Mehr christliche Gemeinden und Gottesdienstbesucher als bekannt

Vier Personen stehen vor einem roten Stuttgarter Aufsteller über christliche Gemeinden, daneben liegen Bücher für Gottesdienstbesucher.
Mehr christliche Gemeinden und Gottesdienstbesucher als bekannt

STUTTGART. In der inne­ren Metro­pol­re­gi­on Stutt­gart gibt es mehr christ­li­che Gemein­den, besu­chen mehr Men­schen sonn­tags einen Got­tes­dienst und ist die Gemein­de­land­schaft plu­ra­ler als bis­lang ange­nom­men. Das ergab die groß ange­leg­te „Stutt­gar­ter Got­tes­dienst- und Gemein­de­stu­die“ des For­schungs­in­sti­tuts „Lie­ben­zell Insti­tu­te for Mis­sio­lo­gi­cal, Reli­gious, Inter­cul­tu­ral, and Social Stu­dies“ (LIMRIS – Lie­ben­zel­ler Insti­tut für mis­si­ons- und reli­gi­ons­wis­sen­schaft­li­che, inter­kul­tu­rel­le und sozio­lo­gi­sche Stu­di­en) der Inter­na­tio­na­len Hoch­schu­le Lie­ben­zell. Die Ergeb­nis­se wur­den am 21. Sep­tem­ber in Stutt­gart der Pres­se vorgestellt.

Im Stadt­kreis Stutt­gart und den umge­ben­den Land­krei­sen Lud­wigs­burg, Böb­lin­gen, Ess­lin­gen, Göp­pin­gen, Rems-Murr woh­nen 2,7 Mil­lio­nen Men­schen. Hier zähl­ten die For­scher 1.418 christ­li­che Gemein­den und Gemein­schaf­ten in 164 Kon­fes­sio­nen und Deno­mi­na­tio­nen. Drei Vier­tel der Gemein­den (957) gehö­ren zum Pro­tes­tan­tis­mus, knapp ein Fünf­tel zum Katho­li­zis­mus. Die ande­ren Gemein­den (52) sind der Ortho­do­xie zuzu­rech­nen oder es han­delt sich um Gemein­den, die kei­ner der tra­di­tio­nel­len christ­li­chen Strö­mun­gen zuge­ord­net wer­den kön­nen. 752 Gemein­den ent­fal­len dabei auf die bei­den Groß­kir­chen (53 Pro­zent). Die­sen Gemein­den ste­hen 666 Gemein­den gegen­über (47 Pro­zent), die bis­her nicht wahr­ge­nom­men wer­den konn­ten, so der Lei­ter der von LIMRIS und Stu­di­en­lei­ter Dr. Frie­de­mann Burk­hardt: „Dass sich die 957 pro­tes­tan­ti­schen Gemein­den auf 122 Deno­mi­na­tio­nen ver­tei­len, über­rascht und ist ein unver­mu­te­tes Ergebnis.“

Zum Pro­tes­tan­tis­mus gehört neben 495 Gemein­den der evan­ge­li­schen Lan­des­kir­che auch eine ähn­lich hohe Zahl von 466 über­wie­gend frei­kirch­li­chen Gemein­den. Elf Pro­zent der Gemein­den (153) sind inter­na­tio­na­le Gemein­den ande­rer Spra­che und Her­kunft. Im Hin­blick auf ihre kul­tu­rel­le Aus­rich­tung wer­den 44 ver­schie­de­ne Natio­na­li­tä­ten, Eth­ni­en oder Spra­chen genannt. Gleich­zei­tig zei­gen sowohl inter­na­tio­na­le als auch ein­hei­mi­sche Gemein­den in ihrem gemeind­li­chen Leben eine weit­ge­hen­de Abge­schlos­sen­heit gegen­über Men­schen aus ande­ren Welt­re­gio­nen: Gefragt wur­de, aus wie vie­len Welt­re­gio­nen außer­halb Deutsch­lands (von 13) Men­schen den Got­tes­dienst besu­chen. Dabei ergab sich fol­gen­des Fazit: Ortho­do­xe Gemein­den wer­den von Men­schen aus 1,9 Welt­re­gio­nen besucht, katho­li­sche aus 3,6 und pro­tes­tan­ti­sche aus 2,1. An den Got­tes­diens­ten der knapp 500 lan­des­kirch­li­chen Gemein­den neh­men im Schnitt Men­schen aus 1,5 Welt­re­gio­nen teil.

Laut dem Rek­tor der Inter­na­tio­na­len Hoch­schu­le Lie­ben­zell, Prof. Dr. Vol­ker Gäck­le, weist die Stu­die auf eine emp­find­li­che Ver­än­de­rung des klas­si­schen Bil­des der christ­li­chen Öku­me­ne hin: Die­se ist nicht nur viel bun­ter als all­ge­mein ange­nom­men, son­dern sie besteht heu­te ledig­lich noch gut zur Hälf­te aus den bei­den Groß­kir­chen: „Ins­ge­samt kann davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass etwa die Hälf­te der Gemein­den nicht im öffent­li­chen Bewusst­sein sind und über­se­hen wer­den.“ Eben­so wider­le­ge die Stu­die „die Behaup­tung, dass ein Heim­spiel des VfB Stutt­gart mehr Zuschau­er anlo­cke als Got­tes­diens­te“. Denn fünf Pro­zent der Bevöl­ke­rung – 131.000 der 2,7 Mil­lio­nen Men­schen im Unter­su­chungs­ge­biet – besu­chen am Sonn­tag einen christ­li­chen Gottesdienst.

Das sind weit mehr, als bis­he­ri­ge Stu­di­en ver­mu­ten lie­ßen. Dabei ver­zeich­nen die evan­ge­li­schen Frei­kir­chen mehr Besu­che­rin­nen und Besu­cher als die evan­ge­li­sche Lan­des­kir­che. Im Schnitt wer­den die Got­tes­diens­te von 95 Men­schen besucht. In den Got­tes­diens­ten der evan­ge­li­schen Lan­des­kir­che ver­sam­meln sich pro Woche 35.600 Men­schen, das ent­spricht 72 Per­so­nen pro Gemein­de und Got­tes­dienst. Die frei­kirch­li­chen Gemein­den mobi­li­sie­ren 47.100 Men­schen zur Teil­nah­me an ihren Got­tes­diens­ten. Das ent­spricht einem Durch­schnitt von 101 Per­so­nen pro Gottesdienst.

„Auf die Fra­ge nach den drei wich­tigs­ten Ver­an­stal­tun­gen einer Gemein­de erwies sich der gewöhn­li­che Got­tes­dienst quer durch die Öku­me­ne und mit gro­ßem Abstand zu ande­ren Hand­lungs­fel­dern bei 88 Pro­zent der Gemein­den als wich­tigs­te Ver­an­stal­tung“, so der wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter am LIM­RIS-Insti­tut, Dr. Tobi­as Schuckert.

Dabei gelingt es Gemein­den unter­schied­lich stark, Men­schen zur Teil­nah­me an ihren Got­tes­dienst­an­ge­bo­ten zu mobi­li­sie­ren. Das bedeu­tet: Gemein­den sind gesell­schaft­li­chen Mega­trends nicht hilf­los aus­ge­lie­fert: „Eine Gestal­tung des Sonn­tags­got­tes­diens­tes im Wor­ship-Stil mit einer schrift­be­zo­ge­nen und lebens­na­hen Ver­kün­di­gung steht in Zusam­men­hang mit einem über­durch­schnitt­li­chen Mobi­li­sie­rungs­ver­mö­gen und erweist sich als Wachs­tums­fak­tor. Hin­zu kom­men gemein­schafts­stif­ten­de Ele­men­te“, sag­te Schu­ckert. Alter­na­ti­ve Got­tes­dienst­for­ma­te, ins­be­son­de­re eine Ziel­grup­pen- oder Milieu­ori­en­tie­rung im Sinn eines alter­na­ti­ven „Zwei­ten Pro­gramms“, füh­ren nicht zu einem über­pro­por­tio­na­len Gottesdienstbesuch.

Eine Kor­re­la­ti­on ent­deck­ten die For­scher zwi­schen der Got­tes­dienst­grö­ße, der Anzahl der Welt­re­gio­nen, aus denen die Got­tes­dienst­be­su­che­rin­nen und ‑besu­cher stam­men, und den kirch­li­chen Akti­vi­tä­ten. Zu die­sen zäh­len Glau­bens­kur­se, Frei­zei­ten, Arbeit mit Geflüch­te­ten, Evan­ge­li­sa­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen, medi­al ver­mit­tel­te Gemein­schaft, dia­ko­ni­sche Pro­jek­te und offe­ne Jugend­ar­beit. „Die­se Gemein­de ver­fü­gen über ein bes­se­res Poten­zi­al, zu wach­sen“, so Burkhardt.

Bei den Stich­pro­ben­un­ter­su­chun­gen bei eini­gen Gemein­den habe sich auch eine Nach­hal­tig­keit beob­ach­ten las­sen. Die­se zeich­ne sich unter ande­rem aus durch einen Got­tes­dienst, der Raum für die Aus­rich­tung auf Gott und Jesus Chris­tus bie­tet und der mit inklu­siv-inte­gra­ti­ven gemein­schafts­stif­ten­den und gesell­schafts­re­le­van­ten Wochen­an­ge­bo­ten einhergehe.

Prof. Gäck­le ver­wies auf wei­te­re Anstö­ße zu For­schun­gen, die aus der Stu­die her­vor­gin­gen. Die For­schungs- und Lei­tungs­as­sis­ten­tin am LIM­RIS-Insti­tut, Laris­sa Meis­ter, ent­wi­ckel­te einen der Impul­se wei­ter zu einem eigen­stän­di­gen Pro­jekt zu Chan­ge-Pro­zes­sen in Gemein­den. Ihr zufol­ge sind Ver­än­de­rungs­pro­zes­se in Gemein­den dann erfolg­reich, wenn die­se über rich­ti­ge Füh­rung im Wan­del sowie moti­vie­ren­de Zie­le verfügten.

Letzt­lich bie­tet die Stutt­gar­ter Got­tes­dienst- und Gemein­de­stu­die eine neue Fak­ten­la­ge. Ihre Bri­sanz resul­tiert dar­aus, dass Zah­len und Erkennt­nis­se durch die Fokus­sie­rung auf Gemein­den, Got­tes­dienst und Got­tes­dienst­be­such ein signi­fi­kant ande­res Bild erga­ben, wie es mit­glie­der­be­zo­ge­ne Stu­di­en bis­her ver­moch­ten. Denn vie­le Gemein­den haben ein unter­schied­li­ches Ver­ständ­nis von Mit­glied­schaft bzw. erhe­ben hier kei­ne Zahlen.

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Illustration einer Person, die eine Webseite hält, umgeben von Symbolen aus den Bereichen Wirtschaft, Technologie und Kreativität.

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