht, dass jene Freizeit ihr Leben auf den Kopf stellen würde.
Nach dem dortigen Gottesdienst sagt der Prediger: „Wer mit Jesus ernste Sache machen will, der bleibt!“ Plötzlich hört Almut, wie jemand laut ihren Namen ruft. Erschrocken schaut sie sich um, doch sie kennt niemanden. „Mir war klar: Das war Jesus. Er rief mich, wie es in Jesaja 43,1 steht.“ Almut entschließt sich zu bleiben und vertraut ihr Leben Jesus an.
Ihr Examen rückt näher. Eines Abends fragt die 19-Jährige beim Beten, wo Jesus sie nach der Ausbildung haben möchte. Sie schlägt ihre Bibel auf und liest von der Speisung der 5000 in Matthäus 14. Als die Jünger das Volk wegschicken wollen, erwidert Jesus: „Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt doch ihr ihnen zu essen!“ Mit Wucht dringt dieser Vers in die angehende Krankenschwester ein: „Solch eine Kraft habe ich nie mehr erlebt. Hätte ich nicht gelegen, wäre ich gefallen.“ Drei Dinge waren ihr schlagartig klar: Sie soll Schwester werden, Menschen das Brot des Lebens geben und nach Bad Liebenzell gehen. Aber Almut träumt doch von Ehe und Familie! Matthäus 16,26 verschafft ihr schnell Klarheit: „Es nutzt mir nicht, Mann, Kinder und Zivilkleider zu haben, wenn ich Jesus nicht Herr meines Lebens sein lasse.“ Sie bewirbt sich also bei der Schwesternschaft – in stiller Hoffnung, abgelehnt zu werden. Doch sie erhält eine Zusage, absolviert bald darauf die Bibelschule und ist viele Jahre in der Gemeinschaftsarbeit tätig. „Ich habe nie bereut, dass ich Gott gehorsam war. Er wusste, was das Beste für mich war – lange, bevor ich es selbst wusste“, blickt die Schwester dankbar zurück.
Alle am Tisch hören gespannt zu. Obwohl Schwester Almut im Englischen häufig unsicher ist, spricht sie an diesem Abend flüssig und fehlerfrei. Als sie einige Zeit später die Familie besucht, die sie bei der Feier kennenlernte, sagt deren Tochter: „Frau Almut, ich habe gemacht, was du gesagt hast.“ Schwester Almut weiß sofort, was das Mädchen meint. Während die Familie kocht, setzen sich die beiden draußen auf eine Bank. „Ich war begeistert, dass sie sich entschieden hat, mit Jesus zu leben, und erklärte ihr, dass sie nun Gottes Kind ist. Dafür haben wir Jesus gedankt.“
Schwester Irmgard Wieland
Ein Herz für Frauen aus Asien
Schon als Kind wollte Irmgard Wieland Lehrerin werden, doch wegen ihres verkürzten Beines sollte sie einen sitzenden Beruf ausüben. Unter Tränen entschied sie sich, Verwaltungsbeamtin zu werden – und wider Erwarten gefiel es ihr.
Während der Ausbildung besuchte die Sulzbacherin erstmals eine Freizeit des EC („Entschieden für Christus“). Obwohl sie dachte, sie hätte nichts getan, wofür jemand den Tod verdient hätte, wurde der 19-Jährigen dort klar: „Jesus musste auch für meine Sünde sterben.“ Das war der Startschuss für ihr Leben mit Jesus. Und dieser offenbarte sich ihr bald: Verwundert stellte Irmgard eines Tages fest, dass ihre Knochenmarkvereiterung zum Stillstand gekommen war, und so fragte sie sich: „Soll ich doch noch Lehrerin werden?“
Da sich nichts auftat, arbeitete sie weiter in ihrem Beruf und engagierte sich in der Kinder- und Jugendarbeit ihrer Gemeinde. Irgendwann wurde sie von der Herausforderung überrascht, Liebenzeller Schwester zu werden. Dies ließ sie zwei Jahre nicht los, bis sie mit Mitte 20 als Bibelschülerin auf den Missionsberg kam und in die Schwesternschaft eintrat. Nach ihrem Abschluss wurde sie von der Leitung gebeten, Theologie in Tübingen zu studieren, um später an der Bibelschule zu unterrichten. „So sollte ich doch noch Lehrerin werden. Da habe ich wieder erfahren, dass Gott Wünsche erfüllt – auch auf Umwegen.“
Das Studium prägte sie. Nicht nur, weil sie viel Neues im Umgang mit der Bibel lernte und sich mit anderen Ansichten auseinandersetzen musste, sondern auch wegen der Kontakte, die sie knüpfte. Als Schwester Irmgard eine japanische Studentin zum Gottesdienst einlud, sagte diese: „Seit neun Jahren lebe ich in Deutschland, und nie hat mich jemand in eine Gemeinde eingeladen.“ Diese Worte gingen der Schwester zu Herzen und waren ein Anstoß, mehr mit asiatischen Frauen ins Gespräch zu kommen. Asien interessierte sie sowieso schon immer.
Wie Gott Wünsche erfüllt
Als sie nach dem Studium auf den Missionsberg zurückkehrte, sagte sie zu Gott: „Herr, du weißt, hier sind keine Asiatinnen, aber du weißt auch um meinen Wunsch.“ Bereits zwei Tage später begegnete sie vor der Buchhandlung zwei Chinesinnen, die nach dem Weg fragten. Schwester Irmgard lud sie auf einen Tee ein und schenkte ihnen eine Bibel.
Im Rückblick auf 20 Jahre Unterricht am Theologischen Seminar kann sie sich keinen erfüllenderen Beruf vorstellen. „Wenn ich heute ehemalige ‚Studis‘ bei den Missionsfesten treffe, die ich einst mit Bibelversen und Griechisch-Grammatik ‚gestriezt‘ habe, freue ich mich, denn nun stehen gestandene Missionare, Pastoren und Diakoninnen vor mir.“
Vor sechs Jahren wurde Schwester Irmgard pensioniert. Sie zog nach Heidelberg und meldete sich als Gasthörerin an der Uni an. „Nach all den Jahren des Lehrens wollte ich selbst wieder zuhören. Und vor allem wollte ich Kontakte zu Ausländerinnen knüpfen, weil mich die Worte der japanischen Studentin aus Tübingen bis heute beschäftigen.“ Und tatsächlich lernte sie einige Frauen kennen. Mit einer Asiatin liest sie in der Bibel, eine andere ließ sich sogar taufen. Beide Frauen erzählten, dass bereits ihre Großmütter Christinnen waren. „Gott hat das Ganze schon lange vorbereitet“, stellt die Schwester erstaunt fest.
Neben einigen Verkündigungsdiensten hat sie viele Gespräche mit unterschiedlichsten Menschen. Sie ist gespannt, wen Gott ihr noch über den Weg schicken wird. Erst kürzlich hatte sie wieder eine interessante Begegnung in der Mensa. Sie konnte die junge Frau in den Gottesdienst einladen – und dort begrüßen!
Seit September 2023 lebt Schwester Irmgard im Feierabendhaus auf dem Missionsberg.
Schwester Tabea Schmolz
Von Herzen gern Gemeinschaftsschwester
Auch die Arbeit in der Küche ist okay, aber Schwester Tabea Schmolz hegt einen Traum: wieder nah an den Menschen sein und sie zu Jesus einladen. Das kann sie – in den Haßbergen.
Durch ihre Eltern lernt sie früh Jesus kennen. Elfriede, ihre einzige Schwester, reist als Missionarin der Deutschen Indianer Pionier Mission nach Paraguay. Tabea dagegen ist zunächst „Haustochter“ im Monbachtal und lernt die Liebenzeller Mission durch deren Zeltmission kennen. Bei zwei Missionsfesten hat die 16-Jährige den Eindruck: „Da oben werde ich auch mal eingesegnet.“
Doch sie soll zunächst einen Beruf erlernen. Sie wird Haus- und Familienpflegerin auf dem Roßbühl in Korntal und tritt dort als „Haus- und Landschwester“ ein. Aber an ihrem Einsatzort auf der Schwäbischen Alb gibt sie es auf, sich einzureden, dass dieser Weg der richtige ist. Sie bewirbt sich an der Bibelschule in Bad Liebenzell und will hier Schwester werden.
Nach dem Praktikum bleibt sie zwei Jahre in Büchenbronn bei Pforzheim. „Dort hat es mir total viel Freude gemacht, neue Kinder- und Jungscharstunden zu beginnen und Mädchenfreizeiten anzubieten.“ Doch sie soll sich zur Hauswirtschaftsleiterin weiterbilden und ins Haus Saron wechseln. „Die 13 Jahre in der Küche waren nicht immer leicht, aber ich bin in meiner Persönlichkeit gereift“, meint sie im Rückblick. Aber die Sehnsucht wächst, wieder rauszugehen zu den Menschen.
Ob sie sich eine Aufgabe in den Haßbergen in Unterfranken vorstellen könne, fragt der Liebenzeller Gemeinschaftsverband an. Da wäre sie „allein auf weiter Flur“, 80 Kilometer entfernt von den nächsten Kollegen. Wie es die mittlerweile verwitwete Mutter verkraften würde, zumal Elfriede damals noch in Paraguay war? Schließlich war der Tipp, einfach täglich mit der Mutter zu telefonieren, die Lösung. Und auch beim ersten Besuch in den Haßbergen wird klar: „Das passt!“
Gottesdienst und Kinderstunde im Gasthaus
An keinem ihrer insgesamt neun Einsatzorte gibt es alles: hier ein Kinderkreis, da eine Jungschar, dort ein Teenkreis. Durch die missionarischen „Ich glaub’s“-Aktionen und junge Helfer lassen sich Kinder und Jugendliche einladen. Zudem gibt es an verschiedenen Orten Bibelkreise und Frauenfrühstückstreffen, einmal im Monat einen Bezirksnachmittag. Schwester Tabea geht auch unkonventionelle Wege: Nach einer Wanderung lernt sie in einem Gasthaus die gläubige Wirtin kennen – und es entsteht dort ein Gottesdienst. Das vielseitige Programm mit Mitbring-Brunch ist niedrigschwellig. Es kommen auch Leute, die sonst keine fromme Veranstaltung besuchen würden. Am Stammtisch kann die Kinderstunde stattfinden. Wenn Missionare aus ihrer Arbeit berichten, sind die Kinder begeistert! Etliche Jahre kann noch die Mutter aus der Ferne regen Anteil nehmen.
Es fällt Schwester Tabea leicht, Menschen einzuladen und Kontakte zu pflegen. Ihr ist wichtig, auch neue Ideen auszuprobieren. An keinem Ort gibt es ein Gemeinschaftshaus, selbst der frühere Tanzsaal in einem Privathaus wurde schon genutzt. „Du musst immer schauen, wie man Leute erreichen und interessieren kann“, ist ihr Rat. Seit einem Homiletik-Seminar* traut sie sich auch an schwierigere Texte: „Die Bibel reden lassen, darauf reagieren die Zuhörer. Nicht auf meine Meinung kommt es an.“
Ihre Privatwohnung in Ebern, ideal am Marktplatz gelegen, ist auch Gemeinderaum. Hier lädt sie ein zum Lobpreis- und Gebetsabend, zum Frauenfrühstückstreffen und Büchercafé. Freundschaften sind ihr wichtig, denn „man muss auch auf sich selbst achten. Ich bin hier zwar auf einsamem Posten, aber nicht einsam!“
Schwester Renate Graf
Mutter, Pflegerin, Gemeinschaftsschwester
„Der Weg, den man im Gehorsam gegenüber Jesus geht, ist der einzige Weg, der weiterhilft und inneren Frieden schenkt!“ Davon ist Schwester Renate Graf felsenfest überzeugt.
Mit 17 Jahren erlebte sie eine einschneidende Berufung: Nach dem Bibellesen hörte sie plötzlich eine Stimme: „Gib mir dein Leben ganz!“ – „Es ag unglaublich klingen, aber für mich war das ganz klar die Stimme von Jesus“, so Schwester Renate. Seine Aufforderung führte dazu, dass sie mit 23 Jahren in die Liebenzeller Schwesternschaft eintrat.
Das Leben wird auf den Kopf gestellt
Nach ihrer dreijährigen Bibelschulausbildung kam sie 1966 in die Gemeinschaftsarbeit nach Lahr. Die sechs Jahre waren eine prägende Zeit, denn sie war auf sich gestellt und es gab dort noch keinen Prediger. Von 1972 bis 1979 arbeitete sie in Söllingen, bevor sie 1979 nach Lienzingen bei Mühlacker versetzt wurde. Dort sollte sie im Jugendbund die 21-jährige, hochschwangere Christine Brötzmann kennenlernen, die ihren weiteren Lebensweg maßgeblich bestimmte. Nach der Geburt erkrankte die junge Mutter – und die unheilbare Krankheit verschärfte sich nach der Geburt des zweiten Mädchens. Christine Brötzmann wurde zu einem Pflegefall – und die Ehe ging in die Brüche. Schwester Renate, die immer mehr die Pflege übernahm, erkämpfte mit Christine Brötzmann deren Sorgerecht für die Töchter.
Die größte Aufgabe im Leben
Christine Brötzmann wurde im Laufe der Zeit als christliche Autorin und Malerin bekannt. 20 Jahre lang betreute Schwester Renate die schwerstbehinderte Frau und ihre Kinder. „Das war meine größte Aufgabe im Leben, doch ich wurde dafür nie ausgebildet.“ Bis 1989 hatte sie ihre volle Stelle in der Gemeinschaftsarbeit, dann konnte sie auf eine 50-Prozent-Stelle nach Tann in die Rhön wechseln. Sie wohnte zusammen mit Christine Brötzmann und den beiden Kindern im Gemeinschaftshaus. „Es ist einfach unbeschreiblich, was wir an Wundern erlebten“. So wurde dank der Fürsprache von Politikern der Bau einer aufwendigen Rampe in das Haus bewilligt. Ein Arzt setzte sich dafür ein, dass Christine Brötzmann, die inzwischen bettlägerig war und eine Rund-um-die-Uhr-Pflege benötigte, einen Spezialrollstuhl erhielt. Mit diesem war sie auch liegend mobil und „damit haben wir die ganze Rhön durchforstet“, meint Schwester Renate lächelnd.
2000 starb Christine Brötzmann im Alter von 43 Jahren. Schwester Renate blieb in der Rhön und erlebte, wie die Frauenarbeit in Tann aufblühte: Jeden Dienstag kamen rund 25 Frauen in die Frauenstunde – „und nicht nur Fromme. Eines Tages erkannte ich: Damit hat mir Jesus selbst als Dankeschön ein großes Geschenk gemacht!“ Im Rückblick ist sie Gott dankbar, dass die beiden Töchter sich auch für ein Leben mit Jesus Christus entschieden. Sie sind inzwischen verheiratet und Schwester Renate hat nun fünf Enkelkinder: „Für sie bin ich ihre Oma.“
Neue Aufgabe auf dem Missionsberg
2008 kehrte Schwester Renate nach Bad Liebenzell zurück und fand im Feierabendhaus eine weitere Berufung: Sie betreute sechs Jahre lang eine schwer psychisch erkrankte Mitschwester, fand zu ihr Zugang und ging jeden Tag mit ihr spazieren. Nie wieder musste diese Schwester zurück in die Klinik.
Ob Schwester Renate etwas bereut oder im Rückblick anders gemacht hätte? „Nein, ich habe nichts in meinem Leben vermisst und konnte für andere da sein! Ich erlebte: Man wird reich gesegnet und beschenkt, wenn man Jesus vertraut.“
Schwester Erika Leimenstoll
„Schwester wollte ich eigentlich nicht werden“
Missionsschwester wollte Erika Leimenstoll eigentlich nicht werden – wurde es aber dennoch – und hat es nie bereut.
„Zur Überraschung meiner Eltern wurde ich am 7. Dezember 1945 in Waldkirch geboren“, so blickt Schwester Erika Leimenstoll auf ihren Geburtstag zurück. Denn mit ihr rechnete an diesem Tag keiner: Ihre Eltern erwarteten nur ein Kind – und dem Sohn folgte zur Überraschung aller wenige Minuten später noch ein Mädchen: Erika. In der schweren Nachkriegszeit wuchs sie mit sieben Geschwistern in Denzlingen auf. Ein erster tiefer Einschnitt in ihrem Leben bedeutete der Tod eines ihrer Brüder im Alter von zwei Jahren, den sie als Sechsjährige erlebte und tief erschütterte.
„In der Mission dienen, indem ich einen Missionar heirate“
Mit zwölf Jahren fand die Südbadnerin bei einer Evangelisation zum Glauben. „Aus Dankbarkeit wollte ich einmal Jesus in der Mission dienen – indem ich einen Missionar heirate.“ Als sie ihre Ausbildung zum Großhandelskaufmann (so hieß es damals noch) abgeschlossen und bereits drei Jahre im Beruf gearbeitet hatte, erinnerte sie Gott immer wieder an ihr Versprechen. Vor allem Psalm 32, 8 wurde für sie wegweisend: „Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten.“ Ihr Weg führte sie nach Bad Liebenzell. „Aber Schwester wollte ich nicht werden.“ Eigentlich wollte sie nur die Bibelschule besuchen. „Nach manchem inneren Kampf“ wurde Schwester Erika dann doch klar, dass sie in die Schwesternschaft eintreten sollte. 1966 war es so weit, und mit Freude absolvierte sie die Ausbildung. „Gott sei Dank habe ich erfahren, dass Jesus niemand in eine Schwesternschaft ‚zwingt‘. Natürlich gab es auch Probleme, und über manches ärgerte ich mich. Aber das half mir, als Person und im Glauben zu reifen.“
Gottes Wege sind oft unverständlich – aber gut
Nach der Bibelschulausbildung war Schwester Erika zunächst in Heidelberg in der Gemeinde- und Jugendarbeit tätig. Für sie zunächst unverständlich, wurde sie nach acht Jahren wieder auf den Missionsberg versetzt: ins Büro des Liebenzeller Gemeinschaftsverbandes als Sekretärin des damaligen Inspektors Alfred Gajan. „Dort habe ich viel gelernt und die Arbeit machte mir Freude.“ Nach 15 Jahren folgte die nächste Aufgabe: als Reise- und Seelsorgeschwester sowie stellvertretende Oberin. Nach drei Jahren wusste sich Schwester Erika nach Frankreich berufen. Mit fast 50 Jahren begann sie mit dem Sprachstudium in Massy bei Paris. Dann erreichte sie die Bitte, im afrikanischen Burundi für fünf Monate Iris Vatter zu unterstützen. Anschließend arbeitete sie in Mortagne und Alencon in der Normandie. 2000 ereilte sie dann der Ruf als Oberin: „So sind die Wege Gottes: oft überraschend und zunächst nicht verstehbar. Aber ich kann nur staunen und danken. Es war mir eine große Freude, für die Schwestern da zu sein.“
Das größte Geschenk
Wichtig wurde ihr ein Liedvers des Arztes und Schriftstellers Paul Fleming (1609–1640): „In allen meinen Taten lass ich den Höchsten raten, der alles kann und hat; er muss zu allen Dingen, soll‘s anders wohl gelingen, mir selber geben Rat und Tat.“ Schwester Erika: „Es ist so ein großes Geschenk, Kind Gottes sein zu dürfen, Vergebung meiner Schuld zu empfangen und die Hoffnung auf das ewige Leben zu haben. Jesus Christus wird mich und alle die Seinen ans Ziel bringen. Das will ich weitersagen.“ Würde sie im Rückblick etwas anders machen? „Ich würde besser hinschauen und mehr Zeit für Einzelne nehmen. Aber ich würde mich wieder senden lassen. Das waren gesegnete Wege, die mich der Herr führte.“
Schwester Erika Leimenstoll ist 2022 verstorben. Wir sind sehr dankbar, dass sie unter uns war und schätzen ihren großen Einsatz, den sie für die Liebenzeller Mission und die Menschen in ihrem Umfeld geleistet hat.
Schwester Lydia Kehr
Ein Schritt, den sie nie bereute
„Ich würde den Weg, den Gott mir zeigt, immer wieder gehen. Auch als Liebenzeller Schwester.“ Das sagt Schwester Lydia Kehr, die wenige Woche vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges am 20. März 1945 als „waschechte Hessin“ auf die Welt kam.
Mit drei älteren Brüdern wuchs sie auf einem Bauernhof in der Nähe von Darmstadt auf. Früh musste sie auf den Feldern und im Stall mithelfen. Überschattet wurde ihre Kindheit vom frühen Tod ihres Vaters, der mit 48 Jahren überraschend an einer Herzkrankheit auf dem Feld starb. Schwester Lydia Kehr war damals zehn Jahre alt.
„Hat der Heiland auch schon dein Herz aufgetan?“
Kurz zuvor besuchte sie mit ihm zum ersten Mal das Pfingstmissionsfest. Die Liebenzeller Mission hatte sie schon früher durch Prediger und Missionsschwestern kennengelernt. Auch Missionare waren oft zu Gast bei ihren Eltern, die die Gemeinschaftsstunde des damaligen Starkenburger Gemeinschaftsverbandes (heute Evangelischer Gemeinschaftsverband Rhein-Main) besuchten. Ein wenig peinlich war ihr dabei immer wieder, wenn sie aufgrund ihres biblischen Vornamens gefragt wurde, ob „der Heiland“ wie bei der Purpurhändlerin Lydia (Apostelgeschichte 16) „ihr Herz schon aufgetan habe“, erinnert sie sich.
Schwester zu werden, war nicht ihr ursprünglicher Wunsch fürs Leben
Schwester bei der Liebenzeller Mission zu werden, war eigentlich nicht ihr Wunsch fürs Leben. „Aber ich wollte ganz nach dem Willen Gottes leben“. Bei einem Missionsvortrag wurde ihr bewusst: „Gott hat etwas mit mir vor!“ Nach einem Gespräch mit dem damaligen Bezirksprediger wurde ihr klar, dass sie sich als diakonische Helferin in Bad Liebenzell bewerben sollte. Und so kam sie 1968 auf den Missionsberg. Von den jungen Missionsschwestern wurde sie herzlich aufgenommen, was sie sehr beeindruckte. „Will Gott, dass ich auch zu ihnen gehöre?“, fragte sie sich. Im intensiven Reden mit Gott bekam sie eine unüberhörbare, eindeutige Antwort. Und so trat sie 1969 in die Schwesternschaft ein.
Als Dank zu vielen Hochzeiten eingeladen
Diesen Schritt hat sie nie bereut: „Meine Arbeit war sehr vielseitig.“ Zunächst arbeitete Schwester Lydia Kehr in der Zentralküche mit, wo sie viel lernen konnte. Danach war sie 20 Jahre als Gemeinschaftsschwester in Ebhausen bei Nagold und im fränkischen Wassertrüdingen tätig. Besonders freute sie sich, die Frohe Botschaft an Kinder weitergeben zu können. Ebenso begleitete sie junge Menschen sehr gerne auf ihrem Weg und stand ihnen bei Lebensfragen bei. Und das hatte Folgen: „Als Dank war ich zu vielen Hochzeiten eingeladen“, blickt sie lachend zurück. Von 1995 bis 2003 war sie schließlich als Hausmutter der Bibelschule für die Studentinnen zuständig.
„Das hätte ich vor 25 Jahren niemals zu träumen gewagt!“
Wichtig war ihr bei der Arbeit, dass Jesus immer unentbehrlicher und die Freude an ihm „mir zu täglichen Stärkung wird“. Besonders der Liedvers von Peter Strauch „Jesus, wir sehen auf dich. Deine Liebe, die will uns verändern, und in uns spiegelt sich deine Herrlichkeit“ ist ihr zu einem Herzensanliegen geworden. Heute verbringt sie ihren Ruhestand im Feierabendhaus auf dem Missionsberg. Am liebsten geht sie früh mit einem spannenden Buch ins Bett, leidenschaftlich gerne liest sie Biografien und christliche Romane. Sie ist nach wie vor froh, Teil der Schwesternschaft und der Liebenzeller Mission zu sein. „Es wäre fatal, wenn die Liebenzeller Mission auf dem Stand wie vor 50 Jahren wäre. Veränderungen gehören zum Leben und ich staune immer wieder über die vielen Mitarbeiter auf dem Missionsberg. „Dass einmal so viele junge Menschen bei uns studieren würden, hätte ich vor 25 Jahren nicht zu träumen gewagt.“