7 JApAn DARum gEHt’S mISSIon weltweit 11–12/2016 lium in die Kultur der Menschen im Nordosten Japans „hineinübersetzen.“ Das ist ein großes Abenteuer. Menschen in der Krisenregion Japans haben eine ganz andere Sicht auf die Welt und das Leben. Dementsprechend hören oder lesen sie das Wort Gottes anders. Sie treten mit anderen Fragen an das Wort Gottes heran als wir individualistisch geprägten Mitteleuropäer es tun. Entsprechend finden sie in der Bibel auch andere Antworten, als wir es tun. Luthers berühmter Satz „Man muss den Leuten aufs Maul schauen“ hat auch in der Weltmission Gültigkeit. Das bezieht sich aber nicht nur auf die Sprache, sondern auch auf die Fragen und Themen, die die Menschen beschäftigen. „Allein die Schrift“ heißt nicht automatisch „Allein die deutsche Schrift“. Missionare brauchen hier viel Fingerspitzengefühl und Sensibilität. Sonst laufen sieGefahr, dort zu „kratzen, wo es gar nicht juckt“. Missionare brauchen Geduld, um herauszufinden, welche Anliegen und Fragen die Menschen umtreiben. Eine andere Reihenfolge in Japan Ich konnte diese Geduld nicht immer aufbringen. Hiko*, ein Student, zeigte Interesse an der Bibel, und wir lasen gemeinsam darin. Mein Anliegen war es, ihn möglichst schnell zum Glauben zu führen. Eines Tages sagte er dann zu mir „Das hat nichts mit meinem Leben zu tun.“ Es war nicht die Bibel, sondern meine Darstellung der biblischen Botschaft, die für ihn irrelevant war. Der japanische Missiologe Suematsu meinte dazu: „Du darfst und musst nichts weglassen von der biblischen Botschaft. Aber die Reihenfolge ist in Japan anders.“ Dann erleben wir, wie dieses Wort der Bibel eine Kraft entwickelt, die Menschen verändert. Japaner, die aus einer ganz anderen Lebenswelt kommen, beginnen Jesus in dieser Lebenswelt wahrzunehmen. Typisch deutsches Entweder-oder-Denken Manches ist uns Deutschen fremd, und wir brauchen Geduld. Wenn der Fischer Mizushima* auf der einen Seite erklärt, wie wichtig traditionelle Schreinfeste für nachbarschaftliche Beziehungen sind, dann ist für mich klar: Er hat mit dem Evangelium noch nicht viel am Hut, denn ein Schrein ist ein schintoistischer Tempel. Doch dann erzählt mir derselbe Mann, wie wichtig Jesus in seinem Leben geworden ist, und er spendet das Kreuz auf dem christlichen Café in der Stadt Yamada. Als Deutscher erlebe ich mich immer wieder als einen, der in Entweder-oder-Kategorien denkt: Ich bin entweder Christ oder Muslim. Ich bin entweder katholisch oder evangelisch. Beides zusammen geht nicht. Japaner haben da einen anderen Ansatz: Sie denken mehr von der Beziehung ausgehend. Deshalb ist es für Mizushima kein Widerspruch, an Schreinfesten teilzunehmen und sich gleichzeitig auf den Weg zum Glauben an Jesus zu befinden. Gott benutzt mit der Bibel ein Buch, um zu diesen Menschen zu reden. Ein Buch, dem widersprochen werden kann. Ein Buch, das geduldig erträgt. Gottes Wort ist geduldig und geht weite Wege mit den Menschen. Die Reformatoren glaubten an die Kraft des Wortes Gottes in der Sprache der Menschen. Gott ermöglicht es Japanern, sein ewiges Wort in ihrer Sprache zu hören. Dadurch öffnet er ihnen den Weg, dass sie in ihrer Lebenswelt seine Liebe immer mehr und mehr entdecken – genauso, wie ich das als Deutscher in meiner Eigenart darf. Darin entdecke ich die Gnade und Liebe Gottes zu mir und allen Menschen. Wie können Missionare Menschen wie Sasaki und Mizushima Jesus lieb machen? Ich glaube, indem sie sich an Luthers Motivation zur Bibelübersetzung orientieren. Indem sie sich gemeinsam mit diesen Menschen auf eine Reise machen, auf eine Reise, bei der Gott sie durch sein lebendiges Wort begleitet. Dabei werden sie Jesus, den einzigen Retter, das „fleischgewordene Wort“ (Johannes 1,14), immer besser kennenlernen. Egal ob Missionar oder Einheimischer, beide werden auf dieser Reise verändert. Tobias Schuckert ● missionare brauchen hier viel Fingerspitzengefühl und sensibilität. sonst laufen sie gefahr, dort zu kratzen, wo es gar nicht juckt. Wo werde ich begraben? Diese frage beschäftigt Japaner sehr. Die meisten friedhöfe gehören zu einem buddhistischen tempel und erlauben es nicht, dass getaufte christen sich dort beerdigen lassen. Deshalb haben viele Kirchen auf „neutralen“ friedhöfen eigene gräber, in die um die 200 urnen passen. Da Japaner sich traditionell in einem familiengrab beerdigen lassen, übernimmt die Kirche somit die funktion der familie. Bild oben: Hausaltar mit Ahnentafeln Bild Mitte: Schreinfest in Yamada Bild unten: Familiengrab mithelfen: spenDencoDe 1340-32 japan
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