MISSION weltweit – Ausgaben 2018

darum geht’s frankreich 8 Egal wo, christliche Gemeinden haben ihre eigene Kultur – eine Art Subkultur mit Verhaltenskodex und Tabus. Es gibt salonfähige Themen und andere, die man lieber vermeidet oder für die man schnelle Pauschalantworten findet. Es gibt ein korrektes Verhalten als „anständiger Christ“ und Dinge, die besser nicht existieren oder fast das Seelenheil gefährden. In Frankreich sind uns zwei Bereiche aufgefallen, die in Gemeinden oft eine Art „Tabu“ darstellen. Beziehung und Sexualität – nicht schon wieder! Das eine, fast undiskutierte Thema ist Beziehung und Sexualität. Während unsere Umwelt fast dauernd ein Konzept von egozentrischen Vergnügungsbeziehungen prägt, kann ich mich vage an eine Predigt in den vergangenen Jahren erinnern, in der Treue in der Ehe mit zwei Sätzen bedacht wurde. In Jugendkreisen hört man in der Regel etwas mehr darüber, da Partnerwahl und Sexualität bedeutend werden. Doch als ich diese Themen für ein oder zwei Jugendabende vorschlug, überraschte mich die Antwort: „Oh, nicht schon wieder!“ Das war so ganz anders als meine bisherigen Erfahrungen. Es stellte sich heraus, dass ein Praktikant ein paar Abende darüber gehalten hatte. Allerdings schienen diese einen negativen Eindruck hinterlassen zu haben. Vielleicht waren es viele „Do’s and Don’ts“, ein kleiner Regelkatalog. Vielleicht waren es einige Pauschalantworten, zu denen im Jugendkreis alle brav nicken, weil es wie „Bibel“ und „Jesus“ immer die richtige Antwort ist. Im Innersten haben sie aber nicht wirklich überzeugt und nicht die echten Fragen beantwortet. Vielleicht war es auch etwas ganz anderes. Doch Fakt ist, dass es ein unangenehmes, lästiges Thema geworden war, das man auch zwei Jahre später lieber nicht noch einmal thematisieren wollte. Dabei hat Gottes Konzept von Beziehung und Sexualität doch so viel mehr zu bieten! Björn und Miriam Dehner leben seit 2012 in Frankreich und haben drei Kinder. Bisher arbeiteten sie in Nantes und Cherbourg im Westen Frankreichs, vor allem in der Jugendarbeit und Gemeindegründung. Seit August 2018 gehören sie zu einem Gemeindegründungsteam in der südfranzösischen Stadt Montpellier. Vor seinem Studium am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission arbeitete Björn als Zimmermann. Miriam ist Krankenschwester von Beruf. Tabus in der Gemeinde „Die Prostituierten können wir nicht so leicht in die Gemeinde integrieren, das verstört die Gemeindeglieder“, erzählt uns der Pastor einer Partnergemeinde hier in Montpellier. Er und seine Frau haben ein Netzwerk aufgebaut, das jungen Frauen beim Ausstieg aus der Zwangsprostitution hilft. Doch das dauert oft Monate, wenn nicht Jahre. In welcher Gemeinde können Menschen wie diese Frauen ein geistliches Zuhause finden? Christen haben das bessere Konzept Ein Freund beschrieb uns neulich seinen Lebensstil: Er würde zuerst „einige Appartements ausprobieren“, bevor er weiß, in welchem er dauerhaft leben will. Nein, ich finde es nicht seltsam oder einschränkend, nicht schon „einige Appartements“ probiert zu haben. Es ist doch Freiheit pur, sich ohne „Altlasten“ auf jemanden einzulassen, ohne sich überlegen zu müssen, ob meinem Partner bei mir etwas fehlt, das er bei einer anderen zuvor hatte. Wir Christen haben das bessere Konzept! Ich möchte auch selbst lernen, ein anderes Bild zu malen: Ein Bild von bereichernden Beziehungen, wertschätzender Partnerschaft und tatsächlich befreiter Sexualität. Ich will mit dieser (meines Erachtens viel besseren) Version von Partnerschaft werben und eine junge Generation dahin prägen, damit sie wissen, dass sie das Bessere gewählt haben und nichts verpassen! Dazu brauche ich in erster Linie weder Pauschal- antworten noch einen Regelkatalog, sondern Selbstreflexion und Mut. Sünde – obwohl es ein zentrales Thema ist Der zweite, wesentlich umfassendere Bereich ist Sünde. Das mag auf den ersten Blick überraschend klingen, denn in den meisten Gemeinden, die ich kenne, gehören Sünde, Sündenvergebung und Das-nicht-mehr-Sündigen zu zentralen Verkündigungsthemen. Doch wir beobachten die Tendenz, dass man, ganz im griechischen Sinne, Geist und Körper trennt. Das heißt: Ich kenne und bekenne die Theorie von Sündenbekenntnis und Sündenvergebung, aber im praktischen Vollzug lebe ich etwas ganz anderes. Erst neulich fiel uns wieder auf, wie schwer es sein kann, einen Fehltritt in der Gemeinde zu bekennen. Ein frisch verheiratetes Paar kam nicht mehr in den Gottesdienst. Sie hatten, gegen den Rat einiger Freunde, sehr schnell geheiratet. Kurz nach der Hochzeit traten die Proble-

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