MISSION weltweit – Ausgaben 2018

21 weiterdenken >> sonderbeitrag von johannes luithle Pfarrer Johannes Luithle ist seit 2018 Direktor der Liebenzeller Mission. Nach seiner theologischen Ausbildung war er Gemeindepfarrer in Untermünkheim-Enslingen und Schömberg/Schwarzwald. Seine Frau Andrea und er haben drei Kinder. Foto: fabian reinhardt Streit mit Gott Abraham hat alle menschlichen Streitfelder durchlebt. Zuletzt wagt er sich in den Ring, um mit Gott zu streiten. Gott lässt Abraham wissen, dass er Sodom und Gomorra richten will. Aber Abraham stellt sich vor den Herrn und fragt: Willst du wirklich den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Der jüdische Kommentator Hertz meint dazu: „Dieses Eintreten zugunsten Sodoms und Gomorras, in dem Abraham mit Gott disputiert, ja mit ihm feilscht (...) stellt die höchste Zinne geistiger Vollendung dar (...), sodass die Höhe dieser Stufe selbst die Bereitschaft, seinen Sohn auf göttliches Geheiß zu opfern, übertrifft.“ (Kommentar zum Pentateuch, S. 158f). Abraham erinnert Gott an seine Ureigenschaft, nämlich an seine Gerechtigkeit: „Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten?“ (1. Mose 18,25; vgl. auch Psalm 82,8; 96,13; 98,9). Er appelliert an Gottes Gerechtigkeit, die nicht nur den Gottlosen bestraft und den Gerechten rettet. Gott spricht doch auch den Gottlosen gerecht, der umkehrt und sich selbst nicht mehr zu helfen weiß (vgl. Hesekiel 33,10ff)! Diese Gerechtigkeit wurde auch Abraham zugesprochen. Er vertraute dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit (1. Mose 15,6). Der gerecht Gemachte wagt es, mit Gott in Verhandlungen zu treten. Dabei geht es ihm nicht um eigene Vorteile, sondern um die Rettung derer, die im Streit mit Gott leben und so ohne Beziehung zu ihrem Schöpfer sterben müssen. Menschen, die mit Gott vertraut sind, haben Mut, mit ihm zu streiten und zu verhandeln. Aber dieser „Händel“ hat klare Grenzen. Ein Gottesstreiter muss sich bewusst sein, dass ihm der Überblick fehlt (vgl. Jesaja 45,9). Jeremia wagt es, mit Gott zu streiten, auch wenn er weiß, dass dieser Streit immer ein asymmetrischer Streit bleibt: „Herr, wenn ich auch mit dir streiten wollte, so behältst du doch recht; dennoch muss ich vom Recht mit dir reden. Warum geht’s den Gottlosen so gut?“ (Jeremia 12,1). Ein Gottesstreiter weiß auch, dass er nicht für sein eigenes Recht sorgen muss. Wo ich selbst Unrecht erfahre, habe ich Gott zum Anwalt und kann ihm getrost meine Angreifer und Feinde überlassen. Er ist mein Rechtsanwalt und wird mich nicht im Stich lassen. Davon kann David ein Lied singen (Psalm 35,1.23). Bereit für den Streit? Ein Streit gleicht letztlich einem Gewitter. Er bleibt unberechenbar. Wir wissen nicht genau, wie heftig er wird. Aber wir wissen: Er ist zur Klärung nötig und meistens auch nach kurzer Zeit wieder vorbei. Manchmal geht es heftig zur Sache. Der Blitz schlägt ein. Energie entlädt sich. Der Donner kracht vom Himmel her. Die Welt scheint für kurze Momente aus dem Lot zu geraten. Doch wenn das Gewitter verzogen ist, spürt man seine wohltuenden Folgen. Es hat abgekühlt. Die hitzigen Temperaturen sind gefallen. Der Boden ist feucht und bewässert worden. Der Sturm hat nachgelassen, der peitschende Wind sich gelegt. Kam das Gewitter tagsüber herunter, blitzt anschließend hier und da sogar wieder die Sonne wohltuend durch die Wolken. Der Himmel ist wieder sichtbar. Streit, Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, Konflikte – all das gehört zu unserem Leben. Gehen wir dem Streit nicht aus dem Weg, sondern führen wir ihn verantwortungsbewusst. Nicht, dass der Händel uns bestimmt, sondern, dass wir den Streit in die Hand nehmen. Und bei allem Streit bitte nicht vergessen: „Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein“ (2. Mose 14,14). l mission weltweit 7–8/2018

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