MISSION weltweit – Ausgaben 2016

miSSion weltweit 7–8/2016 17 Wir leben und arbeiten in einem Vielvölkerstaat. Der größte Anteil macht die einheimische Bevölkerung aus. Vor allem auf dem Land ist ihre Sprache weit verbreitet. In den Städten reden die meisten Leute aber Russisch. So auch in unserer Kirche. Da sie von deutschen Aussiedlern gegründet und geprägt ist, gibt es noch vereinzelt Leute, die Deutsch sprechen. Die Organisation, in der wir arbeiten, ist wiederum amerikanisch, und so kommunizieren wir im Team in Englisch. Wenn man in der Stadt unterwegs ist, bekommt man schnell eine Kostprobe von weiteren Sprachen: In der Gemüseabteilung auf dem Basar könnte man ohne Probleme auf Chinesisch einkaufen. Bei den Textilien hingegen bräuchte man eigentlich Uigurisch. Koreanische Restaurants und eine Vielzahl von Produkten mit scheinbar unentschlüsselbaren Aufdrucken weisen daraufhin, dass es hier auch viele Koreaner gibt. Welche Sprache sollten wir lernen? Als wir in diesem Vielvölkerstaat ankamen, konnten wir außer Deutsch, Englisch und ein klein bisschen Russisch keine der Sprachen, die hier gesprochen werden. Wir wurden „zurückgeworfen“, waren nicht sprachfähig und mussten noch einmal von Neuem beginnen. Da es unser Anliegen war und ist, die einheimische Bevölkerung zu erreichen, war schnell klar, dass wir ihre Sprache lernen werden – die Sprache ihres Herzens. Mit dieser Entscheidung für sie entschieden wir uns gegen einen großen Teil der Landesbevölkerung. Bis heute spüren wir die Auswirkungen dieser Entscheidung. Obwohl wir schon einige Jahre im Land sind, gibt es wie zu Beginn unserer Zeit immer noch Bereiche, in denen wir nur wie unmündige Kinder agieren können und auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Fast jeder Arztbesuch ist eine Herausforderung für uns: Spricht der Arzt die einheimische Sprache? Wenn nein, reicht unser Russisch für eine Verständigung aus? Oder gibt es jemanden, der übersetzen kann? Das gleiche Spiel bei Autoreparaturen, Ämtergängen und so weiter. Wir haben uns damit arrangiert und nehmen auch gerne Hilfe an. Das fällt uns nicht schwer, weil Wertschätzung versteht jeder Auslandsmitarbeiter wissen, was ein neustart in einem fremden land praktisch bedeutet: man fühlt sich hilflos wie ein baby und kann nicht kommunizieren. man muss Prioritäten setzen, denn es gibt so viel neues zu lernen. Auch nach jahren spürt man noch Defizite. ein erfahrungsbericht aus Zentralasien. wir auf der anderen Seite mit unseren einheimischen Sprachkenntnissen viel Anerkennung und Wertschätzung bei den Einheimischen erfahren. Fast täglich werden wir deshalb von ihnen gelobt, um nicht zu sagen gefeiert. Wir denken an die vielen Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten in Deutschland angekommen sind. Sie sind, weil sie nicht unsere Sprache sprechen, so unmündig und eingeschränkt, wie wir es zu Anfang hier waren und teilweise immer noch sind. Sie brauchen unsere Hilfe. Die meisten haben so viel verloren. Nicht nur ihre Sprachfähigkeit, nein, auch ihr Zuhause, ihre Familie, ihren Besitz, ihren Beruf, ihren Stolz. Nichts davon können wir ihnen durch unsere Hilfe so einfach zurückgeben. Nichts – außer ihren Stolz. Das tun wir, indem wir sie anerkennen und wertschätzen. Dies sollte vor jeder anderen Art von Hilfe stehen. Denn wenn wir ihnen mit Anerkennung und Wertschätzung begegnen, erleichtern wir es ihnen, unsere Hilfe anzunehmen. Und das kann dazu führen, dass sie auch in anderen Bereichen wie zum Beispiel der Sprache schneller Fortschritte machen und sich somit auch schneller in unserer Gesellschaft und vielleicht sogar in unseren Gemeinden integrieren können. Die Verfasser sind der Redaktion bekannt l InTEGrATIOn KOnKrET >> ZentrAlASien Beim Einkauf auf dem Basar Ein praktischer Tipp: erkundigen Sie sich bei flüchtlingen nach einem rezept aus ihrer Heimat und besorgen Sie (gemeinsam) die Zutaten. laden Sie sie zu sich nach Hause ein. kochen und genießen Sie das Gericht zusammen. So zeigen Sie echtes interesse und der „fremde“ war derjenige, der ihnen etwas weitergeben konnte. Mithelfen: SPEnDEncoDE 1840-32 Zentralasien Foto: JoAchIM KLEEMAnn

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