„Französisch ist die schönste Sprache – nach Schwäbisch!“

Annegret und Albrecht Hengerer
Annegret und Albrecht Hengerer

Anne­gret und Albrecht Hen­ge­rer waren über 35 Jah­re mit der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on im Ein­satz, zunächst ab 1989 in der Gemein­de­grün­dung in der Normandie/Frankreich und ab Som­mer 2017 in Burun­di. Sie unter­stütz­ten die dor­ti­ge Gemein­de durch Pre­dig­ten und Schu­lun­gen sowie durch admi­nis­tra­ti­ve und seel­sor­ger­li­che Beglei­tung. Vor sei­ner Aus­bil­dung am Theo­lo­gi­schen Semi­nar der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on war Albrecht Diplom-Ver­wal­tungs­wirt (FH). Anne­gret ist gelern­te Kran­ken­schwes­ter. Jetzt gehen sie in den Ruhe­stand und bli­cken auf ihre Arbeit zurück.

Albrecht, wie bist du Mis­sio­nar geworden?
Albrecht Hen­ge­rer: Ich bin mit 15 Jah­ren zum Glau­ben gekom­men. Das hat mein Leben so ver­än­dert, dass ich ein­fach davon erzäh­len muss­te, in der Jugend­grup­pe und dann auch in der Gemein­de. Zunächst war es mir wich­tig, zu Hau­se in Hes­sig­heim bei Lud­wigs­burg, wo ich auf­ge­wach­sen bin, Mis­sio­nar zu sein. Mein Vater war Land­wirt und Wein­gärt­ner und hat zu mir gesagt: „Kerl, du musst was Rich­ti­ges ler­nen.“ Und so wur­de ich Diplom-Ver­wal­tungs­wirt. Aber irgend­wann hat mir Gott deut­lich gesagt, dass ich jetzt in die Welt gehen soll, um von ihm zu erzäh­len: „Mach eine Aus­bil­dung, damit du fähig dazu wirst.“ So kam ich nach Bad Lie­ben­zell ins dama­li­ge Theo­lo­gi­sche Semi­nar. Von der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on war ich zunächst für Japan vor­ge­se­hen, um dort als Ver­wal­tungs­lei­ter zu arbei­ten. Aber Gott woll­te es anders. So kam ich 1989 nach Frank­reich in die Nor­man­die nach Avran­ches. Auch dort habe ich neben­bei viel Ver­wal­tungs­ar­beit erle­digt. Aber mei­ne Haupt­auf­ga­be war es, Gemein­den zu grün­den. Das habe ich 25 Jah­re lang gemacht. Wir haben prak­tisch bei null ange­fan­gen und erst eine klei­ne Haus­kreis­ge­mein­de und dann eine Gemein­de aufgebaut.

Ihr seid dann nach Burun­di gewech­selt. Was ist für dich der Haupt­un­ter­schied zwi­schen der Mis­si­ons­ar­beit in Frank­reich und in Afrika?
Albrecht Hen­ge­rer: In Frank­reich galt es als Tabu, über den Glau­ben zu spre­chen. Das war nur mit Freun­den oder Bekann­ten mög­lich und zu bestimm­ten Gele­gen­hei­ten, in Not­la­gen, wenn es in der Fami­lie Krank­heit oder Tod gab. Oder wenn die Sor­gen zu groß wur­den, baten die Fran­zo­sen manch­mal um ein Gebet, und so kamen wir immer wie­der ins Gespräch. In Burun­di braucht man dage­gen nur drei Minu­ten, um mit jeman­dem über den Glau­ben zu reden. Da wird man sofort gefragt, wo man zum Beten hin­geht. In Burun­di gehört der Glau­be fast zur Kul­tur. Dort muss man die Chris­ten schu­len, dass der Glau­be tie­fer geht. In Frank­reich dage­gen ist die Ent­schei­dung für den christ­li­chen Glau­ben eine tief­grei­fen­de Sache.

Anne­gret, wie hast du die kul­tu­rel­len Unter­schie­de zwi­schen Frank­reich und Burun­di erlebt?
Anne­gret Hen­ge­rer: Eigent­lich war Frank­reich eine gute Vor­be­rei­tung für Burun­di. Zum Bei­spiel ist die Wohl­fühl­di­stanz in Frank­reich schon gerin­ger als in Deutsch­land und Küss­chen als Begrü­ßung wer­den ganz nor­mal. Die­se Nähe hat uns gehol­fen, auf die Burun­dier zuzu­ge­hen. Trotz­dem gab es in Burun­di neue Her­aus­for­de­run­gen, in Bezug auf was „Frau“ tut oder nicht tut. Ich fand es scha­de, dass Pfei­fen ein abso­lu­tes Tabu war. Auch mei­ne Rol­le als Ehe­frau muss­te sich anpas­sen. Gut fand ich den Rat, sol­che Erfah­run­gen als „anders“ wahr­zu­neh­men und nicht als gut oder schlecht einzuordnen.

Frank­reich gilt als schwie­ri­ges Missionsland.
Albrecht Hen­ge­rer: Ja, das sehe ich auch im Ver­gleich zu Afri­ka. Der Kon­ti­nent gilt für vie­le als klas­si­sches Mis­si­ons­ge­biet, das mer­ken wir auch am Spen­den­auf­kom­men. Dabei ist der Mis­si­ons­be­darf in Frank­reich viel höher, weil es dort weni­ger Chris­ten gibt. Es gibt zwar for­mal vie­le Katho­li­ken, aber vie­le wol­len von Kir­che und Glau­ben nichts wis­sen. Das Wis­sen um den christ­li­chen Glau­ben nimmt enorm ab, dage­gen bezeich­nen sich in Burun­di schät­zungs­wei­se 90 Pro­zent der Men­schen als Chris­ten und es ist selbst­ver­ständ­lich, über sei­nen Glau­ben zu spre­chen. In Frank­reich kos­tet die Mis­si­ons­ar­beit viel mehr Überwindung.

Wie kam es zum Wech­sel nach Burun­di? Weil dort auch Fran­zö­sisch gespro­chen wird?
Albrecht Hen­ge­rer: Wir hat­ten bei­de von Gott den Ein­druck bekom­men, dass wir unse­re Auf­ga­be – ich war damals Lei­ter des Mis­si­ons­teams und der Gemein­de – wech­seln soll­ten. In die­se Über­le­gung hin­ein kam die Anfra­ge der Lie­ben­zel­ler Mis­si­on, ob ich als fran­zö­sisch spre­chen­der Ver­wal­tungs­fach­mann unse­re angli­ka­ni­sche Part­ner­kir­che in Burun­di unter­stüt­zen könn­te, gera­de als „älte­rer Jahr­gang“. Ich war damals 56 Jah­re alt und soll­te zunächst nur für ein Jahr nach Afri­ka gehen, weil man nicht wuss­te, wie wir das als Euro­pä­er schaf­fen wür­den. Dar­aus sind dann aber fast acht Jah­re geworden.

Anne­gret Hen­ge­rer: In Burun­di enga­gier­ten wir uns in der regio­na­len und natio­na­len Ehe- und Frau­en­ar­beit. Außer­dem hat­te ich die Mög­lich­keit, Deutsch­un­ter­richt für Stu­den­ten zu geben, was sehr viel Freu­de gemacht, aber auch sehr viel Kraft gekos­tet hat.

Was waren die Höhe­punk­te eurer Missionsarbeit?
Albrecht Hen­ge­rer: Jede Gemein­de­grün­dung – wo vor­her nichts war und dann eine Gemein­de ent­stan­den ist – war für uns ein Höhe­punkt. Der größ­te Höhe­punkt war 2010 die Mit­grün­dung der Evan­ge­li­schen Alli­anz in Frank­reich. Dort haben sich 2.400 Gemein­den zusam­men­ge­schlos­sen: Pfingst­ler, Cha­ris­ma­ti­ker und Evan­ge­li­ka­le wie wir. Und das ist ein wun­der­ba­rer Segen gewor­den. Vie­le Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen den ver­schie­de­nen evan­ge­li­ka­len Strö­mun­gen sind dadurch been­det wor­den und haben zur Zusam­men­ar­beit geführt. Und es war natür­lich ein abso­lu­ter Höhe­punkt, wenn Men­schen mit oft stark athe­is­ti­schem Hin­ter­grund zu einem leben­di­gen Glau­ben gefun­den haben. Es war bewe­gend zu sehen, wie die­se dann zu star­ken Stüt­zen in den neu­en Gemein­den wur­den. Das war für mich so das Größte.

Wie hat sich aus dei­ner Sicht die Mis­si­ons­ar­beit in den letz­ten 35 Jah­ren verändert?
Albrecht Hen­ge­rer: Als wir in Frank­reich anfin­gen, gab es zunächst kei­nen rich­ti­gen Plan: „Grün­det ein­fach Gemein­den in Gegen­den, wo es noch kei­ne gibt.“ Und dann hat man mich und mei­ne Frau ein­fach in der Stadt abge­setzt und gesagt: „So, schaut euch das alles ein­mal an und macht was.“ Das war mei­ne Arbeits­be­schrei­bung, ganz kurz und kna­ckig. Heu­te denkt man dar­über nach, ein Team von Mis­sio­na­ren mit unter­schied­li­chen Bega­bun­gen zu bil­den und aus­zu­sen­den. Aber vie­le Teams schei­tern, weil es an Abstim­mung und einer kla­ren Visi­on fehlt, was sie errei­chen wol­len. Aber ich schät­ze sowohl die Team­ar­beit als auch die Tat­sa­che, dass ich oft allein gear­bei­tet habe. Wir haben uns für Team­ar­beit auf Distanz ent­schie­den. Das bedeu­te­te, dass etwa alle 40 Kilo­me­ter ein Mis­sio­nar­s­ehe­paar sta­tio­niert war. So konn­ten wir inner­halb einer Stun­de beim ande­ren sein und ihm bei bestimm­ten Ver­an­stal­tun­gen hel­fen. Wir haben auch gemein­sam Gemein­den gegrün­det. Zuerst waren alle in der ers­ten Gemein­de, dann sind eini­ge weg­ge­zo­gen, haben die zwei­te Gemein­de gegrün­det und sind dann wie­der weg­ge­zo­gen, um die drit­te Gemein­de zu grün­den. Die­se Team­ar­beit auf Distanz hat sehr gut funk­tio­niert, weil jeder auch ein Stück weit Gemein­den nach sei­nen Vor­stel­lun­gen grün­den konn­te. Am Ende sind es die glei­chen Gemein­den gewor­den, inter­es­san­ter­wei­se mit den glei­chen Schwie­rig­kei­ten und Stärken.

Wie sehen nun eure Plä­ne für den Ruhe­stand aus?
Albrecht Hen­ge­rer (lacht): Ich habe schon drei Ange­bo­te. Aber wir wol­len wie bis­her dar­auf hören, was Gott mit uns vor­hat, damit wir das rich­ti­ge Ange­bot fin­den, das zu uns passt und wo wir wirk­li­chen nütz­lich sein kön­nen. Das Enga­ge­ment wird alters­be­dingt bedäch­ti­ger sein, aber dafür kön­nen wir unse­re Erfah­run­gen ein­brin­gen. Fest steht bis­her nur, dass ich am 1. Juni offi­zi­ell in den Ruhe­stand gehe. Und so wie es jetzt aus­sieht, wer­de ich noch ein hal­bes Jahr ehren­amt­lich für die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on tätig sein, um sie bei ver­schie­de­nen Ver­an­stal­tun­gen zu vertreten.

Anne­gret, und was hast du dir für dei­nen Ruhe­stand vorgenommen?
Anne­gret Hen­ge­rer: Ich möch­te erst ein­mal nicht mehr als Frau eines Pas­tors wahr­ge­nom­men wer­den. Ich möch­te ein­fach mehr Frei­raum haben, um Din­ge zu tun, die mir Freu­de machen. Da bin ich gera­de dabei, mich zu sor­tie­ren. Das geht vom Stri­cken übers Klöp­peln bis zum Rei­ten und Gleitschirmfliegen.

Was wür­det ihr jun­gen Men­schen raten, die Mis­sio­nar wer­den wollen?
Anne­gret Hen­ge­rer: Als wir jung waren, dach­ten wir, als Christ müs­se man sich immer zurück­neh­men. Ich habe dann aber die Erfah­rung gemacht, dass Gott gera­de in den Din­gen gehol­fen hat, die ich ein­fach ange­fan­gen habe und die mir Freu­de gemacht haben.

Muss man für die Mis­si­ons­ar­beit sprach­be­gabt sein?
Albrecht Hen­ge­rer: Nein, über­haupt nicht! In Spra­chen war ich eine tota­le Nie­te. Wegen Fran­zö­sisch bin ich sogar sit­zen­ge­blie­ben. Beim Abitur habe ich zu Gott gebe­tet: „Bit­te nie wie­der Fran­zö­sisch in mei­nem Leben!“ Er hat mir dann zehn Jah­re Zeit gelas­sen – und dann bin ich in die Sprach­schu­le gegan­gen und fin­de heu­te, dass Fran­zö­sisch die schöns­te Spra­che der Welt ist – nach Schwä­bisch. Und mit Afri­ka war es ähn­lich. Ich hab zu Anne­gret gesagt, wir las­sen uns über­all hin­schi­cken, nur nicht nach Afri­ka – und heu­te sind wir so begeis­tert von Afri­ka. Also Gott macht es gut. Er rüs­tet dich aus, auch wenn ich das Wort blöd fin­de. Aber ich habe das ein­fach immer wie­der gemerkt, gera­de, als ich Team­lei­ter war. Plötz­lich hat­te ich die Fähig­kei­ten, Team­lei­ter zu sein. Natür­lich habe ich mich wei­ter­ge­bil­det, aber mei­ne Grund­ein­stel­lung hat­te sich geän­dert. Als ich dann mehr als Bera­ter in Afri­ka tätig war und mehr mit Men­schen sehr intim über ihren Glau­ben gespro­chen habe, hat Gott mir das geschenkt. Natür­lich kann man sich wei­ter­bil­den, aber Gott weiß letzt­lich, was ich kann. Und er benutzt mich dann so, wie er mich braucht. Und er benutzt mich auf die­se Wei­se. Ich mache zum Bei­spiel ger­ne Wit­ze, auch in der Pre­digt. Und die Men­schen haben das sehr genos­sen. Also Gott benutzt jede Fähig­keit, um es rich­tig zu machen. Und als ich zur Lie­ben­zel­ler Mis­si­on kam, dach­te ich, der Mis­si­ons­berg ist der Berg der Hei­li­gen, da pas­se ich nicht hin. Aber Gott hat mir dann gezeigt, dass ich da nicht rein­pas­sen muss, son­dern dass er einen Plan für mein Leben hat und mich so gebrau­chen will, wie ich bin. Und ich glau­be, das hat er jetzt mein gan­zes Leben lang getan. Und dadurch konn­te ich Frucht brin­gen, dadurch sind Men­schen zum Glau­ben gekom­men und durch mei­ne Art, die Gott mir gege­ben hat, gewach­sen. Ich bin sehr froh, dass zum Bei­spiel in Avran­ches in der Nor­man­die jetzt jemand an mei­ne Stel­le getre­ten ist, der eine ganz ande­re Art hat. Und ich habe mich sehr gefreut, dass die Gemein­de ihn so ange­nom­men hat und jetzt mit ihm weiterwächst.

Wie hat sich dei­ner Erfah­rung nach das Bild von Mis­si­on verändert?
Albrecht Hen­ge­rer: Wir sind jetzt seit 42 Jah­ren in der Mis­si­on. Als wir anfin­gen, hieß es bei uns im Dorf: „Der will nur nicht arbei­ten, der wird Mis­sio­nar.“ Dann kam der gro­ße Vor­wurf, Mis­sio­na­re sind Kul­tur­zer­stö­rer. Und als dann die Fern­seh­se­ri­en anfin­gen mit Men­schen, die ins Aus­land gehen, um sich dort eine neue Exis­tenz auf­zu­bau­en, wur­den wir bewun­dert. Und als wir in den letz­ten Jah­ren in Deutsch­land zu Besuch waren, kamen jun­ge Men­schen auf uns zu und sag­ten: „Ihr seid ein ech­tes Vor­bild für uns, weil ihr schon so lan­ge in der Mis­si­on seid. Wir gehen jetzt auch.“ Es hat also ein Wan­del statt­ge­fun­den, was den Blick auf die Mis­si­on angeht. Die Arbeit und die Metho­den ändern sich, aber mei­ne Bot­schaft ist die­sel­be geblie­ben. Gott hat mich lang­sam ver­än­dert, aber ich bin immer authen­tisch geblie­ben. Es ist nur die Gesell­schaft, die die Din­ge anders inter­pre­tiert. Und jetzt, kurz vor dem Ruhe­stand, wer­den wir irgend­wie geschätzt als Mis­sio­na­re. Das ist mir fremd, weil ich eigent­lich als Mensch geschätzt wer­den möch­te und nicht wegen mei­nes Berufes.

Anne­gret Hen­ge­rer: Ich habe die Erfah­rung gemacht, dass Gott mich manch­mal in Auf­ga­ben hin­ein­ge­stellt hat, die eigent­lich zu groß für mich waren, dass er mir dann aber auch die Gabe und die Fähig­keit gege­ben hat, dem gerecht zu wer­den. Zum Bei­spiel habe ich ein­mal drei Jah­re lang die Ton­tech­nik bei einer Kon­fe­renz am Misch­pult betreut, was ich eigent­lich gar nicht kann.

Albrecht Hen­ge­rer: Sie hat das bes­ser gemacht als ich, der das sonst immer gemacht hat.

Anne­gret Hen­ge­rer: Wich­tig ist, dass wir ein­fach offen blei­ben für unse­re per­sön­li­che Bezie­hung zu Gott. Dass Gott in uns wir­ken kann, dass er mei­nen Cha­rak­ter ver­än­dern kann. Und dann kann ich strah­len, dann kann ich Licht und Salz sein. Und ja, da muss­te ich man­ches ler­nen in mei­nem Leben und ler­ne immer noch.

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