Vertrauen braucht Zeit

Wer Men­schen in ande­ren Kul­tu­ren mit der Fro­hen Bot­schaft von Jesus Chris­tus errei­chen will, muss die kul­tu­rel­len Eigen­ar­ten des Lan­des ver­ste­hen und berück­sich­ti­gen. Das ist eine Schlüs­sel­kom­pe­tenz für jeden Mis­sio­nar. Und die Regeln dort ver­än­dern auch die Mit­ar­bei­ten­den. Das hat das hat auch eine Mit­ar­bei­te­rin der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on im Mitt­le­ren Osten erfahren.

Ich bin sehr dank­bar, dass ich die Mög­lich­keit geschenkt bekom­men habe, drei Näch­te bei einer sechs­köp­fi­gen ara­bi­schen Fami­lie zu über­nach­ten und auch wei­ter­hin will­kom­men bin, bei der Fami­lie ein- und aus­zu­ge­hen. Ich freue mich sehr über die weit geöff­ne­te Tür und habe bereits sehr wert­vol­le Erfah­run­gen sam­meln können.
Beson­ders wert­schät­ze ich die selbst­ver­ständ­li­che Groß­zü­gig­keit, das Tei­len von allen Din­gen bis hin des Bet­tes einer der Töch­ter. Wert­schät­zung und Freund­schaft wird sehr emo­tio­nal aus­ge­drückt: Mit vie­len lie­be­vol­len Flos­keln, die oft wie­der­holt wer­den, ver­bun­den mit einer sehr aus­drucks­star­ken Kör­per­spra­che. Ich lie­be es, wie die Ara­ber ihre Gefüh­le zum Aus­druck brin­gen und ich bin erstaunt, wie schnell ich die Her­zen der Kin­der gewin­nen durf­te. Sie wür­den mich am liebs­ten nicht wie­der gehen lassen.

Das Ver­trau­en zur Mut­ter auf­zu­bau­en, brauch­te im Ver­gleich ein biss­chen län­ger. In der Bedui­nen-Kul­tur bleibt man erst drei Näch­te über­nacht, bis man beginnt, über ein beson­de­res Anlie­gen zu spre­chen. Inter­es­san­ter­wei­se hat die Mut­ter der Fami­lie mir erst nach der drit­ten Nacht ihre Bezie­hungs­pro­ble­me mit ihrem Mann anver­traut. Auf­grund der Scham­kul­tur und des hohen sozia­len Drucks in der Gesell­schaft neh­me ich eine gro­ße Hemm­schwel­le wahr, über Pro­ble­me, per­sön­li­che Schwie­rig­kei­ten und Schuld zu spre­chen. Pro­ble­me wer­den unter den Tep­pich gekehrt, die Wahr­heit wird über­spielt, ver­tuscht oder geleug­net, bis die Emo­tio­nen im geschütz­ten Rah­men auf ein­mal ein­fach nur so her­aus­spru­deln und sehr ein­neh­mend sein können.
Als Naman mir nach der drit­ten Über­nach­tung von ihrer ers­ten Ehe erzähl­te, und anschlie­ßend von den Pro­ble­men mit ihrem aktu­el­len Ehe­mann, war ich inner­lich scho­ckiert. Es war ihr bis zu die­sem Zeit­punkt nicht wirk­lich anzu­se­hen. Es macht mich sehr trau­rig mit­an­zu­se­hen, wie allein man­che Frau­en hier mit ihren Pro­ble­men sind.

An einem Abend bekam ich auch einen Kon­flikt zwi­schen den Geschwis­tern mit. Dabei muss­te ich fest­stel­len, dass die­se inner­halb der Fami­lie anders gelöst wer­den als gewohnt. Statt über die Situa­ti­on zu spre­chen, reagier­te die Mut­ter über und zog die unschul­di­ge älte­re Schwes­ter tem­pe­ra­ment­voll an den Haa­ren. Die älte­re Schwes­ter rede­te dar­auf­hin kein Wort mehr mit ihrer Mut­ter, wein­te den gan­zen Abend und ver­wei­ger­te das Essen. Ihre Mut­ter schick­te schließ­lich mich mit der unter­wegs gekauf­ten Piz­za zu ihrer Toch­ter, da sie nur in mei­ner Anwe­sen­heit essen wür­de. Die Mut­ter wur­de hier schul­dig, doch es wur­de kein Wort der Ent­schul­di­gung gespro­chen. Erst Tage spä­ter fiel mir auf, dass es ver­mut­lich ein indi­rek­ter Ver­such der Ver­söh­nung war, indem sie mich mit einer Piz­za zu ihrer Toch­ter sandte.

Für mich war der Kon­flikt damals nicht gelöst, doch auf ein­mal ver­stand ich, dass sie anders kom­mu­ni­zie­ren, näm­lich auf eine indi­rek­te Wei­se. Mir wur­de bewusst, dass auch ich bereits begon­nen habe, indi­rek­ter zu kom­mu­ni­zie­ren, als ich es gewohnt bin. Her­aus­for­dernd für mich ist dabei, bei allem kul­tu­rel­len Anpas­sen und indi­rek­ten Kom­mu­ni­zie­ren die Wahr­heit leuch­ten zu las­sen. Dafür brau­che ich unbe­dingt Got­tes Weis­heit und Liebe.

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