MISSION weltweit – Ausgaben 2016

DArUM GeHt’S kANADA 14 Doch mein Team ist entsetzt. Mir dämmert: Das war der falsche Korb, wir haben ja vorhin die Seiten gewechselt! Wie peinlich! Schamerfüllt vergrabe ich meinen Kopf zwischen den Knien. Bloß niemanden ansehen. Hoffentlich ist die Sportstunde bald vorbei. – Noch 30 Jahre später erinnere ich mich lebhaft an dieses Grundschulerlebnis. Diese Schande! Ich hatte dem Team geschadet und war auch noch stolz gewesen, zumindest kurz. Aber da war noch ein anderes Gefühl: Mit verschämtem Verstecken hatte ich mich nur selbst bestraft. In solche Sackgassen geraten wir alle im scheinbar „schamlosen“ Westen immer wieder. Wie oft leiden wir unter dem Gefühl, den Erwartungen nicht zu entsprechen, aber nur mit wenigen offen darüber reden zu können? Warum ist das sogar in christlichen Kreisen so? Sämtliche gesellschaftliche Veränderungen haben wenig daran geändert: Wir wollen angenommen, respektiert, geschätzt und erwünscht sein. Wer erzählt also im Gottesdienst gern von Blamagen bei der Arbeit, dem Kampf mit psychischen Problemen? Wer entblößt sich gern mit seinen Verdauungsbeschwerden, Zweifeln an Gott oder dem schlechten Gewissen nach einem Familienstreit? Gott sei Dank bin ich in einer Gemeinde aufgewachsen, in der dies möglich ist. Aber selbstverständlich ist es nicht. Eine Diskrepanz und ein Dilemma Selten war der Unterschied zwischen dem (offiziellen) Lebensstil, der in Gemeinden erwartet wird, und dem, was die Medien zeigen, Freunde und Kollegen ausleben, so groß wie heute. Für junge Christen ist das Festhalten an biblischen Werten im Bereich der Sexualität mit am schwersten. Gute Vorbilder und Ansprechpartner sind dringend nötig, vor allem aus der Generation, die zwischen den Jugendlichen und ihren Eltern liegt: Sie ist alt genug und einige Lebensabschnitte weiter, aber jung genug, um von Jugendlichen nicht nur als Freunde der Eltern gesehen zu werden. Familiengründung, Hausbau oder Investition in die Karriere sind für diese Altersgruppe häufig ein Grund, sich aus der Jugendarbeit zu verabschieden. Während mancher Deutschlandaufenthalte bemerkten wir unter ehemals leidenschaftlichen Mitarbeitern eine gewisse Resignation. Ethische Konflikte im Freundeskreis und in der Familie werfen schmerzliche Fragen auf. Das Liebesleben ist in der Kleinkindphase einer Familie nicht nur von Romantik und Leidenschaft geprägt. Das Reden über Sexualität wird lieber den „Profis“ überlassen: jungen Leitern, die noch idealistisch genug sind, oder Hauptamtlichen, die das vermutlich „besser hinkriegen“. Diese Furcht vor Transparenz ist verständlich, treibt christliche Jugendliche aber tiefer in ein Dilemma: In christlichen Kreisen werden Details von Beziehung und Sexualität erst in „Eheseminaren“ offen und sachlich angesprochen. Jugendliche, die noch keine Ehe in Aussicht, aber etliche Schwierigkeiten haben, die biologische und psychologische Seite ihrer Erfahrungen einDaniel und rita Mattmüller haben vier kinder, leiten seit 2012 das Vorbereitungsprogramm für Missionare in kanada und sind verantwortlich für das Auslandssemester der interkulturellen theologischen Akademie (itA). Daniel ist Werkzeugmacher und war nach der Ausbildung am theologischen Seminar der liebenzeller Mission einige Jahre ec-Jugendreferent. rita ist realschullehrerin. Von 2003 bis 2011 waren sie Missionare in Malawi. Je weniger selbstverständlich christliche Werte werden, desto größer wird die Herausforderung, uns zu immer größerer transparenz und offenheit durchzuringen. Her mit dem Ball! ich drehe mich schnell zur Seite, dribble richtung korb. Freude steigt auf, ich habe die regeln kapiert! ich strecke mich mutig und – hopp! treffer! Stolz reiße ich die Arme hoch und juble laut. unverschämt

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