MISSION weltweit – Ausgaben 2018

20 Esther Kenntner studierte Soziale Arbeit in Stuttgart. Zwei Jahre Mitarbeit im Schülerheim der Liebenzeller Mission in Japan, dann sechs Jahre Leiterin der MädchenAußenwohngruppe der Jugendhilfe Korntal. Es folgten fast sieben Jahre im EC-Seelsorgezentrum in Kassel (damals eine therapeutische Wohngemeinschaft) und sieben Jahre bei der Mitternachtsmission der Diakonie Heilbronn in den Bereichen Frauen- und Kinderschutzhaus und Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel. Seit 2012 Akademische Mitarbeiterin an der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL) im Studiengang „Theologie/ Soziale Arbeit im interkulturellen Kontext“. Nebenberuflich unterwegs als Supervisorin und Referentin. Foto: martin böttinger weiterdenken >> sonderbeitrag von esther kenntner Masken – Entdeckungen auf Facebook Wenn ich auch Hunderte „Freunde“ auf Facebook hätte und alles, was ich dort zeige, vielfach „geliked“ wird, habe ich den starken Verdacht, dass sich davon mein Selbstbewusstsein nicht wirklich aufbaut. Mir gefällt, dass ich selbst entscheiden kann, was ich zeige. Und es gibt auch eine kurze Freude, wenn andere nett reagieren. In einer persönlichen Begegnung steckt allerdings noch sehr viel mehr an dem Erleben „Ich bin gerne mit dir zusammen, es bedeutet mir viel“, was wir so nötig voneinander brauchen. Das sehe ich als große Problematik bei Masken, dass eine positive Reaktion – ein Lob, ein „Ich mag dich“ und „Du bist mir wichtig“ – meist an der Maske abprallt. Denn es bezieht sich ja nur auf mein „Fake“, nicht auf mich. So kann es mich kaum nähren. Masken – Entdeckungen in der Bibel Mich berühren die vielen Verse in der Bibel über den Blickkontakt von Gott zu uns. „Du bist ein Gott, der mich sieht“, sagt Hagar nach der Begegnung am Brunnen (1. Mose 16). Bei der „Frau am Jakobsbrunnen“ erscheint mir noch deutlicher, was passiert, wenn ein Mensch den Blick hinter seine Masken spürt und erlebt, dass darauf keine Verachtung folgt. Jesus wendet sich nicht ab, im Gegenteil, er bleibt im Dialog und zeigt sich der Frau in einer Weise, wie er dies nur selten tut: „Ich bin’s, der mit dir redet“ (Johannes 4,26). Ihnen fallen sicher viele weitere Bezüge aus der Bibel ein. Schon ganz am Anfang (1. Mose 3) lese ich auch über Scham – darüber, dass sich Adam und Eva voreinander und vor Gott verstecken. Außerdem darüber, wie Gott sich dem Menschen immer wieder zuwendet, den Kontakt sucht, für Adam und Eva sogar Schürze aus Fell macht, sie in ihrer Scham nicht alleine lässt. Gott sieht hinter meine Masken. Deshalb ist bei Gott ein Ort, wo ich sein darf, wie ich bin. Da ist Vergebung. Wenn wir Vergebung annehmen, anerkennen wir auch, dass wir schuldig geworden sind und anderen vieles schuldig bleiben, was wir nicht wiedergutmachen können. Vergebung kann auch helfen, nicht an den zehn Prozent Versagen hängen zu bleiben und wieder die 90 Prozent Gelingen wahrzunehmen. In gesunden Beziehungen kann ich dann auch wagen, mich mit meinen „guten Seiten“ und meinen „Problemzonen“ zu zeigen und die Erfahrung machen: Das haut den anderen nicht um – und mich auch nicht. Im Gegenteil: Wir erleben dies eher als bereichernd, wenn wir voneinander nicht nur Masken, sondern „echte“ Menschen „entdecken“. Masken – Anregungen für den Umgang miteinander Es gibt genug Ratgeber, wie das Selbst genährt oder das Selbstbewusstsein aufgebaut werden kann. Deshalb hier nur einige Anregungen als Ergänzung: l Barmherzig mit Maskenträgern umgehen. Mit anderen und mit mir. Noch sind wir in der Welt, in der wir die „Schurze“ brauchen, um nicht vor Scham zu vergehen. l Liedtexte bewusst mitsingen: „Du bleibst an meiner Seite, du schämst dich nicht für mich. Du weißt, ich bin untreu, und dennoch gehst du nicht.“ „Und ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst.“ „Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stillehalten, lass mich so, still und froh, deine Strahlen fassen und dich wirken lassen“. Oder den Aaronitischen Segen bewusst auf mich bezogen hören: „Der Herr lässt sein Angesicht leuchten über mir und ist mir gnädig. Der Herr erhebt sein Angesicht auf mich und gibt mir Frieden.“ l Den Fragen nachgehen: Was nährt mich? Was macht mein Innerstes fest? Wie begegnet Gott mir? Was könnte mir helfen, vor Gott5 „gestillt“ zu werden? Wie und wo kann ich Gottes Zuspruch „Ich bin bei dir“ wahrnehmen? l „Bekennet einer dem andern seine Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet“ (Jakobus 5,16). Da schmelzen Masken, wenn jemand meine Sünden hört und trotzdem bei mir bleibt als Bruder, als Schwester, es mit mir vor Gott aushält und mir die Vergebung zuspricht. Bei der Liedzeile „Mensch, reiß die Maske vom Gesicht: Wer Gott vertraut, der lebt im Licht!“ bekomme ich ein ungutes Gefühl. Wenn jemand am Verhungern ist, kann es sehr gefährlich sein, dieser Person ein fettes Essen vorzusetzen. Besser klein anfangen. Sich mitteilen üben, miteinander. In Begegnungen6 aufmerksam sein. Zuhören. Den anderen freundlich ansehen. Gute Begegnungen genießen. Wir sehnen uns danach, gesehen zu werden. Gut, dass wir einander haben. l Alles hat seine Zeit. Sich schützen hat seine Zeit. Offenheit wagen hat seine Zeit. Eine gute Bühnenshow hat seine Zeit. Zusammensitzen, ganz ohne Show, hat seine Zeit. Den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche werden hat seine Zeit. Einfach Ich-selbst-Sein hat seine Zeit. Gott hat die Ewigkeit in unsere Herzen gelegt. Ein Ahnen davon. In Ehrfurcht vor Gott stehen wir an dem Ort, wo wir hingehören. Nach Prediger 3, freie Übertragung von Esther Kenntner 5 Vgl. 1. Könige 17,1: „Und es sprach Elia … zu Ahab: So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe …“ 6 Lawrence J. Crabb zieht nach jahrzehntelanger Arbeit als Psychotherapeut den Schluss, dass wir als Gemeinde herausgefordert sind, gute Beziehungen zu leben. Wenn dies in kleinen Zellen gelingt, können viele Verletzungen heilen. „Connecting“ nennt er seinen Ansatz von „Heilender Gemeinschaft“. Foto: istockphoto/konradlew

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