Sprache, Liebe, Veränderung – und viel Geduld
Bengt und Eileen Riedel haben sich in Bad Liebenzell kennengelernt. Während Bengt an der Internationalen Hochschule Liebenzell Evangelische Theologie studierte, besuchte Eileen die Interkulturelle Theologische Akademie. Nach einem Jahr in der Gemeindearbeit als Pastor und Jugendpastorin im Liebenzeller Gemeinschaftsverband in Berghausen und Söllingen leben sie seit März 2021 in Malawi. Sie begleiten Pastoren und fördern Mitarbeiter. Daneben leitet Eileen eine Jugendarbeit und mehrmonatige Impact-Einsätze. Ihr gemeinsames Ziel: „Wir wollen andere zu Jesus rufen und ihnen helfen, ihre Berufung zu leben.”
Ihr seid jetzt vier Jahre in Malawi im Einsatz. Wie fällt eure erste Bilanz aus?
Bengt: Die ersten vier Jahre sind für uns im Rückblick ziemlich schnell vergangen. Wir merken, dass wir am richtigen Platz sind. Es ist nicht immer alles toll und leicht in Malawi. Und trotzdem wissen wir, dass unsere Arbeit sinnvoll und nötig ist. In den ersten vier Jahren ist einiges passiert: Wir haben Malawi kennengelernt, die Sprache erlernt und Beziehungen aufgebaut.
Eileen: Wir haben festgestellt, dass Sprach- und Kulturtraining wichtig sind und sich gelohnt haben. Auch wenn wir natürlich nie aufhören zu lernen. Sprache ist wirklich der Schlüssel zu den Herzen der Malawier. Dadurch können wir Hoffnung besser weitergeben.
Was genau macht ihr in Malawi?
Bengt: Meine Hauptaufgaben sind die Aus- und Weiterbildung von Pastoren. So unterrichte ich beispielsweise an einer Bibelschule und biete Kurse für Gemeindepastoren zur Weiterbildung an. In Malawi können sich viele Gemeinden keinen Pastor leisten. Das läuft alles auf Ehrenamtsbasis, sodass auch viele nicht Möglichkeit einer langen Ausbildung in Anspruch nehmen können. Deshalb ist kontinuierliches Lernen nach der Bibelschule sehr wichtig. Außerdem verfasse ich Literatur für Gemeinden, die sie verwenden können, um im Glauben zu wachsen.
Eileen: Ich bin vor allem in der Jugendarbeit tätig. Wir leben und arbeiten zudem beim Dorfentwicklungsprojekt Ubwenzi mit, das sich hauptsächlich an Muslime wendet. Die Jugendarbeit ist somit auch von Muslimen geprägt, die rund 90 Prozent der Besucher ausmachen. Langfristig würde ich gerne auch etwas für junge Frauen anbieten, da sie in Malawi nicht so viele Chancen haben. Sie werden oft früh schwanger und alleingelassen. Deshalb möchte ich ihnen helfen, eine Perspektive zu entwickeln. Zudem sind wir für die Teilnehmer des Kurzzeitprogramms „impact” zuständig. Jährlich kommt für drei Monate ein Team von fünf bis sieben Jugendlichen zu uns.
Welche sind aktuell die größten Probleme für die Malawier?
Bengt: Es ist ganz klar die Armut. Dabei fängt Armut oft im Kopf an: Die Menschen betrachten sich selbst als arm, bildungs- und chancenlos. Diese negative Sichtweise führt dazu, dass sie ihr Leben gar nicht erst in die Hand nehmen. Sie leben passiv und erwarten Hilfe von anderen.
Leiden die Menschen in Malawi Hunger?
Bengt: Hunger ist in Malawi schon etwas Normales. Es gibt sozusagen jedes Jahr eine Hungerzeit. Vor allem, wenn kurz vor der Ernte die Vorräte aufgebraucht sind. Die wenigsten schaffen es, so viel zu ernten, dass es für das ganze Jahr reicht.
Wie sieht es in Malawi mit der Religionsfreiheit aus?
Bengt: Tatsächlich sind in Malawi 80 Prozent der Menschen Christen. Nur in der Gegend, in der wir leben, ist es umgekehrt. Dort sind 80 Prozent der Bevölkerung muslimisch. Aber auch in dieser mehrheitlich muslimischen Gegend kann jeder in dem Glauben bleiben, in dem er geboren wurde oder aufgewachsen ist.
Eileen: Schwierig wird es immer erst, wenn Menschen den Glauben wechseln. Dann wird es für diese Einzelnen schwer, in erster Linie für Muslime, die Christen werden. Wir haben Menschen kennengelernt, die von ihren Familien vertrieben wurden. Ihr Haus wurde angezündet, ihnen wurde alles weggenommen und sie haben dadurch ihre Heimat verloren.
Was waren eure Highlights in den vergangenen vier Jahren?
Bengt: Unsere Highlights haben immer mit Menschen zu tun. Zu sehen, dass sich bei Einzelnen etwas bewegt. Ich habe zum Beispiel einen jungen Mann vor Augen, der auf der Bibelschule am Chisomo-Zentrum war und dort eine echte Veränderung durchgemacht hat. Das zeigte sich unter anderem daran, wie er den Unterricht ernstnahm und Verantwortung für seine Familie übernahm. Außerdem bringt er sich nun in der Gemeinde ein und ist zu einer Leitungsperson geworden. Das sind Highlights für mich.
Eileen: Ja, es sind in der Tat Menschen, bei denen man Veränderungen durch Gott gesehen oder auch erlebt hat. Sie geben nun fröhlich das weiter, was sie mit Gott erlebt haben.
Was sind die größten Herausforderungen für euch?
Bengt: Eine Herausforderung ist auf jeden Fall, dass Veränderungen in Malawi sehr langsam stattfinden. Und nicht jeder sieht eine Notwendigkeit dafür. Wenn man von außen kommt, fallen einem natürlich Dinge auf, und man denkt, da könnte irgendetwas besser laufen. Aber dass Menschen von sich aus sagen: „Ich möchte etwas ändern”, das kann man nicht bewirken und nicht erzwingen. Der Wunsch nach Veränderung ist aber der Schlüssel dafür, dass sich überhaupt irgendetwas bewegt.
Ein weiteres großes Thema ist Korruption. Das verlangsamt einfach alles, vor allem, wenn man nicht mitmacht, so wie wir. Dann wartet man ewig auf bestimmte Dinge und weiß nicht, warum Anträge nicht bearbeitet werden. Das ist manchmal sehr herausfordernd, vor allem, was die Geduld betrifft.
Wenn ich Missionar in Malawi werden wollte, was müsste ich vor allem mitbringen?
Bengt: Um Missionar in Malawi und auch generell zu sein, ist die Bereitschaft, Jesus zu folgen, das Allerwichtigste. Und auch einmal zu sagen: „Ich kann meine eigenen Bedürfnisse für dieses größere Ziel hintenanstellen. Jesus hat mich hierher gestellt und jetzt diene ich hier, auch wenn es nicht immer das Schönste ist, was ich mir vorstellen kann.“ Das ist entscheidend. Außerdem ist es wichtig, sich auf Dinge einlassen zu können, die vielleicht unkonventionell erscheinen.
Eileen: Und die Bereitschaft, Lernender zu bleiben. Das ist wichtig, damit man nicht denkt, man komme als Missionar irgendwo hin und könne die Welt verändern. In Wahrheit muss man aber mindestens die ersten zwei Jahre erst einmal die Sprache erlernen und versuchen, die Kultur zu verstehen. Und das braucht einfach viel Zeit. Dazu muss man geduldig und demütig sein und sagen: „Okay, ich kann das nicht.” Ich brauche Hilfe, ich bin auf andere angewiesen.
Was fehlt euch in Malawi am meisten? Nutella?
Bengt: Meine Standardantwort ist da eigentlich immer „Döner“, aber das ist eher spaßig gemeint. Man kann gut vier Jahre ohne Döner leben. Was uns wirklich am meisten fehlt, sind Freunde und Familie. Das haben wir auch immer gemerkt, wenn uns Freunde aus Deutschland besucht haben. Das war einfach etwas Besonderes. Das war wie ein Auftanken für die Seele. Was in Deutschland außerdem schön ist, ist die Berechenbarkeit. Man weiß, wie die Dinge funktionieren, was wann passiert und worauf man sich einstellen muss.
Ihr erwartet Zwillinge. Wie werden Kinder in Malawi erzogen?
Eileen: Gute Frage. Ich kann die Frage wahrscheinlich dann nochmal anders beantworten, wenn wir selbst drinstecken. Generell ist es so, dass Malawier Kinder lieben. Sie sind Teil des Lebens und werden auch überall mit hingenommen. Es stört auch nicht im Gottesdienst, wenn sie anfangen zu weinen oder durch den Raum zu rennen. Sie sind einfach Teil des Geschehens. Andererseits sieht man oft, dass Kinder, sobald sie laufen können, sich selbst überlassen werden. Sobald ein Geschwisterchen da ist, muss das ältere Kind Verantwortung für das nächste Kind übernehmen. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ So trägt das ganze Dorf Verantwortung für das Kind und hat es im Blick – auch wenn es irgendwie gleichzeitig doch alleine unterwegs ist.














