„Musik sprengt Grenzen und verbindet Menschen“
In Deutschland leben immer mehr Menschen mit einem Migrationshintergrund. Diese werden kaum von christlichen Angeboten erreicht. Deshalb rief die Liebenzeller Mission vor zehn Jahren in Ludwigsburg die Musikarbeit „LubuBeatz“ ins Leben. Die Mitarbeiter Ruth Anhorn, Christian Danneberg und Benjamin Stute erzählen, was sie bei ihrer Arbeit begeistert und was sie sich von Christen wünschen.
Christian, wie kam es zur Gründung von LubuBeatz?
Christian Danneberg: In Ludwigsburg starteten wir unter anderem mit einer Musik-Arbeitsgemeinschaft an einer Werkrealschule. Wir wollten Jugendliche erreichen, die sonst keinen Zugang zu christlichen Gemeinden haben. „Schreibe deinen eigenen Song, schreibe deinen Rap-Song. Wir helfen dir dabei!“, lautete unser Angebot. Mit dieser Musikart konnten wir die Jugendlichen eher ansprechen als mit der klassischen oder Pop-Musik. So konnten wir tolle Beziehungen und Brücken bauen.
Wie sieht deine Arbeit bei LubuBeatz konkret aus?
Christian Danneberg: Ich bin der Ansprechpartner für das Projekt. So bin ich unter anderem mit Stiftungen in Kontakt. Ich koordiniere die Studiobelegung, produziere auch Musik und bin für die Ehrenamtlichen da.
Wie viele erreicht ihr inzwischen mit eurem Angebot?
Christian Danneberg: Wir haben zurzeit einen Kern von 20 Künstlern. Dabei streben wir eine längerfristige künstlerische Partnerschaft an. Wir erreichen aber auch Jugendliche und junge Menschen, die einfach einen Song aufnehmen wollen und zu unseren offenen Studio-Abenden kommen. Insgesamt zählt unser Netzwerk 50 Personen.
Ruth und Benjamin, wie seid ihr zu LubuBeatz gekommen?
Ruth Anhorn: Ich habe in Bad Liebenzell Theologie und Soziale Arbeit im interkulturellen Kontext studiert. Im Laufe meines Praxissemesters hat mir Gott aufs Herz gelegt, mit Menschen aus gesellschaftlichen Gruppen zu arbeiten, die von Christen und den christlichen Gemeinden bislang nicht erreicht werden. Dabei habe ich erlebt, wie Musik Menschen verbinden kann, auch wenn man aus völlig unterschiedlichen Hintergründen kommt. In Bad Liebenzell kam ich dann in Kontakt mit LubuBeatz. Ich bin nun in der Seelsorge, Verkündigung, Begleitung und Jüngerschaft tätig. An einer Realschule betreue ich zudem eine Musik-Arbeitsgemeinschaft. Außerdem engagiere ich mich kreativ bei den Videoproduktionen.
Benjamin Stute: Ich bin im September 2019 zu LubuBeatz dazugekommen. Ich habe in Düsseldorf Marketing studiert und zuvor zwei Jahre als Missionar in Kamerun gearbeitet. Nach dem Ende meines Studiums fragte ich Gott, wo mein weiterer Platz ist: Bleibe ich in der Wirtschaft oder gehe ich wieder in die Mission? Keine zwei Wochen nach dem Gebet rief mich Christian an und stellte mir LubuBeatz vor. Das Projekt hat mich sofort begeistert, nachdem ich in Ludwigsburg einen Abend mit den jungen Musikern erlebt hatte. Ich kündigte daraufhin meine Arbeitsstelle. Jetzt bin ich für die Produktion im Studio zuständig. Ich helfe den Musikern beim Schreiben und Komponieren der Lieder. Dabei mische ich auch die Musik ab. Ebenso betreue ich die Social Media-Kanäle.
Was begeistert euch bei LubuBeatz?
Christian Danneberg: Das Besondere an unserer Arbeit ist, dass wir mit Menschen zu tun haben, die viele Christen gar nicht auf dem Schirm haben beziehungsweise eher mit Argwohn betrachten oder gar als Bedrohung wahrnehmen. Dabei gibt es so viel Not unter diesen Menschen aus bildungsfernen Milieus und mit Migrationshintergrund. Sie sehnen sich nach echten Beziehungen. Musik verbindet dabei. Die Jugendlichen und jungen Menschen können damit ihre tiefsten Gedanken ausdrücken und finden Gehör. Das zeigt sich besonders auf dem Album, das wir zu unserem zehnjährigen Bestehen mit 14 Künstlern herausgebracht haben. Musik ist letztlich eine Sprache, die die Welt versteht. Man kann damit hervorragend Menschen erreichen und Verständnis füreinander wecken. Dabei engagieren sich auch viele Ehrenamtliche mit großer Leidenschaft. Das begeistert mich, neben meinem tollen Team mit Ruth und Ben. Es ist einfach klasse zu sehen, was man mit Herzblut und Kompetenz bewirken kann. Ebenso freut uns, dass unser Projekt auf so große mediale Aufmerksamkeit bei regionalen Fernseh- und Radiosendern und Zeitungen gestoßen ist.
Ruth Anhorn: Mich begeistert am meisten, dass bei LubuBeatz Grenzen gesprengt werden zwischen Menschen, die sonst nie etwas miteinander zu tun hätten. Jesus ist genau zu diesen Menschen gegangen, die skeptisch beobachtet werden und oft über eine kaputte Vergangenheit verfügen. Unsere bürgerliche Mittelschicht und die christlichen Gemeinden in Deutschland erreichen diese Menschen so gut wie gar nicht. Dabei merke ich, dass wir uns alle nach dem Gleichen sehnen. Unsere Gemeinschaft ist aus völlig unterschiedlichen Menschen entstanden – und ist im Kern tief verbunden, weil Herz-zu-Herz-Verbindungen zustande gekommen sind. Wir kommen so schnell so tief ins Gespräch über Lebens- und Glaubensfragen. Ich liebe einfach diesen bunten Haufen und dass ich ihnen Jesus nahebringen kann. Und dabei erlebe ich, dass Jesus es liebt, Grenzen zu sprengen. Er ist an Menschen dran, bei denen ich es nicht erwarte. Er tut Wunder, um sich Menschen zu zeigen. Er ist am Wirken – mitten unter uns, wenn wir raus zu den Menschen gehen, weil genau dort sein Herz ist. Das fasziniert mich einfach.
Benjamin, was macht für dich das Projekt so einzigartig?
Benjamin Stute: Ich finde es einfach schön, Brückenbauer sein zu können zwischen Menschen von der Straße in die Gemeinde. Die Shisha-Bar-Besucher würden nie in eine Kirche kommen – und andersherum ist das genauso. Oder wenn, würden alle seltsam angeschaut werden. Als junger Musiker habe ich mir immer gewünscht, dass mich jemand an die Hand nimmt und mir hilft, Musik zu produzieren und meine Träume zu erfüllen. So jemanden gab es in meinen Leben nicht und ich musste mir alles selbst beibringen. Umso schöner, dass ich nun mit meinen Gaben derjenige für andere sein kann, den ich mir immer selbst gewünscht habe. Es ist einfach schön zu sehen, wie die jungen Menschen kommen und wachsen – nicht nur in der Musik, sondern auch in ihrem Selbstbewusstsein. Sie können nun vor vielen Menschen auf der Bühne stehen und bekommen Applaus. Diesen bekommen sie weder in der Schule noch auf dem Arbeitsmarkt. Es ist einfach ein schönes Gefühl zu wissen, dass man eine Bereicherung in ihrem Leben ist.
Wo ergibt sich in eurer Arbeit die Möglichkeit, auf den christlichen Glauben zu sprechen zu kommen?
Benjamin Stute: Es gibt keinen intimeren Ort als ein Tonstudio. Man schreibt zusammen einen Song und dazu müssen die jungen Menschen ihre Gefühle herauslassen und ihr Herz öffnen. Wenn man sich einmal so geöffnet hat, fallen auch die Masken – und diese benötigt man hinterher auch nicht mehr. Da hat man eine wunderschöne, ehrliche Ebene. Da entstehen einfach krasse Gespräche. Durch die jahrelange Arbeit von Christian unter anderem mit seinem „Talk über Gott und die Welt“ ist eine schöne, offene und respektvolle Gesprächskultur entstanden, in der man sich auch in der großen Runde traut, sich zu öffnen. Und unsere Besonderheit ist, dass wir die Gruppe der 20- bis 30-Jährigen mit Migrationshintergrund erreichen.
Erlebt ihr Ablehnung mit eurem christlichen Hintergrund?
Benjamin Stute: Es gibt auch hin und wieder einen dummen Spruch. Aber generell haben alle Ehrfurcht vor Gott und auch Jesus ist für unsere jungen Menschen mit muslimischem Hintergrund ein Begriff, wenn auch nicht als Sohn Gottes. Es gibt eine riesige Offenheit und großes Interesse an Jesus.
Ruth Anhorn: Mir ist auch aufgefallen, dass jeder seine Geschichte mit Gott mitbringt und viele auch teilweise übernatürliche Sachen erlebt haben. Deshalb ist die Frage, ob es Gott gibt, völlig geklärt und mit Ja beantwortet. Es geht jetzt nur noch um die Rolle von Jesus. Dabei herrscht eine respektvolle Grundeinstellung.
Christian Danneberg: Wichtig ist die Frage, wie man über den Glauben spricht. Ich finde es ganz wichtig, dass man Dialogfähigkeit mitbringt – auch als Christ. Es geht nicht darum, einen Schlagabtausch zu führen, sondern miteinander ins Gespräch zu kommen und dass wir alle unsere Meinung äußern können. Dadurch entsteht im Laufe der Zeit eben eine vertrauensvolle Gesprächskultur, bei der wir unseren Glauben einbringen können. Ich denke, dass es die beständige Liebe von Jesus ist, die wir einbringen können und die die Kultur einfach prägt. So etwas geht nicht von heute auf morgen. Bei uns geht es nicht darum, mit großspurigen Reden daherzukommen, sondern Dialogfähigkeit zu leben.
So gibt es montags den offenen Studio-Abend, zu dem alle eingeladen sind. Dabei haben wir eine Talkrunde über Gott und die Welt. Wir beschäftigen uns mit einem Thema und bringen einen Vers oder eine kurze Geschichte dazu mit. Dienstags laden wir zu einem Hauskreis ein, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vertieft über Glaubens- und Lebensfragen sprechen können.
Was wünscht ihr euch von Christen?
Benjamin Stute: Ich wünsche mir, dass jeder einmal montags oder dienstags einen Abend live miterleben könnte. Auf Instagram landen so intime Momente nicht. Diesen göttlichen Moment kann man dort nicht festhalten.
Christian Danneberg: Ich wünsche mir den Mut zum Dialog. Dass Christen nicht distanziert Menschen begegnen, die auch stolz auf ihren muslimischen Glauben sind. Christen sollten auf sie zugehen und dadurch entstehen Beziehungen. Wenn jeder Christ in Deutschland einen muslimischen Freund hätte, würde unsere Gesellschaft anders aussehen und auch unsere missionarische Kraft wäre anders.
Ruth Anhorn: Ich wünsche mir, dass Christen ihre „heilige Blase“ verlassen, in der sich viele bewegen – so war es zumindest oft bei mir. So können sie Freundschaft mit anderen leben und sich überraschen lassen, wie Gott sie gebrauchen kann und was für ein tolles Abenteuer es ist, wenn man seine bekannten christlichen Kreise verlässt. So habe ich Jesus nochmals ganz neu kennengelernt.
Infos LubuBeatz
Musik verbindet – Jugendliche und junge Erwachsene aus bildungsfernen Milieus und unterschiedlichen kulturellen Hintergründen erhalten bei „LubuBeatz” eine kreative Plattform, in der sie sich ausdrücken und Freunde finden können. Sie werden ermutigt, ihr Potenzial zu entdecken und anzuwenden. Eigene Songs werden entwickelt und auf die Bühne gebracht. Die LubuBeatz-Studios sind dabei Musikwerkstatt und Treffpunkt zugleich. Das Motto „Mehr als Musik“ drückt aus: Jugendliche finden hier eine Heimat und positive Impulse für ihr Leben.
Mehr Infos: www.liebenzell.org/lububeatz