22 weiterdenken >> gastbeitrag von simon herrmann Herantasten Viele kennen die Redewendung „sich in Grund und Boden schämen“. Hier kommt schön zum Ausdruck, was den Begriff der Scham ausmacht: Scham hat mit Verbergen, mit Zurückhalten oder Zurückziehen zu tun. Man senkt den Blick oder errötet. Man sorgt sich um den persönlichen Wert und das Ansehen in der Gemeinschaft mit anderen. Man kann sich vor sich selbst schämen (zum Beispiel eines Gedankens, einer Aussage, eines Verhaltens oder einer Eigenart). In den meisten Fällen jedoch schämt man sich, weil etwas offenbar wird, was man nicht öffentlich haben will. Als Scham wird dabei nicht nur die Reaktion bezeichnet, die darauf folgt – Scham hat auch eine präventive Funktion: Man versucht zu verhindern, dass etwas bekannt wird. Das Gleichnis vom unehrlichen Verwalter in Lukas 16 kann hier als Beispiel dienen. Dem Verwalter wird seine gute Stellung gekündigt. Betteln will er nicht. Da würde er sich schämen. Seine Not könnte offenbar werden, und er würde in der Wahrnehmung anderer Menschen an Ansehen und Wert verlieren. Scham ist also zunächst einmal kein moralischer Begriff. Es ist wichtig, zwischen Schuld und Scham zu unterscheiden. Oft schämen sich Menschen für etwas, wofür sie nicht verantwortlich sind, etwa ihre krumme Nase. Oft hat Scham etwas damit zu tun, nicht der kulturellen Norm zu entsprechen. Allerdings gibt es auch die Scham, die auf einem Fehlverhalten und dem damit verbundenen Treuebruch gründet, dem Enttäuschen anderer Menschen oder Gottes. Hier begegnen sich die Bereiche der Schuld und der Scham. Ein letzter Punkt ist hier einleitend von Bedeutung: Es gibt neben dem Aspekt, dass man sich schämt auch noch den, dass man jemanden beschämt. Im biblischen Sprachgebrauch sind die Begriffe „Schande über jemanden bringen“ oder „schänden“ sehr eng mit denen der Scham und des Schämens bzw. des Beschämens verbunden. Ursprung Das erste Mal wird Scham in 1. Mose 2,25 erwähnt: Es wird erzählt, dass Adam und Eva nackt waren, sich dessen aber nicht schämten. Es gab keinen Anlass dazu: Vor wem oder weswegen sollten sie sich auch schämen? Allerdings ändert sich dies durch den Sündenfall dramatisch: Sie machten sich Schurze aus Blättern und versteckten sich vor Gott (1. Mose 3,7–13). Schuldzuweisungen und Zwietracht bestimmte auf einmal das Leben der Menschen untereinander, und auch Gott konnten sie nicht mehr in der gewohnten Unbefangenheit begegnen. Sie versteckten sich aus Scham vor ihm. Die Beziehungen untereinander und mit Gott waren belastet. Auch wenn Nacktheit hier und immer wieder als Grund für Scham genannt wird (1. Mose 9,20–27; Nahum 3,5), steht sie doch in erster Linie beispielhaft für einen größeren Sachverhalt: Es gibt einen Kern unseres Personseins, den wir nicht ungeschützt preisgeben möchten. Hier gehört unser Körper mit seinen Eigenheiten dazu, aber auch unsere Emotionen und manche Erlebnisse, die wir lieber für uns behalten. Da lassen wir nicht jeden ran. Die Scham legt sichwie einMantel umuns, und ein gesundes Schamempfinden schützt uns davor, ausgenutzt, missbraucht oder lächerlich gemacht zu werden. Spätestens seit dem Sündenfall wissen wir um unsere Verletzlichkeit auf verschiedenen Ebe- nen unseres Menschseins, und so hat Scham ihren berechtigten Platz in einer gefallenen Welt. Nach diesen eher grundsätzlichen Gedanken soll es nun um einige konkrete Aspekte der Scham gehen, die uns in der Bibel begegnen. Aspekt 1: Lass mich nicht zuschanden werden! Vor allem in den Psalmen begegnet uns immer wieder der Schrei nach Gott, doch nicht zuzulassen, dass die Gegner die Überhand behalten, dass sie nicht triumphieren mit ihren üblen Machenschaften. Die, die den Psalmbeter beschämen wollen, sollen selbst zuschanden werden und sich schämen müssen. So betete beispielsweise David: „Schämen sollen sich und zuschanden werden, die mir nach dem Leben trachten, mich Von Scham und dem Sich- Schämen Foto: medienREHvier.de/helga Brunsmann Gast- beitrag von Simon Herrmann
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