MISSION weltweit – Ausgaben 2018

21 WEITERDENKEN >> SONDERBEITRAG VON DR. FRIEDEMANN BURKHARDT Dr. Friedemann Burkhardt ist methodistischer Pastor und seit 2017 in den Einrichtungen der Liebenzeller Mission als theologischer Fachberater zu Themen Interkultureller Kirchen- und Gemeindeentwicklung tätig, arbeitet am LIMRIS- Forschungsinstitut und lehrt im Fach Praktische Theologie an der Internationalen Hochschule. Er ist verheiratet, hat sechs Kinder und lebt mit seiner Frau und den jüngsten beiden Kindern in Calmbach. FOTO: HEIDI RENTSCHLER Gottesdienste feiert. Ihre Zahl übersteigt in den Metropolen die der Christen in deutschen Gemeinden. Neben dem Christentum außerhalb Europas ist unter missionarischen Gesichtspunkten auch das außereuropäische Christentum in Europa wahrzunehmen. Kirche und Gemeinde sind heute interkulturell zu denken. Interkulturalität als Wesenszug des Evangeliums verstehen Der verbindende Aspekt des „Interkulturellen“ zeigt sich der Sache nach bereits im Neuen Testament. Dazu zählt die Überzeugung, dass die Trennung zwischen Juden und Heiden als ein besonderes Ziel des Evangeliums überwunden werden muss. Auch das Selbstverständnis der Christen, dass Jesus Christus sie zu einer völker- und kulturübergreifenden Größe verband (Gal 3,28) und als Botschafter der Versöhnung in der Welt einsetzte (2Kor 5,18). Wahrnehmbar ist schließlich ein Geist der Integration, der soziale und kulturelle Grenzen zu überwinden sucht. Interkulturalität erweist sich als Wesenszug des Evangeliums und Grundprinzip neutestamentlicher Gemeindeentwicklung. Im Ergebnis halten wir fest, dass öffentliche Debatte, Interkulturelle Theologie und das Neue Testament interkulturellen Gemeindebau als christliche Antwort auf aktuelle Herausforderungen zu einer theologischen Notwendigkeit machen. AlsWerk des Heiligen Geistes verbinden sich dabei Menschen aus vielerlei Kulturen und Nationalitäten, verschiedenen Alters und Lebensstils, unterschiedlicher Berufe, Herkunft, Bildung und Stellung. In ihrem Herrn Jesus Christus werden sie zu einer starken Gemeinschaft des Lebens und Glaubens, an der sie gleichberechtigt teilhaben und die sie gleichrangig repräsentieren. Dies gilt für den Gemeindebau weltweit, und das LIMRIS-Forschungsinstitut* fördert ihn mit theologischer und kultureller Reflexion. 3. Wie geht Mission praktisch? Für Paulus ist mit Mission die Einsicht verbunden, dass da, wo wir unseren Glauben teilen, er sich uns tiefer erschließt (1Kor 9,23). Es geht darum, das Evangelium in Tat und Wort auszuteilen. Denn wo die Liebe kein Gesicht hat und keine Gestalt bekommt, werden die Missionare als „tönendes Erz“ und „klingende Schelle“ wahrgenommen und ihr Einsatz bleibt ohne Nutzen (1Kor 13,1–3). Drei Aspekte möchte ich abschließend skizzieren: In ein christliches Eigentumsverständnis einwilligen Als Christen teilen wir unser Leben, weil wir es nicht als unser Eigentum betrachten, sondern als Leihgabe Gottes, die er uns zur treuen Verwaltung anvertraut hat bis zu dem Tag, an dem er einen Teil oder das Ganze zurückfordert (Mt 25,14-30). Als gute Haushalter von Gottes Vermögen lassen wir uns von seinem Geist sensibilisieren, wo wir unser Haus öffnen und Menschen aufnehmen, von unserem Konto Geld weitergeben oder in unserem Kalender Zeit für ihn oder andere reservieren. Christliche Mission ist durch die Erfahrung und Erkenntnis von Gottes Barmherzigkeit motiviert, das Leben dem Dienst für Gott zu opfern, was sich diametral vom Lebensstil um uns herum unterscheidet (Röm 12,1f). Den Kreuzweg wagen Missionarisches Leben ist ein Kreuzweg. Erst wenn du zu teilen beginnst, begreifst du, wie eng selbstsüchtige und geistliche Motive beieinanderliegen. Du erschrickst, wie menschlich du denkst, fühlst und handelst, obgleich du Gottes Willen tun willst. Wie Petrus oder Paulus lernen wir, wie weit wir bei allen guten Vorsätzen hinter dem zurückbleiben, was wir Gott hoch und heilig zu tun versprochen haben. Wir werden schuldig und entwickeln gerade in dieser Schwachheit ein Gespür für Gottes Kraft und Gnade (2Kor 12,9). So lernen wir Demut, aber das ist ein Kreuz. Ein Kreuz ist auch, dass ein solches Leben oft andere provoziert und in Konflikte führt, besonders mit Menschen, die Christen sein wollen, aber missionarisches Leben als eine Kür betrachten. Auf Gottes Versorgung vertrauen „In Deutschland ist es doppelt so schwer zu glauben wie in Afrika!“ Mit dieser Aussage verblüffte uns ein Freund, der Pastor eines afrikanischen Gemeindeverbands mit Gemeinden in Afrika und Deutschland ist und sich in beiden Welten auskennt. Er sagte: „Viele in Afrika haben einen leeren Kühlschrank. Sie wissen oft nicht, was sie heute oder morgen essen sollen. Also beten sie. Gott erhört ihr Gebet. Sie erfahren seine Kraft. Das macht ihren Glauben stark. In Deutschland ist der Kühlschrank voll. Wir überleben gut ohne Gott. Darum beten wir weniger, erwarten von Gott weniger und erfahren seine Kraft nur schwach.“ Wie er so predigte, spürten wir etwas von der Botschaft des Jesus-Wortes, dass Reiche schwer ins Reich Gottes kommen (Mk 10,24f). Der Gemeinde stand die Frage sichtlich ins Gesicht geschrieben: „Wer kann dann selig werden?“ (Mk 10,26) Gleichzeitig begriff ich: Genau hier beginnt der Weg, den uns die Bibel weist, indem sie das Wagnis der Mission, des Gebens, Austeilens und Loslassens als den Ort ausweist, an dem ich an Gottes Liebe und Gnade Anteil bekomme. Die Verheißung ist gültig: „Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlässt um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen – und in der kommenden Welt das ewige Leben.“ (Mk 10,29f) l MISSION weltweit 9–10/2018 Wo die Liebe kein Gesicht hat und keine Gestalt bekommt, werden die Missionare als „tönendes Erz“ und „klingende Schelle“ wahrgenommen und ihr Einsatz bleibt ohne Nutzen. * Das Forschungsinstitut LIMRIS (Liebenzell Institute for Missiological, Religious, Intercultural, and Social Studies) pflegt Kontakte zu Mitarbeitern im praktischen Vollzug christlicher Mission mit dem Ziel, neue Fragestellungen und Herausforderungen wahrzunehmen und aufzugreifen.

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