Glaube öffnet Fenster zur himmlischen Welt
BAD LIEBENZELL. „Spreng Deine zu kleine ‚Glaubenskabine‘ und gib dem Glauben an einen großen Gott Raum.“ Dazu hat Pfarrer Uwe Rechberger aus Walddorfhäslach die 300 Besucherinnen und Besucher beim Christustag an Fronleichnam in Bad Liebenzell aufgerufen.
Glaube sei dabei nicht nur eine Überzeugung und Tradition, sondern ein Festmachen an Gott. Das beginne mit der Bereitschaft, die eigenen Möglichkeiten und auch Unmöglichkeiten loszulassen: „Glauben als ein ‚sich auf Gott verlassen‘ heißt zuerst, sich selbst zu verlassen“, sagte der Theologe. In Zeiten des Zweifels gelte es, „gegen Gott an Gott zu glauben. Und in der Anfechtung zu vertrauen, heißt an den Verheißungen Gottes festzuhalten, die in der Bibel zu finden sind.“ Uwe Rechberger ermutigte auch dazu, sich nicht von Sorgen und Begierden bestimmen zu lassen, sondern sich ganz auf Gott auszurichten. Zeitlos gültig seien die Aussagen der evangelischen Reformatoren: „Wir leben allein aus der Gnade Gottes. Diese Gnade aber finden wir allein durch Jesus Christus und den Glauben an ihn.“
Glaube rechnet mit dem Unsichtbaren
„Glauben heißt, am Unsichtbaren festzuhalten und damit zu rechnen.“ Das erklärte Pfarrerin Maike Sachs, Studienleiterin am Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen: „Der Glaube verbindet das Unsichtbare mit der sichtbaren Welt. Durch den Glauben wird real und sichtbar, was bisher unsichtbar war.“ Wer glaubt, für den ist das, was er noch nicht sieht, Wirklichkeit – genauso wie das, was er sieht: „Wenn Jesus Christus uns zusagt, dass Gott hört wie ein Vater, dann ist das Realität, auch wenn nicht alle unsere Wünsche in Erfüllung gehen und Gebete manchmal anders erhört werden, als wir es uns vorgestellt haben. Wenn Gottes Wort uns sagt, dass er uns alles vergeben hat, dann ist das Wirklichkeit, auch wenn wir noch manches falsch machen. Wenn Jesus uns verspricht, dass wir bei ihm ewig leben werden, dann ist das Realität, auch wenn wir hier alt werden und sterben. Wer glaube, öffnen einen Spalt breit das Fenster zur himmlischen Welt, so die Theologin. „Und wer genau hinschaut, wirft einen Blick in diese Welt, der ahnt, dass es mehr gibt, als wir sehen.“
Christen finden weltweit Einheit in Christus
„Weltmission ist keine Einbahnstraße, sondern Mission von überall nach überall.“ Diese Ansicht vertrat der Liebenzeller Missionar Andrés Vergara aus Chile. Er schult dort einheimische Christen für die Missionsarbeit in aller Welt. Ihm zufolge benötigen die Christen weltweit einander: „Das Zentrum des christlichen Glaubens ist nicht ein Ort, sondern viele verschiedene und multikulturelle Orte. Sie alle finden ihre Einheit in Jesus Christus.“
Wie Vergebungen gelingen kann
„Vergebung, die an Bedingungen geknüpft, ist keine Vergebung.“ Das sagte der Mitarbeiter der Psychosomatischen Fachklinik de’ignis, Horst von Hippel (Pfalzgrafenweiler). Vergeben bedeute auch, das Unrecht des anderen nicht zum eigenen Vorteil auszunutzen: „Ich verzichte darauf, mich am Täter zu rächen oder ihn kleinzumachen. Ich verzichte darauf, ihn zu demütigen, mich über ihn zu erheben und meine Macht zu demonstrieren.“ Er verwies darauf, dass „Übel nehmen“ bedeute: „Wir nehmen das Übel und holen es damit in unser Leben hinein.“ Ein entscheidender Schritt zur Lösung von Konflikten sei der Verzicht auf den Gewinn aus der Opferrolle und die Position der moralischen Überlegenheit: „Ich entscheide mich, nicht mehr Opfer zu sein, sondern Gestalter.“ Horst von Hippel betonte, dass Vergebung oft ein Prozess sei. Er beginne aber mit der Entscheidung: Ich will vergeben. Vergeben könne aber nur, wer den Mut habe, ehrlich anzuschauen und zu benennen, was die Verletzung in ihm ausgelöst habe. Christen könnten dabei das Unrecht in Gottes Hand legen und ihn um Hilfe bei der Vergebung bitten.
Der diesjährige Christustag stand unter dem Thema „Jesus – Hoffnung – Mensch“ und wurde an Fronleichnam an 17 Orten in Baden-Württemberg angeboten. Er wurde in Württemberg als „Ludwig-Hofacker-Konferenz“ gegründet und fand in diesem Jahr bereits zum 68. Mal statt.