MISSION weltweit – Ausgaben 2018

13 samBia darum geht’s mission weltweit 1–2/2018 FoToS: BEnJAMin UnD DEBoRA wAGnER Die Uhr zeigt 10 Uhr. Ich (Benjamin) erwarte keine Pünktlichkeit. Es wird 10:30 Uhr, dann 11 Uhr. Ab 12 Uhr gehe ich nicht mehr davon aus, dass Keagan tatsächlich zur verabredeten SprachhelferStunde erscheint. Dieser Ablauf wiederholt sich in ähnlicher Weise zwei weitere Tage. – Später erfahre ich, dass Keagan von seiner Cousine ziemlich „eingespannt“ wurde und nicht von zu Hause weg konnte. Es stellt sich heraus, dass er schon im Vorfeld wusste, dass er mir nicht zur Verfügung stehen kann. Er wollte mir aber keinen Gefallen abschlagen und gab es deshalb nicht zu. Solche Situationen sind keine Seltenheit bei uns in Sambia. Oft werden Versprechen gegeben, obwohl sie wissentlich nicht eingehalten werden können. Denn keiner will „sein Gesicht verlieren“. Meistens endet es unsererseits in Frustration, Misstrauen oder Stress, weil man sich spontan nach einer Alternative umsehen muss. Wenn wir Einheimische um Hilfe oder einen Gefallen bitten, hören wir kaum ein Nein und meistens sogar das Versprechen: „Ich kümmere mich sofort darum.“ Obwohl ihm oder ihr vermutlich von vornherein bewusst ist, dass man die Hilfe entweder nicht anbieten kann oder momentan keine Zeit dafür hat. Trotzdem möchte man die Fassade uns gegenüber wahren und sagt deshalb zu. Auch die folgende Situation ist ein Beispiel dafür und hat uns stutzig gemacht hat: Debora gestaltet jeden Samstag gemeinsam mit zwei Nachbarinnen eine Kinderstunde. Die Frauen waren motiviert und engagiert dabei. Eine der Helferinnen verreiste für einige Monate. Dann fiel auch Debora für zwei Samstage aus. Später hörten wir, dass beide Male keine Kinderstunde stattgefunden hatte. Debora wollte dann die nächste Veranstaltung mit der Nachbarin planen. Doch sie kam nicht. So ging Debora am Freitag vor der Kinderstunde auf sie zu, um das Programm zu besprechen. Daraufhin meinte die Frau, dass sie jetzt samstags einen Job hätte und nicht mehr mitarbeiten könne. Wir waren traurig, dass sie uns nicht informiert hatte. Aber die Begebenheit zeigte uns wieder, wie schwer es Sambiern fällt, verbindlich und offen zu sein. Sie konfrontieren uns nicht selbst mit einer Tatsache – offenbar ist es ihnen lieber, wenn man die Wahrheit durch andere oder durch Eigenrecherche herausbekommt. Wir mit unserem westlichen Hintergrund werten Direktheit, Offenheit und Verbindlichkeit als Tugenden und sind sie gewohnt. Sambier bewerten es anders: Sie fürchten sehr, dass jemand hinter die Fassade sehen kann. Wir möchten uns von Gott gebrauchen lassen und Vorbild sein in puncto Ehrlichkeit und einen authentischen Lebensstil vorleben. Allerdings müssen wir Gott darum bitten, dass wir keine „fromme Maske“ aufziehen, sondern nach seinen Maßstäben leben. Mit einem „UngeschminktunsereWahrheitSagen“ schlagen wir eher Türen zu, als dass wir Menschen helfen können, in Wort und Tat als Christen zu leben. Benjamin und Debora Wagner l Benjamin und Debora wagner leben mit ihrem Sohn Levi seit oktober 2016 in Sambia. nach Abschluss des Sprach- und Kulturtrainings begann ihre Mitarbeit im Projekt „Hilfe zum Leben“ in Mushili. Seit Sommer 2017 ist Benjamin Projektverantwortlicher. Debora hält Kinderstunden in Mushili und unterrichtet benachteiligte Kinder in einem waisenhaus. Benjamin hat nach einer Ausbildung und Tätigkeit als Bankkaufmann die theologische Ausbildung in Bad Liebenzell absolviert. Debora ist Rechtsanwaltsfachangestellte. Beide haben ihre Berufung in den Missionsdienst bei Auslandseinsätzen in Afrika erlebt. Mushili ist eine stadtrandsiedlung von ndola im kupfergürtel sambias. sie hat 80.000 einwohner und unter allen townships im land den höchsten anteil an kindern und Jugendlichen. viele einwohner sind hiv-positiv. mehr: www.liebenzell.org/ mushili Fassade, Frust und vorbild „hallo keagan, kommst du morgen zum Bemba-lernen?“ – „klar, ich komme. versprochen!“ – „okay, dann um 10 uhr?“ – „Ja, das passt gut. Bis dann!“ Benjamin mit seinem Sprachhelfer bei dessen Taufe. Links: Debora in der Kinderstunde Mithelfen: SPEnDEncoDE 1458-32 Sambia

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