3.300 Besucher beim Herbstmissionsfest
BAD LIEBENZELL. „In der Geschichte der Liebenzeller Mission gab es noch nie so viele Gelegenheiten, das Evangelium zu verkünden; noch nie gab so viele junge Menschen, die es nötig haben, es zu hören; noch nie gab so viele Fragen, die die Menschen über sich selbst, ihre Zukunft und die Welt im Allgemeinen stellen.“ Das sagte der neue Missionsleiter David Jarsetz beim Herbstmissionsfest der Liebenzeller Mission am 17. September. Bei dem Fest in Bad Liebenzell unter dem Motto „weiter“ wurde der bisherige Direktor, Pfarrer Johannes Luithle, verabschiedet und der neue Leiter des Werkes in das Amt eingeführt. Rund 3.300 Missionsfreunde kamen dazu auf den Missionsberg. Der Livestream wurde mehr als 2000-mal angeschaut (Stand 17.09., 17 Uhr).
David Jarsetz ist es wichtig, „dass wir weiterhin ein klar auf Christus ausgerichtetes und von ihm abhängiges Glaubenswerk sind, und ich vertraue darauf, dass uns sein Geist auch neue Wege führt.“ Konkret bedeute das, innovativer, flexibler, experimentierfreudiger, digitaler, vernetzter und vor allem internationaler zu sein. Vermehrt rücke auch Deutschland in den Fokus der Arbeit der Liebenzeller Mission. Angesichts jeden fünften Einwohners, der einen Migrationshintergrund hat, „sehen wir hier eine offene Tür. Daher möchten wir verstärkt Mitarbeiter hier und in Europa einsetzen und entsenden, aber auch internationale Mitarbeiter bei uns empfangen“, sagte der neue Missionsleiter.
„Die Liebenzeller Mission bleibt weiterhin ein Werk innerhalb der Kirche.“ Das machte David Jarsetz in seinem Missionsbericht deutlich. Dass der Liebenzeller Gemeinschaftsverband als einer der Trägerverbände eine Körperschaft des öffentlichen Rechts anstrebe, ändere nichts an der Stellung des Missionswerkes zur Kirche. Das habe man in der vergangenen Mitgliederversammlung nochmals ausdrücklich in der Vereinssatzung festgehalten. David Jarsetz verwies auch darauf, „dass Kirche in ihrem Wesen nach missionarisch ist: „Die Kirche gibt es nur, damit es Mission gibt, und Mission ist Glaubensweitergabe und Liebesweitergabe.“ Jarsetz Anliegen sei es, Menschen mit der Liebe von Jesus Christus bekannt zu machen: „Dafür brennt mein Herz und dafür will ich mit all meinen Kräften einsetzen.“
Der württembergische Landesbischof Ernst-Ludwig Gohl wünschte in einem Videogrußwort David Jarsetz Gottes Segen und der Liebenzeller Mission „weiter eine enge Verbindung zur Landeskirche, um dem gemeinsamen Auftrag nachzukommen, das Evangelium in der Welt in Wort und Tat zu bezeugen.“ Bad Liebenzells Bürgermeister Roberto Chiari wünschte Dave Jarsetz „das Allerbeste und weise Entscheidungen.“ Laut dem ehemaligen Direktor Hanspeter Wolfsberger gibt es kaum einen größeren Dienst als den, „als geistlicher Hirte den Mitarbeitern das Herz leichter zu machen, ausgehungerten Menschen von der Güte Gottes zu erzählen, Sterbenden den Frieden zu bezeugen und einer verlorenen Welt den Weg in die Heimat zu weisen.“
„Hingabe an Gott und geistliche Lebendigkeit zeigen sich nicht darin, dass einer immer durchpowert für seinen Herrn und für die Gemeinde. Vielmehr nimmt er Unterbrechungen ernst und lebt das Nichtstun vor Gott aus.“ Diese Ansicht vertrat der scheidende Direktor der Liebenzeller Mission, Pfarrer Johannes Luithle bei seiner Abschiedspredigt. Er verwies auf Martin Luthers Rat an seinen Freund Philipp Melanchthon: „Denn man dient Gott auch durch Nichtstun, ja durch keine Sache mehr als durch Nichtstun.“ Laut dem neuen Geistlichen Vorsteher der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal „ist Gott der Seelenerquicker. Er ist unser Herzerweiterer. Er weitet das eng gewordene Herz.“ Das geschehe, sobald man auf Gott schaue, ihn in seiner Größe bestaune und ihn als Vater des Lebens wahrnehme: „Ein großes Herz erhalten wir nicht durch ununterbrochenes Arbeiten, sondern indem wir uns von Gottes Liebe bestrahlen lassen.“
Neben der Einführung und Verabschiedung gab es auch Vorträge und Workshops. Der christliche Glaube ist das Ergebnis einer heilsgeschichtlichen „Weiterentwicklung“ durch Jesus Christus. Diese Ansicht vertrat der Rektor der Internationalen Hochschule Liebenzell, Volker Gäckle, in einem Referat. So hätten die Jünger begreifen müssen, „dass Leid, Schmerz und Tod keine Zeichen für die Abwesenheit und Abwendung Gottes sind.“ Leiden sei nicht etwas, dass Gott fremd sei, sondern durch das Gott hindurch zu seinem Ziel komme. Das Kreuz bedeute nicht das Scheitern der Hoffnung der Jünger, sondern sei die Grundlage für ihre Hoffnungen: „Das war etwas Neues. Das war zweifellos so etwas wie eine Weiterentwicklung ihres jüdischen Glaubens.“
Das sei aber bereits in den Schriften Israels und in der alten Offenbarung Gottes enthalten. Auch nach Ostern und Pfingsten habe es eine Weiterentwicklung des christlichen Glaubens gegeben: So setzte sich die Erkenntnis durch, dass ein Mensch nicht erst Jude werden muss, um Christ werden zu können. Laut Volker Gäckle verändert sich der christliche Glaube nicht, weil sich auch Gott selbst nicht verändert: „Der Gott, der sich uns in Jesus Christus offenbart hat, ist nicht launisch, ist nicht stimmungsgetrieben. Er handelt nicht willkürlich, sondern er ist treu. Auf sein Wort und seine Wahrheit sind Verlass. Aber in der Begegnung mit dem Neuen, mit dem Anderen, mit dem Fremden, entdecken wir plötzlich bislang übersehene Facetten von Gottes Wahrheit und wir verstehen das Evangelium in einer neuen Tiefe und Klarheit.“
Dem kaufmännischen Geschäftsführer Thomas Haid zufolge gingen in diesem Jahr bislang über 7,6 Millionen Euro an Spenden und Vermächtnisse für die Arbeit der Liebenzeller Mission ein. Er verwies auch auf die finanziellen Sorgen. Bislang sind deutlich weniger Gelder eingegangen als 2022 „und das bei einem erhöhten Spendenbedarf. Wir stehen folglich finanziell viel schlechter da als im vergangenen Jahr.“ Bis zum Jahresende benötigt das Werk noch 8,6 Millionen Euro. „Wir beten und hoffen, dass Gott einmal mehr ein Wunder tut und die benötigten Mittel schenkt.“
Bei dem Missionsfest konnten die Besucher aus rund 20 Parallel-Programmen wählen. Neben theologischen Referaten gab es auch interaktive Angebote wie Bogenschießen oder einen Sushi-Workshop. Außerdem wurden für mehrere Programmpunkte Übersetzungen in Englisch, Spanisch und Ukrainisch angeboten.
Die Liebenzeller Mission ist mit rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 20 Ländern eine der großen evangelischen Missionsgesellschaften in Deutschland.