MISSION weltweit – Ausgaben 2018

18 darum geht‘s Moderne Tabus – von denen es allerdings keine Liste gibt, anhand derer man sich darüber informieren könnte – dienen also für die einen dem Schutz und der Bewahrung des Guten und Richtigen, während andere dieselben Tabus als Schweigekartelle wahrnehmen, weil über ein Thema, das unter den Nägeln brennt, anscheinend nicht mehr offen geredet werden darf. Sind Tabus also etwas Positives oder Negatives? Dienen sie dem sozialen Frieden in einer Gesellschaft oder sind sie raffinierte Instrumente der Machtausübung, die andere zum Schweigen bringen sollen, damit die eigene Position nicht herausgefordert wird? Was meinen wir überhaupt – oder was meinen andere – wenn sie von Tabus sprechen? Tabu, oder taboo, ist – anders als viele Begriffe der Wissenschaftssprache – nicht ein dem Griechischen oder Lateinischen weiterdenken >> sonderbeitrag von prof. dr. roland deines 1 Auf FAZ online ergab die Eingabe „Tabu“ im Suchfenster 2950 Treffer auf 148 Seiten (26.8.2018). Nahezu kein Thema bleibt ausgenommen. 2 James Cook, A Voyage to the Pacific Ocean, 3 Bde., Dublin 1784, Bd. 1, 286. Der Kontext ist eine Einladung zum Essen an Bord des Schiffes (der Resolution), bei der die tongolesischen Würdenträger die Speise mit den Worten ablehnten, dass sie alle „taboo“ wären. Daraufhin erklärt Cook für seine Leser den Begriff wie oben zitiert Tabus Über manche Dinge spricht man besser (nicht) Wer eine Zeitung aufschlägt, muss nicht lange suchen, bis er auf eine Meldung stößt, dass jemand ein Tabu verletzt1 oder ein Tabu übertreten habe. Dafür kann die Person als Heldin gefeiert werden („endlich traut sich mal eine, das zu sagen“) oder als gesellschaftlicher Brandstifter verurteilt werden („mit solchen Aussagen wird der soziale Friede gestört“). Tabuverletzer sind für die einen die Guten und für die anderen die Bösen. entlehntes Wort, sondern stammt aus dem Polynesischen, genauer von den Tonga-Inseln. Der englische Entdecker Captain James Cook (1728–1779) lernte den Begriff auf seiner Reise durch den Pazifik kennen und führte ihn durch seinen Reisebericht „Voyage to the Pacific Ocean“ (1777) ins Englische ein, von wo aus er in die meisten europäischen Sprachen übernommen wurde. Schon Cook war sich klar, dass dieser Begriff eine komplexe Bedeutungsbreite besaß, die sich nicht wirklich übersetzen lässt. Er schrieb: „The word has a very comprehensive meaning; but, in general, signifies that a thing is forbidden.“2 Er erwähnt zudem das Verb tabuisieren bzw. das davon abgeleitete Adjektiv tabuisiert. Dabei geht es um Plätze, Handlungen, Personen, Dinge, die für die meisten mit einem Tabu belegt sind (was bedeutet, dass sie als „deutlich gekennzeichnet“ gelten) und nur besondere Personen (Götter, Priester, Könige etc.) damit zu besonderen Sonder- beitrag von Prof. Dr. Roland Deines

RkJQdWJsaXNoZXIy Mzg4OTA=