Ein sicherer Ort der Heilung für Frauen

Die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on betritt Neu­land: Im Herbst 2023 soll in Ecua­dor ein Frau­en­haus star­ten. Wir haben mit dem desi­gnier­ten Ein­rich­tungs­lei­ter, Mis­sio­nar Sebas­ti­an Ruf, dar­über gespro­chen, wie es zu die­sem neu­en Pro­jekt kam, wie er Betrof­fe­nen kon­kret hel­fen will und wel­che fata­len Fol­gen ein ein­hei­mi­sches Sprich­wort hat.

Sebas­ti­an, was ist das Ziel des Frau­en­hau­ses, das ihr grün­den wollt?
Wir wol­len einen siche­ren Zufluchts­ort für Frau­en schaf­fen, die häus­li­che Gewalt erle­ben, was hier in Ecua­dor ein gro­ßes Pro­blem ist. Wir wol­len zudem einen Ort anbie­ten, an dem Frau­en heil wer­den kön­nen von dem Trau­ma, das sie erlit­ten haben. Außer­dem sol­len sie eine Per­spek­ti­ve erhal­ten, selbst­stän­dig leben zu kön­nen und nicht mehr von ihrem Part­ner emo­tio­nal und finan­zi­ell abhän­gig zu sein. Dabei ist uns bewusst, dass bei häus­li­cher Gewalt lei­der in sel­tens­ten Fäl­len eine Ver­söh­nung oder Wie­der­her­stel­lung der Ehe mög­lich ist.

Wie sieht das Kon­zept des Schutz­haus ganz prak­tisch aus?
Wir haben in der Pro­vinz­haupt­stadt Ibar­ra zwei Häu­ser ange­mie­tet: In dem einen leben wir, in dem ande­ren künf­tig bis zu acht Frau­en mit Kin­dern, die ihre Mut­ter noch brau­chen und oft Din­ge auf­zu­ar­bei­ten haben, die durch die häus­li­che Gewalt ver­ur­sacht wur­den. In dem Haus sol­len auch eine ein­hei­mi­sche Mit­ar­bei­te­rin woh­nen. Sie küm­mert sich um orga­ni­sa­to­ri­sche Auf­ga­ben und beglei­tet die Frauen.

Wie helft ihr den Frau­en konkret?
Tabea, mei­ne Frau, arbei­tet bereits jetzt mit einer Grup­pe von Frau­en zusam­men, die meis­tens bereits län­ger Chris­ten sind und Ver­ant­wor­tung auch in ande­ren Berei­chen über­nom­men haben. Sie bil­det sie unter ande­rem in der Seel­sor­ge mit Frau­en aus, die häus­li­che Gewalt und ein Trau­ma erlebt haben. Die­se ein­hei­mi­schen Mit­ar­bei­te­rin­nen wer­den spä­ter die Frau­en im Haus betreu­en. Jede Betrof­fe­ne soll dabei eine direk­te Ansprech­part­ne­rin haben, mit der sie sich regel­mä­ßig trifft. Wir müs­sen zudem die Frau­en recht­lich beglei­ten, wenn zum Bei­spiel eine Schei­dung nicht mehr ver­meid­bar ist. Letzt­lich ist das Ziel, dass die Betrof­fe­nen wie­der selbst­stän­dig leben kön­nen. Dabei sol­len die Frau­en unge­fähr ein hal­bes Jahr bei uns woh­nen. Die Seel­sor­ge­rin­nen über­neh­men dabei einen wich­ti­gen Part. Wir bie­ten den Frau­en dane­ben auch Work­shops an, bei denen sie ler­nen, finan­zi­ell auf eige­nen Füßen zu ste­hen und ihre Kin­der zu begleiten.

Wer steht hin­ter eurer Arbeit?
Hin­ter uns ste­hen meh­re­re Gemein­den im Nor­den Ecua­dors, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren durch die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on gegrün­det wur­den oder sich zu uns hal­ten. Wir haben von Anfang an die Gemein­den infor­miert und bemüht, sie ins Boot zu holen. Dabei arbei­ten wir eng mit der größ­ten Gemein­de hier in Ibar­ra zusam­men. Wir haben immer den engen Kon­takt mit dem ört­li­chen Pas­tor gesucht und unse­re Ent­schei­dun­gen mit ihm abge­spro­chen. Von hier kom­men auch die Seel­sor­ge­rin­nen. Ich spre­che außer­dem in den christ­li­chen Gemein­den in Ecua­dor immer wie­der über häus­li­che Gewalt. Dabei ver­su­che ich die Men­schen dafür zu sen­si­bi­li­sie­ren. Denn oft wird das Pro­blem gar nicht als Unrecht wahr­ge­nom­men oder gese­hen, dass es eine unge­sun­de Bezie­hung ist, wenn dort häus­li­che Gewalt geschieht. Wir bemer­ken, dass die­ses The­ma oft scham­be­haf­tet ist und es viel Ver­trau­en benö­tigt, aus sol­chen gewalt­tä­ti­gen Bezie­hun­gen einen Schritt her­aus­zu­ma­chen. Wir haben auch fest­ge­stellt, dass wir Ver­trau­en zu den Betrof­fe­nen am bes­ten über und durch die Gemein­de auf­bau­en kön­nen. Und nicht zuletzt kön­nen wir über die Gemein­den deut­lich machen, dass wir die bes­te Bot­schaft haben: Jesus kann Her­zen verändern.

Wie vie­le Frau­en in Ecua­dor sind schät­zungs­wei­se von häus­li­cher Gewalt betroffen?
Momen­tan geht man davon aus, dass zwei von drei Frau­en bereits For­men von häus­li­cher Gewalt erlebt haben. Dabei ist der Aggres­sor aber nicht immer nur der Part­ner oder Ehemann.

Habt ihr beim Auf­bau des Frau­en­hau­ses auch Kon­takt zu ähn­li­chen Ein­rich­tun­gen genommen?
Wir haben in der Haupt­stadt Qui­to ein säku­la­res Frau­en­haus besucht und des­sen Kon­zept ange­schaut. Zudem waren wir bei einer christ­li­chen Ein­rich­tung, die sich aller­dings nicht auf häus­li­che Gewalt spe­zia­li­siert hat, son­dern auf jugend­li­che Frau­en, die in die Pro­sti­tu­ti­on gerutscht sind.

Wie finan­ziert ihr eure Arbeit?
Wir sind bestrebt, dass die Gemein­den in Ecua­dor die Arbeit mit­fi­nan­zie­ren. Wir wis­sen aber, dass wir auch Unter­stüt­zung aus Deutsch­land benö­ti­gen. Denn es gibt hier in Ecua­dor kein Frau­en­haus, das nicht ohne Spen­den aus dem Aus­land aus­kommt. Vom ecua­do­ria­ni­schen Staat wer­den wir kaum etwas erhalten.

Ist Gewalt in der Ehe in Ecua­dor übli­cher als bei uns oder ist es ein grö­ße­res Tabu, über häus­li­cher Gewalt zu reden?
Lei­der ist Gewalt in Fami­li­en und Ehen hier ein Stück weit Nor­ma­li­tät. Das fängt bereits früh bei der Erzie­hung an, wo Schlä­ge dazu gehö­ren. Kin­der wer­den oft mit dem Gür­tel geschla­gen, eben­so auch vie­le Frau­en. Es gibt bei den Qui­chua-India­nern das Sprich­wort: „Er belei­digt dich, er schlägt dich, er tötet dich – aber er bleibt dein Ehemann.“

Frau­en­häu­ser in Deutsch­land sind sehr oft geschützt, damit die Män­ner ihre Frau­en nicht gegen ihren Wil­len her­aus­ho­len kön­nen. Wie sieht euer Sicher­heits­kon­zept aus?
Sicher­heit spielt natür­lich eine gro­ße Rol­le. Es ist uns sehr wich­tig, dass sich die Frau­en bei uns sicher füh­len, sonst kön­nen sie das Erleb­te nur schwer auf- und ver­ar­bei­ten. Die Poli­zei weiß, wo unser Haus steht. Eben­so ist es von einem hohen Zaun umge­ben und wir wer­den Über­wa­chungs­ka­me­ras und Bewe­gungs­mel­der anbringen.

Wie erfah­ren Frau­en von eurem Hilfsangebot?
Wir haben die Behör­den infor­miert, vor allem das Amt, das Frau­en kos­ten­los recht­li­che Hil­fe anbie­tet. Wir hat­ten auch Kon­takt mit der Bür­ger­meis­te­rin. Dabei wer­ben wir aber zunächst über den Bekann­ten­kreis und die Gemein­den, weil wir behut­sam star­ten wol­len. Und hier gibt es bereits genü­gend Betrof­fe­ne, für die unser Frau­en­haus unbe­dingt benö­tigt wird.

Wann soll das Frau­en­haus öffnen?
Wir pla­nen, nach der Rück­kehr aus unse­rem anste­hen­den ein­jäh­ri­gen Hei­mat­auf­ent­halt im Herbst 2023 zu star­ten. Wir sind dabei sehr gespannt, wie das Pro­jekt anläuft und wel­che ers­ten Erfah­run­gen wir sam­meln können.

Wie kön­nen euch Chris­ten unterstützen?
Betet um Weis­heit und Got­tes Füh­rung. Denn die­ses Pro­jekt ist Neu­land für uns und die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on. Wir beten zudem, dass die Frau­en gute Erfah­run­gen machen kön­nen, auch durch die seel­sor­ger­li­chen Gesprä­che, die jetzt bereits statt­fin­den. Und dass wir rasch ler­nen, wie wir den Betrof­fe­nen best­mög­lich hel­fen kön­nen. Außer­dem sind wir dank­bar für alle Spen­den, denn ohne sie kön­nen wir die Arbeit nicht machen.

War­um eröff­net die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on gera­de ein Frauenhaus?
In der Bibel sehen wir, dass Gott ein Gott ist, der sich spe­zi­ell um die Unter­drück­ten küm­mert. Und wenn Gott das auf dem Her­zen hat, soll­ten wir das als Gemein­den auch haben: Men­schen zu hel­fen, die unter Unter­drü­ckung und Gewalt lei­den und ihnen bei­zu­ste­hen. Wenn wir das tun, wenn wir Got­tes Cha­rak­ter, Lie­be und Barm­her­zig­keit wider­spie­geln, strahlt das in die Gesell­schaft hin­ein. Ich möch­te, dass wir als Gemein­de dafür bekannt sind, dass wir Gott ken­nen und lie­ben, ihn dar­stel­len. Und wir wol­len auf­zei­gen, dass Got­tes Bot­schaft Ant­wor­ten hat über das hin­aus, was Psy­cho­lo­gie allei­ne leis­ten kann: Ech­te Hoff­nung, ein Gott, der Men­schen hei­len und ver­än­dern kann durch sei­nen Geist. Wer kann das den Men­schen auf­zei­gen, wenn nicht wir?

Die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on ist seit 1989 in Ecua­dor tätig. Die Mis­sio­na­re betreu­en Paten­schafts­pro­gram­me und Stu­die­ren­de, grün­den Gemein­den und schu­len ein­hei­mi­sche christ­li­che Mit­ar­bei­ten­de. Betreu­ung von Kurz­zeit­ein­satz-Mit­ar­bei­ten­den, ört­li­che Jugend­ar­beit und Arbeit unter Stu­die­ren­den sind dabei die Auf­ga­ben von Sebas­ti­an und Tabea Ruf in Ecua­dor. Seit Juni 2018 sind sie in Ecua­dor tätig. Bei­de stu­dier­ten in Bad Lie­ben­zell – Sebas­ti­an an der Inter­kul­tu­rel­len Theo­lo­gi­schen Aka­de­mie und Tabea an der Inter­na­tio­na­len Hoch­schu­le Lie­ben­zell. Sie haben zwei Kinder.

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