Kulturveränderungen konstruktiv begleiten

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Kulturveränderungen konstruktiv begleiten

BAD LIEBENZELL. Kul­tur­ver­än­de­rung kann von den Men­schen nicht gewählt oder abge­lehnt wer­den, vor allem nicht seit der Aus­brei­tung einer Glo­ba­li­sie­rung nach west­li­chem Mus­ter. Kul­tu­ren unter­lie­gen viel­mehr immer Ver­än­de­run­gen. Die­se Ansicht ver­trat der schei­den­de Pro­fes­sor für Inter­kul­tu­rel­le Theo­lo­gie, Jür­gen Schus­ter, bei sei­ner Abschieds­vor­le­sung an der Inter­na­tio­na­len Hoch­schu­le Liebenzell.

Das Pro­blem ist ihm zufol­ge nicht der Kul­tur­wan­del, son­dern die feh­len­de Refle­xi­on über die Pro­zes­se und die Fol­gen. „Gera­de des­halb ist es für Kir­chen in allen Tei­len der Welt not­wen­dig, neben einer theo­lo­gi­schen Refle­xi­on auch kul­tu­rel­le Beob­ach­tun­gen bewusst einzuüben.“
Wie Jür­gen Schus­ter in sei­nem Vor­trag beton­te, steht im Zen­trum der Inter­kul­tu­rel­len Theo­lo­gie die Span­nung zwi­schen Viel­falt und Ein­heit der christ­li­chen Kir­che. Sie bezieht kul­tu­rel­le und reli­giö­se Kon­tex­te in ihre Über­le­gun­gen ein. Das Fach soll­te Kir­chen welt­weit in ihren Lei­tungs- und Gestal­tungs­auf­ga­ben beglei­ten. Und sie stellt auch die Fra­ge nach der Ein­heit der welt­wei­ten Christenheit.
Die ver­gan­ge­nen 70 Jah­re haben für die welt­wei­te christ­li­che Kir­che eine tief­grei­fen­de Wen­de gebracht, so Jür­gen Schus­ter: „Spre­chen wir heu­te von Chris­ten­heit, dann kön­nen wir uns nicht län­ger auf ein Chris­ten­tum bezie­hen, das über 500 Jah­re lang von Euro­pa und der west­li­chen Welt aus gro­ße Tei­le der Welt mis­sio­niert und domi­niert hat. Das Zeit­al­ter eines mono­zen­tri­schen Chris­ten­tums wur­de abge­löst durch die Epo­che einer Welt­chris­ten­heit, das aus meh­re­ren Zen­tren besteht.“

Jede Theo­lo­gie wird geprägt von der Beschäf­ti­gung mit dem kul­tu­rel­len und reli­giö­sen Umfeld, in dem sie ent­steht und sich ent­wi­ckelt. Auf­ga­be sei es, den Kul­tur­wan­del zu ver­ste­hen und zu beglei­ten: Selbst­stän­di­ges Theo­lo­gi­sie­ren und eigen­stän­di­ges Reflek­tie­ren von Kul­tur und Kul­tur­ver­än­de­rung sind Vor­aus­set­zun­gen dafür, dass Kir­chen sich in gesun­der Wei­se ent­wi­ckeln kön­nen. Evan­ge­li­sa­ti­on, Kir­chen­grün­dung und die Eta­blie­rung christ­li­cher Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen allein genü­gen nicht: „Nur in einer tief­grei­fen­den Begeg­nung zwi­schen Evan­ge­li­um und Welt­bild kommt es zu eige­nen, nach­hal­ti­gen theo­lo­gi­schen Über­zeu­gun­gen, die sich posi­tiv auf die
Ent­wick­lung einer Kir­che auswirken.“
Kirch­li­che Mit­ar­bei­ter müs­sen Jür­gen Schus­ter zufol­ge nicht in ers­ter Linie Ant­wor­ten bereit­hal­ten, son­dern in der Lage sein, Men­schen auf einen Ver­ste­hens­weg mit­zu­neh­men. Ziel ist nicht, Theo­lo­gie zu leh­ren, son­dern Theo­lo­gi­sie­ren gemein­sam ein­zu­üben. „Frei­raum geben zur eige­nen theo­lo­gi­schen Refle­xi­on, ermäch­tigt Men­schen und führt sie in eine gesun­de Selbst­stän­dig­keit“, sag­te der Theologe.

Der Rek­tor der Inter­na­tio­na­len Hoch­schu­le Lie­ben­zell, Vol­ker Gäck­le, wür­dig­te die Arbeit von Jür­gen Schus­ter. Ab 2002 war er Dozent für Mis­si­ons­wis­sen­schaft am dama­li­gen Theo­lo­gi­schen Semi­nar der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on und seit 2011 Pro­fes­sor für Inter­kul­tu­rel­le Theo­lo­gie an der neu gegrün­de­ten Inter­na­tio­na­len Hoch­schu­le: „Hier hat Jür­gen Schus­ter über vie­le Jah­re mehr oder weni­ger im Allein­gang die Modu­le ver­ant­wor­tet, die mit Mis­si­on, Reli­gi­on, Kul­tu­ren zu tun hat­ten.“ Der Theo­lo­ge habe vie­le Erfah­run­gen auch aus sei­ner 15-jäh­ri­gen Tätig­keit als Mis­sio­nar in Japan immer wie­der prak­tisch den Stu­die­ren­den nahe­ge­bracht. Außer­dem habe er sich auch beim Auf­bau einer For­schungs­stel­le, spä­ter des LIM­RIS-For­schungs-Insti­tu­tes und der Orga­ni­sa­ti­on und Nach­be­rei­tung der For­schungs­sym­po­si­en ver­dient gemacht. Vol­ker Gäck­le dank­te Jür­gen Schus­ter und sei­ner Frau Annet­te „für alle Treue, allen Ein­satz, alle Lei­den­schaft für die Men­schen und die Sache, die ihr in all die­sen Jah­ren in die Mis­si­on und ihre Stu­die­ren­den inves­tiert habt.“

Die Inter­na­tio­na­le Hoch­schu­le Lie­ben­zell ging aus dem Theo­lo­gi­schen Semi­nar der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on her­vor und star­te­te 2011 mit 29 Stu­die­ren­den. Die Ein­rich­tung wur­de durch den deut­schen Wis­sen­schafts­rat akkre­di­tiert sowie durch das Land Baden-Würt­tem­berg staat­lich aner­kannt. Die IHL mit dem Mot­to „Stu­die­ren mit welt­wei­tem Hori­zont“ wird getra­gen von der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on gGmbH. Sie zählt aktu­ell über 330 Stu­die­ren­de in sechs Stu­di­en­gän­gen. Heu­te leh­ren an der Hoch­schu­le rund 30 Dozen­ten – dar­un­ter 17 Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren. Außer­dem unter­hält die IHL seit Mai 2017 das For­schungs­in­sti­tut „Lie­ben­zell Insti­tu­te for Mis­sio­lo­gi­cal, Reli­gious, Inter­cul­tu­ral, and Social Stu­dies“ (LIMRIS – Lie­ben­zel­ler Insti­tut für mis­si­ons- und reli­gi­ons­wis­sen­schaft­li­che, inter­kul­tu­rel­le und sozio­lo­gi­sche Stu­di­en). Über 1.800 Frau­en und Män­ner stu­dier­ten bis­lang erfolg­reich in Bad Liebenzell.

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