MISSION weltweit – Ausgaben 2018

6 darum geht’s spanien Der Mann schaut mich erstaunt an: „Das ist mein Lebensmotto. Letztendlich steht doch jeder allein vor Gott. Es ist egal, wer wie über mich denkt oder was ich mache, am Schluss muss ich es doch mit Gott ausmachen und vor ihm verantworten.“ Ich bin platt. Wie viel Wahrheit darin steckt! Wir sprechen über Religionen, Terrorismus und Authentizität. Abschließend darf ich ihm sogar das Evangelium erklären und ihn in die Gemeinde einladen. Danach konnte ich nur lächelnd den Kopf schütteln, wie aus dem Abwimmeln ein interessantes, offenes Gespräch wurde! Dieser Mann hat etwas Grundlegendes verstanden: Wir können zu Gott so kommen, wie wir sind. Vor ihm müssen wir uns weder verstellen noch Masken aufsetzen aus Angst, nicht akzeptiert oder verletzt zu werden. Er hat uns geschaffen und liebt uns. In Spanien bewegt uns dieses Thema sehr, da viele Spanier diese Wahrheit entweder noch nicht kennen oder sich davor verschließen. Eigentlich ist es in unserem Ort sehr schwierig, mit Menschen sofort über den Glauben zu sprechen. Viele brauchen Jahre, bis sie sich öffnen und ganz ehrlich sagen, was sie glauben. Einige Ausnahmen durften wir jedoch schon erleben! Mit unserer Nachbarin haben wir zum Beispiel eine gute Beziehung – manchmal lassen wir beide Wohnungstüren offen, damit wir mehr Leben tei- len können und sie sich nicht so einsam fühlt. Eines Tages sagte sie zu Daniel: „Weißt du, wenn ich eine Frage über Gott habe, dann gehe ich nicht zum Priester, sondern zu dir, weil ich sehe, dass ihr euren Glauben wirklich lebt!“ Spanier können sich modisch ganz schön „in Schale werfen“, und manchmal kommt es mir so vor, als hätten die Menschen hier auch eine unsichtbare Schale angelegt, die sie nur zu Hause im vertrauten Kontext ablegen. In ihrer Familie können sie wirklich so sein, wie sie sind. Nach außen hin müssen sie gesellschaftlich ein gutes Bild abgeben, Fehler oder Negatives wird vertuscht oder beschönigt. Durch die fast 40-jährige Diktatur unter Franco sind die Spanier von Misstrauen geprägt. Jeman- den zu sich nach Hause einzuladen, ist etwas sehr Besonderes und Persönliches. Daher spielt sich das Leben auch auf der Straße ab: Man trifft sich in einem Café, mit den Kindern auf dem Spielplatz, eben auf ganz „neutralem“ Boden. Ihr werdet niemals zum engen Kreis gehören Peñíscola ist ein kleines weißes Dorf auf einer Halbinsel, umringt von einer dicken Stadtmauer und gekrönt von einer alten Templerburg. Eine herrliche Ansicht! Daher wimmelt es hier im Sommer nur so von Touristen. Eine sechs Kilometer lange Hotelkette verbindet Peñíscola mit Daniel und Tabea Köhler leben seit 2015 in Peñíscola an der Costa Azahar und arbeiten dort in einer Gemeindegründung mit. Sie haben eine Tochter. Daniel ist Krankenpfleger von Beruf und hat die Interkulturelle Theologische Akademie (ITA) in Bad Liebenzell absolviert. Tabea ist Sozialarbeiterin und Gemeindepädagogin. Sie ist in Chile aufgewachsen, wo ihre Eltern als Missionare arbeiten. Die unsichtbare Schale „Was bedeutet dein Tattoo?“, frage ich den Mann, der mir eine Versicherung an der Haustür andrehen will. Während er nach den Unterlagen kramt, sehe ich auf seinem Unterarm die Tätowierung. Ganz groß steht da: „Allein mit Gott“. Peñíscola liegt traumhaft am Mittelmeer.

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