Zwischen Straße und Gefängnis
SPANIEN. „Meine Familie nennt mich einen hoffnungslosen Fall.“ Vor der Liebenzeller Missionarin Mirjam Schmückle sitzt eine 48-jährige Frau aus Ecuador. Sie ist schon lange auf den Straßen Valencias bekannt und auch in dem Projekt Misión Evangélica Urbana. Die Stadtmission hilft entwurzelten Frauen und Männern. Das Mitarbeiterteam kümmert sich täglich um rund 80 Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung, Flucht, Gewalterfahrungen oder wegen Drogenabhängigkeit auf der Straße leben. Sie finden ein offenes Ohr, liebevolle Zuwendung, Zuspruch und Gebet. Es gibt Essen, frische Kleidung, Duschen und Beratung bei der Arbeitssuche. Und hier hören Hoffnungslose von Jesus Christus, der jeden liebt, niemanden aufgibt und neue Perspektiven schenkt.
Mirjam Schmückle hat von der Frau zum ersten Mal in einer Fallbesprechung des Netzwerks aller Einrichtungen im Bereich Wohnungslosenarbeit Valencias gehört. Ein Mediziner sagte dort, dass sie vermutlich nur noch wenige Monate zu leben hat, wenn sie ihren Drogenkonsum auf diese Weise fortsetzt.
Heute ist sie wieder zu dem Frauentreffen gekommen. Ihr Zustand ist deutlich von den jahrelangen Belastungen der Sucht geprägt. Beim Frühstück brach sie in Tränen aus. Dreimal war sie in einer Rehabilitation, dreimal ist sie davongelaufen. Beim letzten Mal schaffte sie es fünf Monate lang, ohne Drogen zu leben – „ein Rekord“, wie sie selbst sagt. Jetzt darf sie nicht mehr zurück, weil sie erneut abgebrochen hat. Ihre Familie hat der Frau eine letzte Chance gegeben: Sie muss gesund werden. Doch sie glauben kaum noch daran und sehen sie als hoffnungslosen Fall. Verzweifelt erklärt sie der Liebenzeller Missionarin: „Ich will das Zeug loswerden, ich muss – aber mein Kopf lässt mich nicht!“ Sie könnte versuchen, woanders einen Platz für einen Entzug zu finden, doch zunächst steht eine mehrjährige Gefängnisstrafe bevor. Mirjam Schmückle hat ihr erklärt, dass Christen daran glauben, dass es keine hoffnungslosen Fälle gibt. „Wir haben zusammen ein Armband gebastelt, auf dem ‚loved‘ steht – ‚geliebt‘. Ich wünsche ihr, dass sie in den Tiefen und Abgründen, die sie durchlebt, spürt und sich erinnert: Sie ist geliebt und gewollt.“
Das Gefängnis ist ein rauer Ort, und dennoch wird sie dort die Wahl haben zwischen Entzug und illegalem Konsum. Die Liebenzeller Missionarin hofft, dass sie Menschen kennenlernt, die sie zu einem Entzug motivieren können. „Aus menschlicher Sicht scheint es meiner Kollegin, unserer Psychologin, und mir sehr unrealistisch, dass sie diese Chance ergreifen wird, da ihre Krankheit sie so sehr im Griff hat. Es ist unsere Aufgabe, den Glauben an Wunder und Hoffnung nicht zu verlieren und für diese Menschen mitzuglauben.“
Mirjam und David Schmückle sind seit Oktober 2023 in der Arbeit „Misión Urbana Valéncia“ mit wohnungslosen Menschen tätig. Mirjam hat Internationale Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg studiert und war in der Jugendhilfe aktiv. David studierte ebenfalls an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg Soziale Arbeit. Seit 2014 arbeitet er als Sozialwissenschaftler. Das Ehepaar, dessen Herz für Menschen am Rande der Gesellschaft schlägt, hat drei Kinder.












