Umfangreiche Biografie über Heinrich Coerper erschienen
BAD LIEBENZELL. Heinrich Coerper, der Gründer und langjährige Leiter der Liebenzeller Mission, gehört zu den großen Unbekannten in der deutschen Missions- und Kirchengeschichte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In einer umfangreichen Biografie mit mehr als 600 Seiten folgt der Kirchen- und Missionshistoriker Bernd Brandl den Lebensstationen des aus dem kurpfälzischen Meisenheim an der Glan stammenden Heinrich Coerper. Dafür wurden erstmals intensiv seine Tagebücher, Briefe und Veröffentlichungen ausgewertet.
1899 gründete Pfarrer Heinrich Coerper (1863–1936) in Hamburg einen deutschen Zweig der China-Inland-Mission – auf Bitten des englischen Missionspioniers James Hudson Taylor. Wenige Jahre später siedelte Heinrich Coerper nach Bad Liebenzell in den Schwarzwald um, das Missionswerk nahm den Namen seiner neuen Heimat an und wurde zur Liebenzeller Mission. Coerper prägte die Liebenzeller Mission maßgeblich und stand bis kurz vor seinem Tod an der Spitze des Werkes. Weniger bekannt ist, dass er zu den Mitbegründern der Schülerbibelkreise, der Studentenmission und der Arbeit des Jugendverbands „Entschieden für Christus“ (EC) gehörte. Auch der Süddeutsche Gemeinschaftsverband sowie der Liebenzeller Gemeinschaftsverband gehen auf ihn zurück. Neben den Anfängen der Liebenzeller Mission beleuchtet das Buch auch die vielen weiteren Gründungen Heinrich Coerpers, die heute noch vital und lebendig sind.
Verfasst hat die Biografie Bernd Brandl. Er war von 2011 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2021 Professor für Kirchen- und Missionsgeschichte an der Internationalen Hochschule Liebenzell. Zuvor war er Gemeinschaftspastor, Missionar in Indonesien und Tansania sowie Leiter der Neukirchener Mission: „Die Person Heinrich Coerper fasziniert mich schon viele Jahre, gerade weil sein Einfluss aus kirchengeschichtlicher Sicht weit größer war als oft angenommen“, so Brandl. Es gelte, Coerper als wichtigen Vertreter der Heiligungs‑, Heilungs- und Evangelisationsbewegung wahrzunehmen, einer der letzten tiefgreifenden christlichen Aufbrüche in Deutschland. Brandl verweist in seiner Darstellung auch auf die Schattenseiten Coerpers. Während des Ersten Weltkriegs war er hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe zur Mission und seiner Liebe zu Deutschland. Wie viele seiner Generation haderte er mit der deutschen Niederlage 1918 und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen. Die Anfänge des Nationalsozialismus verfolgte er darum mit großen Hoffnungen und verteidigte anfangs Hitler gegen Bedenken in den eigenen Kreisen. Er meinte sogar, Hitler in seinen Entscheidungen beeinflussen zu können. Seinen Irrtum bemerkte er im November 1933, einen Monat bevor ein Schlaganfall sein öffentliches Wirken beendete.
Für Dave Jarsetz, Leiter der Liebenzeller Mission, ist die Biografie über Heinrich Coerper ein Meilenstein in der Geschichte des Missionswerks: „Ein großer Dank und meine höchste Anerkennung an Bernd Brandl und allen, die daran beteiligt waren.“ Die Biografie zeige ein differenziertes Bild von Heinrich Coerper: „Er war ein begnadeter Pionier, Seelsorger und Prediger, aber kein Heiliger.“ Unterschiedliche Facetten einer Persönlichkeit darzustellen, mache eine authentische Biografie aus, so Dave Jarsetz.
Prof. Dr. Volker Gäckle, Rektor der Internationalen Hochschule Liebenzell, hob die akribische Leistung des Autors hervor: „Bernd Brandl hat viele Jahre über Heinrich Coerper geforscht. Herausgekommen ist die ausführlichste und erste wissenschaftliche Biografie über ihn. Gleichzeitig ist sein Buch spannend zu lesen und man merkt Bernd Brandl seine Leidenschaft an, die den Entstehungsprozess begleitet hat.“
Bernd Brandl
Heinrich Coerper – Sein Leben und die Anfänge der Liebenzeller Mission
662 Seiten, 49,90 Euro, LIT Verlag