19 DaS EmpfEhLEN WiR WEITERDENKEN >> gaSTbEiTRag VoN UWE REc bERgE denn der Sohn dieser Magd soll nicht mit meinem Sohn Erbe werden, mit Isaak!“ (1. Mose 21,10). Paulus deutet dies geistlich (Galater 4,30): „Aber was sagt die Schrift? ‚Stoße die Magd und ihren Sohn hinaus, denn der Sohn der Magd soll nicht mit dem Sohn der Freien erben.’“ Freie, Kinder Gottes und darum Miterben, sind wir allein aus Gottes Erwählungsgnade, allein im Glauben und allein durch Christus, der selbst der Erbe ist (Hebräer 1,2). Ein Erbe ist immer ein Geschenk. Die Propheten mahnen: Wer die Erbengemeinschaft missachtet, dreht Gottes Heilsgeschichte zurück. Oder: Die Verantwortung eines Erbes damals und heute Gott führte die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei in das verheißene Land – Gottes Erbland für sein Volk. Dort pflanzte er – so Jesaja 5,1–7 – sein Volk wie einen Weinberg ein und wartete wie ein Weinbergbesitzer auf gute Früchte, eben auf Recht und Gerechtigkeit. Doch vergeblich. Israel „verkehrte das Recht in Wermut und stieß Gerechtigkeit zu Boden“ (Amos 5,7ff). Man feierte rauschende Gottesdienste, die jedoch keine Alltagsrelevanz mehr hatten (Amos 5,21–24). Anstelle von Gott und den Miterben im Land liebte man nur sich selbst, sah in Gott den Erfüllungsgehilfen zum eigenenWohlergehenund indenMitmenschennur Potenzial zur Selbstbereicherung. So prangerte Amos eine korrupte Rechtspflege an (Amos 5,7.10.12; 6,12), Profitstreben, Handelsbetrug (8,5f), zuhohe Pachtabgaben (5,11), sexuelle Ausschweifung, ein Verfall des Familienethos (2,7), Reichtum (3,10f.15; 5,11; 6,4) und Luxus (4,1; 6,1). Das Hauptproblem dabei: Zuerst mussten Menschen, die durch unterschiedlichste Schädigungen zahlungsunfähig wurden, ihren Besitz veräußern – ihre Äcker und ihr Vieh, womit sie ihre Einnahmequelle verloren und so jede Möglichkeit, aus der Schuldenfalle herauszukommen. Dann kamdie ganze Familie in Schuldknechtschaft. Diese Tragödie war eine menschliche, eine gesellschaftliche und schließlich ein mehrfacher „Schlag ins Gesicht“ Gottes. Wurde einem Menschen sein Land genommen, verlor er das ihm von Gott anvertraute Erbland. Gottes Erbland für sein ganzes Volk konzentrierte sich bald – gegen sein Gebot (3. Mose 25; Ruth 4; Jeremia 32; 1. Könige 21) – bei wenigen Reichen (Jesaja 5,8ff). Gleichzeitig verlor ein Mensch mit dem Eintritt in ein Abhängigkeitsverhältnis seine Stellung als freier, rechts- und kultfähiger Bürger. Jeder Leibabhängige bedeutete damit eine Reduzierung der Bürgerschaft und Erbengemeinschaft Israels, womit langfristig Israels Existenz als Volk Gottes auf dem Spiel stand. Mit einer egoistischen und unbarmherzigen Haltung war Israel im Begriff, Gottes Landgabe, die Würde der Erbengemeinschaft und damit seine Heilsgeschichte rückgängig zu machen. Deshalb sandte Gott Propheten wie Amos und griff schließlich mit der babylonischen Eroberung Judas so massiv ein – um der unterdrückten Miterben willen und um einer Fortschreibung seiner Heilsgeschichte willen mit Israel und mit der ganzen Welt. Dieser Rückblick in Israels Geschichte erinnert uns heute an die Verantwortung, die mit jedem Erbe einhergeht. Und dann ist unsere Gerechtigkeit gefragt, also unser „gemeinschaftsgemäßes Verhalten“ unseren Miterben gegenüber – und gegenüber allen Menschen, auf dass diese sich wünschen, auch zur Erbengemeinschaft der Miterben Christi zu gehören. Erben des Himmels werden irdischem Erbe nicht mehr unterirdisch nachjagen Denken wir das Bild vom Leib Christi und seinen vielen Gliedern zu Ende, kommen wir nicht umhin zuzugeben: Liege ich bei weltlichen Erbangelegenheiten mit meinen Miterben im Streit, dann ist das ein Streit mit Christus. Rede ich über meine Miterben schlecht, dann rede ich schlecht über Christus. Hintergehe ich meine Miterben, hintergehe ich Christus und seinen Leib – „weil wir untereinander Glieder sind“ (Epheser 4,25). Als Glieder des Leibes Christi und als himmlische Erbengemeinschaft können wir uns irdisch nicht so verhalten, als ob es den Himmel nicht gäbe – unter unseren Glaubensgeschwistern nicht und sonst auch nicht, wollen wir einladende Zeugen Jesu Christi sein. Notwendiges Umdenken von „Was bekomme ich?“ zu „Was kann ich weitergeben?“ Wenn Jesus, anstatt sich hinzugeben, gefragt hätte: „Was bekomme ich?“, dann wäre er tatsächlich alleine der Erbe aller himmlischen Güter, und wir wären leer ausgegangen. Jesus hat uns eine Haltung vorgelebt, die dieser Welt fremd ist. Davon leben wir, und danach sollen wir auch leben. Nachfolge hört nicht beim Erbe auf, sondern fängt beim Erbe an. Mit warmen Händen geben Sicher gibt es vor allem bei großen Schenkungen rechtliche Fragen zu klären, und auch die Konsequenzen sind zu durchdenken. Im Alltag aber ist es für alle Beteiligten kostbar, wenn Eltern und Großeltern verantwortlich und doch großzügig weitergeben. Den beschenkten Kindern ist es oft eine Hilfe und für die Schenkenden eine Freude, noch mitzuerleben, wie ein Teil von ihnen – zum Beispiel ein Musikinstrument – weiter Verwendung findet. Das letzte Hemd hat keine Taschen Natürlich sollen wir verantwortungsbewusst mit den Gütern dieser Welt umgehen. Und doch: Das letzte Hemd hat keine Taschen. Was bleibt, ist allein Gottes himmlisches Erbe. Diese Einsicht hilft uns, dem himmlischen und jedem irdischen Erbe den rechten Stellenwert beizumessen. Und auch das himmlische Erbe sollen wir weitergeben. Wer andere zu dieser Erbengemeinschaft einlädt, hat am Schluss nicht weniger. Im Gegenteil: Zum himmlischen Erbe allein aus Gnaden wird auch sein Werk bleiben, und er wird Lohn empfangen (1. Korinther 3,14). miSSioN weltweit 3–4/2016 Foto: mEDIENREhVIER.DE/ANJA BRUNsmANN Wenn Jesus anstatt sich hinzugeben gefragt hätte: „Was bekomme ich?“, dann wäre er tatsächlich alleine der Erbe aller himmlischen güter, und wir wären leer ausgegangen. Dr. Uwe Rechberger ist pfarrer und Studienleiter am albrecht-bengel-haus in Tübingen, Verkündiger und autor. Nach dem Studium der Theologie in heidelberg und Tübingen war er Vikar in filderstadt-Sielmingen und pfarrer z. a. im kirchenbezirk bernhausen. Von 2006 bis januar 2016 war er ehrenamtlich Vorsitzender des cVjm-Landesverbandes in Württemberg. Er ist verheiratet und Vater von drei kindern. Foto: PRIVAt
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