MISSION weltweit – Ausgaben 2018

18 „in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren zwei Drittel der missionare Frauen … Die Frauenmissionsbewegung war mit drei millionen mitgliedern zur größten Frauenbewegung in den usa geworden“, stellt die missionswissenschaftlerin Dr. ruth a. tucker fest. „und doch werden in den Darstellungen der missionsgeschichte Frauen weitgehend vergessen. … sie sind einfach verschwunden.“1 Gleiches gilt für Deutschland. Gustav Warneck erwähnt Frauen in seinemAbriss einer Geschichte der protestantischen Missionenauf 368 Seiten nur an zwei Stellen.2 Deshalb skizziert dieser Artikel den Beitrag der Frauen zur weltweiten Mission in wenigen Bildern durch die Jahrhunderte. Wir schauen zunächst auf das Neue Testament und die Christenheit der ersten Jahrhunderte, dann in das Mittelalter und schließlich auf die evangelische Mission seit ihren Anfängen im 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. die Mission der frühen Christenheit Adolf von Harnack kommt in seiner Erforschung der Mission und Ausbreitung des christlichen Glaubens in den ersten drei Jahrhunderten zu zwei wesentlichen Einsichten: Einmal: „Wir können nicht zweifeln, dass die große Mission dieser Religion (des christlichen Glaubens) sich ganz wesentlich durch die nichtberufsmäßigen Missionare vollzogen hat.“ Zum anderen: „Wir dürfen auch mit Sicherheit annehmen, dass gerade die Frauen eine sehr bedeutende Rolle bei der Ausbreitung dieser Religion gespielt haben.“3 Ein wesentlicher Grund war die religiöse Gleichstellung der Frau mit dem Mann vor Gott (Gal 3,28 u. a.), die eine religiöse Selbstständigkeit der Frau zur Folge hatte, wie man sie im Judentum nicht kannte. Dabei darf man nicht nur auf Stellen schauen, in denen Paulus den Frauen verbietet, in der Gemeinde zu lehren, wie etwa 1Kor 14,32–36. Hier will Paulus vermeiden, dass es zum öffentlichen Ärgernis wegen des Auftretens der Frauen kommt, etwa durch Abwerfen des Schleiers. Gerade in Korinth steht am Anfang der Mission das Ehepaar Priscilla und Aquila. Schon dass die Frau mit dem Mann genannt wird, ist ungewöhnlich. Aber in Röm 16,3 wie in 2Tim 4,19 wird Priska, so die Kurzform des Namens, als erste genannt. Sie scheint die Hauptperson gewesen zu sein. Der Name ist mit dem altrömischen Adelsgeschlecht gens Ancilian verbunden wie auch der Name Aquila. Als Jude mit hohem römischen Namen muss er ein freigelassener Sklave gewesen sein, den die adelige Priska heiratete. Sie unterwies auch den gelehrten Apollos in Ephesus, was eine fundierte Glaubenserkenntnis bei ihr voraussetzt. „Sie war also eine Mitarbeiterin des Paulus, … eine Missionarin, und zugleich die Leiterin einer kleinen Gemeinde. Beides konnte sie nur sein, wenn sie lehrte; (denn) missionieren durfte sie nur, wenn sie lehrte und vom Geist erweckt war, denn sonst hätte Paulus sie nicht anerkannt.“4 In Röm 16 sind 26 Personen genannt, neun davon Frauen. Bei allen zeigt das Verb an, dass sie in der Mission tätig waren. Noch ein Blick auf die zuerst Erwähnte: Phoebe wird „prostatis“ genannt, die feminine Form von prohistamenos, (Gemeinde)vorsteher (Röm 12,8; 1Thess 5,12; 1Tim 5,17), was gleichbedeutend mit Ältester ist. Sie leitete als begüterte Frau, Wohltäterin und Beschützerin die Gemeinde in Kenchräe, die in ihren Anfängen vermutlich auf sie zurückgeht. Auch sie stand mit Paulus in seinem Missionswerk, und es finden sich weitere Beispiele im Neuen Testament von Frauen, die in der Missionsarbeit des Paulus tätig waren. Man sagte, dass Frauen über göttliche Dinge besser Bescheid wüssten als Philosophen, „denn auch Frauen und Jungfrauen“ lasen theologische Werke.5 Kaiser erließen bei den letzten Verfolgungen entsprechende Gesetze, denn sie wussten, dass das Christentum „seine Stärke bei den Frauen hatte.“6 Nach Nobert Brox,7 einem röm.-kath. Theologen, waren die Frauengemächer die Missionszentren der antiken Welt. „Ohne die Frauen hätte die Mission diese Ausbreitung nicht erreicht. Frauen wurden deshalb nicht anders behandelt als Männer, weil man ihre Bedeutung für Leben und Ausbreitung der Kirche kannte. … Man hat sie ‚gleichberechtigt‘ verhaftet, verhört, gefoltert und umgebracht … Der Grund dafür war, dass missionierende Frauen wie weibliche Gemeindeleiter“ von großer Bedeutung waren. der Einsatz der Frauen in der Mission des Mittelalters Die spärlichen Quellen vermitteln den Eindruck, dass die Mission dieser 1000 Jahre in erster Linie Männer- bzw. Mönchsache war. Lediglich bei Bonifatius erfahren wir, dass er in einer Gebetsverbundenheit mit Männern und Frauen in Klöstern von England bis Monte Casino stand, denen er Anliegen der Fürbitte nannte und die ihn unterstützten.8 Eine Ausnahme bildet die Äbtissin und Lehrerin Lioba, einziges Kind einer altenglischen Adelsfamilie, die in der zweiten Generation Christen waren. Wir haben einen Brief Liobas an Bonifatius und zwei Briefe des Bonifatius an sie; weiter wird sie in einer Schenkungsurkunde Karls des Großen erwähnt. Um 732/735 erbat Bonifatius Lioba als Missionarin und übertrug ihr das neu gegründete Benediktinerinnenkloster (Tauber)bischofsheim als Äbtissin. Sie unterrichtete einheimische Mädchen der Oberschicht im Kloster, das zu einem Missions-, wEitErdEnkEn >> sonDerbeitraG Von HelmutH eGelkraut 1 Dies., Guardians of the Great Commission: The Story of Women in Modern Missions, Grand Rapids 1988, 10. 2 Berlin, 61899, 109.271. 3 Ders., Berlin 1902, ND der 4. Aufl. von 1924, Leipzig o.J., 378. 4 Ebd. Hervorhebung von „lehrte“ im Original. 5 Ebd., 599. 6 Ebd., 607. 7 Ders., „Die christliche Mission in der Spätantike,“ in Karl Kertelge, Hg., Mission im Neuen Testament, Questiones Disputtiae Band 93, Freiburg, 1982, 190-237.223. 8 Lutz von Padberg, Bonifatius, Wuppertal und Zürich, 1989, 111. Sonderbeitrag von Helmuth Egelkraut Auf dem Missionsberg (vorne in der Mitte: Pfarrer Heinrich Coerper, Gründer der LM) Momentaufnahmen aus mehr als 100 Jahren Missionsarbeit durch Frauen bei der Liebenzeller Mission

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