MISSION weltweit – Ausgaben 2018

darum geht’s FranKreiCh 16 FotoS: tINA ecKSteIN Besonders die persönliche Meinungs- und Handlungsfreiheit ist ein hohes Gut. Solange es irgendwie erträglich ist, lässt man dem anderen seine Meinung. Wie streitet man dann? Babette, Grundschullehrerin im Ruhestand, beantwortete meine Frage so: „Das hängt sehr von der Persönlichkeit ab. Wir haben in der Grundschule versucht, den Kindern beizubringen, Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen. Wenn es eine Meinungsverschiedenheit gibt, dann sollen die Kinder miteinander darüber reden. Und wenn sie nicht weiterkommen, dann holen sie sich Hilfe bei einem Lehrer oder einem anderen Erwachsenen. Die helfen dann, sich vernünftig auszutauschen und eine faire Lösung zu finden.“ Mein Eindruck ist: Wenn man in Frankreich das Gefühl hat, dass die Meinungen weit auseinanderliegen, wird das Thema lieber ausgeklammert. Dann wird nicht darüber gesprochen, und der andere bleibt mit seiner Meinung, seinen Empfindungen, Argumenten und Gefühlen einfach „im Regen stehen“, manchmal nicht nur im übertragenen Sinne. Wir mit unserer deutsch geprägten Streitkultur würden gerne diskutieren und Argumente deutlich darstellen – manchmal auch, bis die Fetzen fliegen. Wir würden gerne hören, was unser Gegenüber zu sagen hat. Verstehen, was ihn bewegt, die Sache so zu sehen, wie er sie sieht. Und gemeinsam eine Lösung finden. Nur: Diese Art, um der Sache willen zu streiten, wird hier eher selten praktiziert. Zumindest erleben wir es so in der Gemeindearbeit. Die Zeit hilft lösen Ich möchte lernen, ganz deutlich hinzuhören, was gesagt wird. Auch wahrnehmen, was verschwiegen wird. Lernen, die richtigen Fragen zu stellen und an der richtigen Stelle zu schweigen. Und trotzdem nicht locker lassen, wenn es um Wichtiges geht. Denn ungeklärte Streitigkeiten sind kein guter Boden für gesunde Beziehungen. Oft brauche ich Mut, Unausgesprochenes auszuhalten, und Geduld, die ungeklärte Situation zu ertragen. Im Laufe der Zeit lässt sich manches Problem ganz sanft und sachte ansprechen und vorsichtig lösen. Ich braucheWeisheit, die richtigenWorte zu wählen, und Demut, nachzufragen, was mit dem Gesagten wirklich gemeint ist. Als Christ möchte ich mein Leben bewusst so gestalten, dass es Gott Freude macht, und seinen Willen tun. Dem Streit nicht den Sieg lassen. Mein Gegenüber lieben. Nicht, weil ich sie oder ihn so nett finde, sondern weil Gott sie oder ihn liebt! Übrigens nicht mehr oder weniger, als er mich liebt. Auch eine Konfliktlösung nach dem Muster von Abraham und Lot kann eine gute Möglichkeit sein: „Gehst du zur Rechten, gehe ich zur Linken“ (1. Mose 13,9). Vielleicht erreicht man mehr, wenn man nicht miteinander arbeitet. Dann kann man sich darüber freuen, was Gott durch den anderen gelingen lässt, der auf seine Weise arbeitet – und was er bewirkt, wenn ich es auf meine Weise tue. Wie gut zu wissen, dass wir in allem Jesus Christus um Hilfe bitten dürfen. Auch beim richtigen Streiten. Tina Eckstein l Michael und tina Eckstein unterstützen seit juli 2009 den Aufbau von gemeinden in der Normandie und arbeiten in Saint-Lô. Die dortige gemeinde hat rund 25 Besucher. vor seiner Ausbildung am theologischen Seminar der Liebenzeller Mission arbeitete Michael als Schreiner. tina ist ergotherapeutin. Ihre drei Kinder besuchen französische Schulen. meinungsVersChiedenheiten Freiheit, gleichheit, Brüderlichkeit. diese schlagworte sind an vielen französischen rathäusern in großer schrift angebracht. sie werden auch im alltäglichen leben groß geschrieben und nehmen einen wichtigen platz in der gesellschaft ein. Oben: Die Parole ziert auch das Rathaus von Saint-Lô. Mithelfen: SPeNDeNcoDe 1460-32 Frankreich Rechts: Aushang im Klassenzimmer: „Ich verwende keine Schimpfwörter, auch nicht zum Spaß.“

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