MISSION weltweit – Ausgaben 2016

5 MiSSioN weltweit 5–6/2016 NiGer DArUM GeHt’S Foto: aRCHiv deR galmi-KliniK Schämt sich eigentlich eine Gynäkologin in ihrer Arbeit in einem Land mit einer ausgeprägten Schamkultur? Nein, ganz im Gegenteil! Ich bin froh, dass ich eine Frau bin, weil im Niger viele Frauen viel lieber zu einer Ärztin gehen. Manche würden garnichterstzurBehandlungkommen,wenndort ein Mann als Gynäkologe praktizieren würde. Schämen sich Ihre Patientinnen bei der Behandlung? Kulturell bedingt ist im Niger vieles nicht privat. Es ist völlig normal, dass gleichzeitig zwei Patientinnen im gleichen Sprechzimmer von zwei Ärztinnen befragt werden und auch noch Angehörige dabeisitzen. Auch in den Krankenzimmern ist wenig Privatsphäre. Wenn ich in der Sprechstunde mit einer Frau über ihren Kinderwunsch rede, kann es sein, dass der Mann der Patientin meiner Kollegin die Ohren spitzt und sich ungefragt am Gespräch beteiligt. Aber zunehmend bemängeln gebildetere Patienten die fehlende Diskretion, und auch Männer wollen bei zu vielen Ohren manchmal nicht offen über ihre gesundheitlichen Probleme reden. Ein ArztPatientenGespräch ist wenig informativ für mich und schwierig zu führen, denn die Patienten meinen, dass der Arzt doch wissen muss, woran man leidet. Und so sagt mir der Hilfesuchende, was ich vermeintlich hören will. Wenn ich Rückfragen stelle, bekomme ich mehrfach dieselben Antworten. Dann wird auch der junge Mann, der unser Französisch in die Sprache Haussa übersetzt, ungeduldig. Man braucht als Arzt hier viel Weisheit! Ist im Niger das Schamgefühl bei Frauen und Männern unterschiedlich ausgeprägt? Ja, sie reagieren sehr unterschiedlich. Die Frauen sind von der Kultur und Religion her gewohnt, vieles über sich ergehen zu lassen. Ich weiß nicht, was meine Patientinnen wirklich fühlen, weil sie es gewöhnt sind, alles zu erdulden und keine Gefühle zu zeigen. In letzter Zeit fällt mir auf, dass besser gestellte und gebildete Frauen sich zunehmend zieren, ihren Schleier abzunehmen im Beisein eines Mannes. Vermutlich wird durch verstärkte muslimische Unterweisung ein stärkeres Schamgefühl anerzogen. Sie sind nicht nur für die Geburtshilfestation verantwortlich, auch Kaiserschnitte, andere Eingriffe, die Sprechstunde und die Schwangerenvorsorge gehören zu Ihren Aufgaben. Gynäkologin sein in einem internationalen Team von Missionsärzten und einheimischen Kollegen – ist das Ihr Traumjob? Wenn man in die Mission geht, stellt sich nicht die Frage nach dem Traumjob, sondern die der Platzanweisung. Man findet Erfüllung in der Berufung, die Gott einem schenkt. Dabei ist manches Traum, anderes alltäglicher Auftrag. Niger hat die höchste Säuglingssterblichkeit in Afrika und nimmt nach Afghanistan im weltweiten Vergleich die zweite Stelle bei der Müttersterblichkeit ein. Wir können dazu beitragen, dass hier Menschen Hilfe erhalten und durch unsere einheimischen Evangelisten von Jesus hören. Was mir in Galmi sehr gefällt, ist der Austausch im Kollegenteam. Das hilft, wenn man an Grenzen kommt und im Dunkeln tappt, weil uns viele diagnostische Möglichkeiten fehlen. „Let’s hang heads“, lasst uns die Köpfe zusammenstecken, nennen das meine amerikanischen Kollegen. Die Fragen stellte Monika Weinmann, Redaktion „Mission weltweit“ Täglich zwei bis drei Kaiserschnitte. Die meisten nigrischen Frauen bringen ihre kinder zu Hause in ihrem Dorf oder auf einer entbindungsstation zur Welt. Wegen einer „normalen Geburt“ suchen die wenigsten das krankenhaus auf. So kommen nach Galmi vor allem Mütter mit komplikationen unter der Geburt, außerdem werden hier viele (in Afrika genetisch bedingte) zwillinge und Drillinge geboren. zwei bis drei kaiserschnitte täglich sind der Durchschnitt für Dr. esther pflaum und ihre kollegen. Die Schnittentbindung ist häufig wegen Geburtsstillstand nötig. Nicht immer überleben kind und Mutter. Als Missionsärztin im Niger Dr. esther pflaum ist Fachärztin für Gynäkologie und war schon in liberia, Sambia und in papua-Neuguinea im einsatz. Seit Sommer 2005 praktiziert sie an einem 130-Betten-Missionskrankenhaus in Galmi im Süden von Niger. Dort an der Südgrenze der Sahara gibt es ein Sprichwort in der Sprache Haussa: Sai Galmi – nur in Galmi kann man das behandeln. Dr. Esther Pflaum und eine Hebamme nach einer Drillingsgeburt. In Deutschland kommt ein Arzt auf 222 Einwohner, im Niger ist das Verhältnis eins zu 50.000. Mithelfen: sPendenCode 1520-32 niger

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