MISSION weltweit – Ausgaben 2018

26 ratlos Christen müssen sich für Gerechtigkeit einsetzen – das ist die überall zu hörende Forderung, nicht nur kirchlicherseits, sondern auch aus der säkularen Ecke: Einer muss sich ja schließlich um die kümmern, die es alleine nicht schaffen. Es beruhigt das Gewissen, wenn man laut „Gerechtigkeit“ ruft, aber dann auf andere zeigt, die sich „kümmern“ sollen. Christen sind oft nur allzu bereit, diese Erwartung zu erfüllen. Sie meinen, dass sie akzeptiert würden, indem sie der Welt beweisen, dass sie Gutes tun und sich für Gerechtigkeit einsetzen. Manche hoffen auch, so Resonanz zu schaffen für die Einladung zum Glauben an Jesus. Für dieses zweite, „geistliche“ Bemühen erfahren Christen allerdings weit weniger Applaus in der Öffentlichkeit. Daraus erwächst die Gefahr, dass wir es verschweigen, weglassen und uns sogar dafür schämen: Mission ist irgendwie peinlich, Bekehrung ist irgendwie peinlich, aber Gerechtigkeit, Gerechtigkeit ist gut. Sagt das nicht auch Paulus?„Befreit von der Sünde, seid ihr in den Dienst der Gerechtigkeit gestellt worden“ (Römer 6,18). Weil wir oder indem wir von der Sünde befreit worden sind, dienen wir der Gerechtigkeit. Also doch: mehr Gerechtigkeit! in der politischen und kirchlichen diskussion ist viel von gerechtigkeit zu hören, und die aufgabenliste wird mit jedem Jahr länger: Ökonomie, Ökologie, gender, sexualität, rasse, bildung, gesundheit, gehalt – überall wird gerechtigkeit angemahnt und gegen diskriminierungen geklagt. mehr gerechtigkeit Allee der Gerechten in Yad Vashem, Jerusalem Gerechtigkeit ist in der Tat unser Auftrag, weil ohne Gerechtigkeit Leben nicht gelingt. Es reicht aber nicht aus, für Gerechtigkeit zu sein. Denn wie kann es ohne gerechte Menschen Gerechtigkeit geben? Darum – wer mehr Gerechtigkeit will, braucht mehr Gerechte! Da aber fängt die Schwierigkeit an, weil es leichter ist, Gerechtigkeit zu fordern, als selbst gerecht zu sein. Denn beim Gerechtsein kommen wir uns beständig selbst in die Quere. Wir merken plötzlich, dass wir Sünder sind. Gehorsam ist darum neben Gerechtigkeit ein zweites programmatisches Wort im Römerbrief. In Römer 1,5 beschreibt Paulus die Funktion seines Apostelamtes als die Aufrichtung „des Gehorsams des Glaubens unter allen Völkern“. Paulus weiß aus eigener Erfahrung, dass erst Gott anmir handeln muss, bevor ich – als einer, der durch Gottes Wirken gerecht geworden ist – etwas zur Gerechtigkeit in dieser Welt beitragen kann. Gott muss handeln, weil die Sünde als Selbstbezogenheit so tief in mich hineingreift, dass ich mich daraus nicht selbst befreien kann. Menschen merken oft gar nicht mehr, wie sehr sie selbst zur Ungerechtigkeit beitragen, gegen die sie eigentlich sind. Soziales Elend ist – was Prof. Dr. roland Deines ist seit September 2017 professor für Biblische theologie und antikes Judentum an der ihl. Zuvor war er an den universitäten tübingen, Jena, Beer-Sheva und nottingham tätig. er ist verheiratet mit renate und Vater eines Sohnes. foto: priVat

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