26 WEITErDENKEN >> GAStBeitrAG VoN klAUS W. Müller Gut zurückbringt, verstärkt man seine Scham, weil er dann vor anderen sein „Gesicht verliert“. In schamorientierten Kulturen verstehen die Missionare dann auch die Welt (und vielleicht die Bibel) nicht mehr: Einheimische Christen sehen das als eine ungehörige, unnötige und unerträgliche Belastung ihres Gewissens, Material oder Geld ersetzen zu sollen. Für ein reines Gewissen brauchen sie nur Gnade in Form von Wiederherstellung des alten Zustands der Beziehung. Richtig ist, in der Verkündigung und Seelsorge beide Seiten zu betonen und zu beachten, sowohl Schuld als Scham, vor Gott und vor Menschen; und für die Vergebung und Versöhnung ebenso Recht und Ehre. (1. Johannes 1,9) Die Veränderung des Gewissens und das Empfinden für Schuld geschehen durch den Heiligen Geist, wenn das Wort Gottes verstanden wird. Das kann nicht eingefordert werden, sondern wird an der Autorität des Dreieinigen Gottes festgemacht. Deshalb muss die Verkündigung und Lehre mit dem Gottesbild beginnen, wenn verstanden werden soll, wie Gott den Menschen sieht: als Sünder vor Gott. Dann erst kann die Fatalität der Sünde erkannt werden und warum eine Rettung vor den Folgen notwendig ist. Das „Heilswerk“ Gottes wird dadurch verständlich – und nicht vermischt mit Vorstellungen und sozialen Verhaltensmustern der Kultur. Nur so wird auch deutlich, dass Gott nur einen Weg für alle Menschen gewiesen hat, vergeben zu bekommen und versöhnt zu werden mit IHM: Jesus Christus, der Weg, die Wahrheit und das Leben. (Johannes 14,6) Wie Schnittmengen größer werden Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Nordafrika bringen ihre Gewissensmuster mit, sie denken darin und verhalten sich entsprechend – und haben Mühe mit dem deutschen Verständnis von Recht und Wahrheit. Hier fehlt ihnen die Beziehungsschiene Ehre und Scham, auf der bei ihnen zu Hause alles geregelt wird. Deshalb fühlen sich viele beschämt allein dadurch, dass sie gezwungen werden, Formulare „richtig“ (wahrheitsgemäß) auszufüllen, nach denen dann über sie entschieden wird, ohne dass ihnen nur einmal ins Gesicht gesehen wurde. Ihre Ehre ist ihnen wichtig, nur dann fühlen sie sich angenommen bei uns – wenn sie merken, dass wir ihnen diese zugestehen. Der Missionar ist Angehöriger seiner Kultur und verhält sich unbewusst so, wie er das als „richtig“ und „recht“ seit seiner Kindheit verinnerlicht hat. Er und ein einheimischer Christ haben zunächst ein nur sehr kleines gemeinsames Feld. Wenn beide über sich eine höhere Autorität anerkennen und sich dieser unterstellen, wird ihre gemeinsame „Erkenntnisfläche“ größer: Sie nehmen das Verständnis der höheren Autorität an. Das geschieht durch Verkündigung und Lehre und Erkenntnis durch den Heiligen Geist – beide Seiten nähern sich dem Wort Gottes. So erkennt sich auch der Missionar immer mehr im „Licht“ Gottes. Nicht der andere, auch nicht der Missionar (!) ist der Maßstab für „Sünde“, sondern Gott. Das ist das Ziel der missionarischen Verkündigung und Lehre: Gott erkennen, sein Wort verstehen! Dabei lernt jeder vom andern, und ein schamorientiertes Gewissen nimmt definitiv Schulderkenntnisse von Gott an. Ebenso erkennt das schuldorientierte Gewissen mehr die wichtige Beziehungsorientierung für Scham und Ehre. Buchtipp: Klaus W. Müller. Das Gewissen in Kultur und religion. Scham- und Schuldorientierung als empirisches phänomen des über-ich/ich-ideal. lehrbuch elenktik. Nürnberg, Vtr, 2010. Mit Belegen, Quellen und erklärungen zu diesem Artikel und vielen weiteren informationen (nicht nur) für die Mission! Die kapitel sind in sich verständlich, erklärende präsentationen sowie eine Datenbank mit Büchern und Artikeln sowie verschiedene register und eine Forschungsbibliografie sind auf cD beigefügt. 678 Seiten, 39,95 € VTR Verlag für Theologie & Religionswissenschaften Bitte bestellen Sie bei der Buchhandlung der Liebenzeller Mission im SCM Shop liobastr. 8 · 75378 Bad liebenzell telefon 07052 17-163 · telefax 07052 17-170 e-mail: kontakt@buchhandlung-liebenzell.de www.buchhandlung-liebenzell.de die verkündigung und lehre muss mit dem gottesbild beginnen, wenn verstanden werden soll, wie gott den menschen sieht … dann erst kann die Fatalität der sünde erkannt werden und warum eine Rettung vor den Folgen notwendig ist. Prof. Dr. Klaus W. Müller erlebte seine geistliche prägung im liebenzeller Gemeinschaftsverband (Mühlhausen/enz). Auf die kunstschreinerlehre und Weiterbildung folgte die theologische Ausbildung in Bad liebenzell. Von 1970 bis 1981 mit seiner Frau Ulrike im Missionseinsatz in chuuk/ Mikronesien. Sie haben drei erwachsene kinder und sechs enkel. Notwendige Fortbildungsgänge für die Ausbildung von Missionaren und theologen für die praxis der Mission erfolgten an der Akademie für Weltmission, columbia international University, Freien theologischen Hochschule Gießen, Staatsunabhängigen theologischen Hochschule Basel und evangelischen theologischen Fakultät in löwen. Foto: PRivat Bettler in Indien Foto: sHutteRstoCK, salaman deRman
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