MISSION weltweit – Ausgaben 2016

miSSion weltweit 7–8/2016 11 DeutSCHlAnD DArum GeHt’S Schwäche zugeben, Schuld bekennen und über Versagen sprechen sollte an Bedeutung gewinnen in einer christlich geprägten Gemeindekultur. Denn da, wo ein frommes Image irgendwie die Voraussetzung für das Zugehörigkeitsgefühl geworden ist, wissen Menschen manchmal nicht wohin mit der eigenen Schwachheit. In einer heilen Welt fühlt sich ein verwundeter Mensch vielleicht fehl am Platz. Wer also in einer traditionellen Gemeinde öffentlich mit gebrochenem Herzen von seiner Schuld spricht, öffnet möglicherweise eine verschlossene Tür zu mehr Authentizität – zu Echtheit und Glaubwürdigkeit. In meiner Arbeit in der Gemeindegründung „Oase“ sieht es dagegen ganz anders aus. Im Reitbahnviertel erlebe ich eine „Leidens“-Gemeinschaft, in der das Scheitern meistens zum Alltag gehört. Hier wird sowieso nicht alles so ernst genommen. Hier gibt es keine großen Ziele, auch keine allgemeinen moralischen Regeln. Schwachheit und Zerbruch sind die Norm. Menschen mit einer gesunden Integrität und mit einem Ehrgeiz, ihr Leben formen zu wollen, sind Ausnahmen. Das gemeinsame Schicksal führt Menschen zusammen. Leidensgenossen können sich leicht annehmen, weil sie sehr gut mitfühlen können. Wenn sich die Leute aus dem Viertel treffen, ist es sehr unkompliziert. Durch die ähnlichen Auseinandersetzungen mit Ämtern, Geldnot und Arbeitslosigkeit verbrüdern sich die Reitbahnviertler. Das hat Sinn, so kann Stadtteilarbeit funktionieren. Aber für eine Gemeindegründung kann diese Art von Verbrüderungsprozess nur ein Anfang sein. Wir brauchen im Reitbahnviertel eine Gemeinde, die mehr ist als eine Gemeinschaft der Unheiligen. Wir brauchen einen Ort des Glaubens und des Weiterkämpfens. Die Oase muss ein Ort sein, wo Menschen ermutigt und angefeuert werden, auch wenn es gerade hart ist. Wir schaffen es bisher sehr gut, dass sich alle Menschentypen bei uns in der Oase wohlfühlen. Ein liebevoller Umgang mit menschlicher Schwachheit fällt mir persönlich viel leichter, als für wirklich heikle Themen klare Worte zu finden. Aber gerade das ist jetzt unsere Herausforderung als Gemeinde im Plattenbaugebiet. Erst wenn die Leute gerne zu uns kommen und auch wissen, dass sie bei uns erfahren, wie Gott die Dinge sieht, leben wir Gemeinde. Diese Art von Konfrontation ist nicht arrogant, sondern bedeutet, in der Familie Gottes zu sein. Es ist nicht mehr jeder nur für sich selbst verantwortlich, frei nach dem Motto: „Jeder muss selbst sehen, wie er glücklich wird.“ Im gemeinsamen Leben mit Gott will ich mit all meinen Geschwistern den Siegeskranz erringen! Dazu gehört neben Trost auch Korrektur. Ich will Leute anfeuern! Dann wird nicht das gemeinsame Versagen, sondern der Weg und das Ziel – Jesus – uns verbinden. Und das wird jeden Einzelnen und die Gemeinschaft wirklich stark machen. Aaron Köpke l Aaron und Ilonka Köpke leben mit ihrem Sohn in neubrandenburg. mit dem team der „oase im reitbahnviertel“ gründen sie eine Gemeinde mit leuten aus dem Viertel für das Viertel. Aaron ist seit 2012 Sozialarbeiter in der oase. ilonka ist krankenschwester. In einer heilen Welt fühlt sich ein verwundeter Mensch vielleicht fehl am Platz. Arbeitslose im reitbahnviertel werden immer wieder plötzlich in 1-eurojobs oder Weiterbildungen vermittelt. Durch die Abhängigkeit vom jobcenter fühlen sie sich oft fremdbestimmt, als würden sie schicksalhaft und ohne Sinn mal hier, mal dort in bewegung gehalten. Das jobcenter nennt es tagesstrukturierung und isolationsverhinderung. Siegertypen im Plattenbau „jesus, zu dir kann ich so kommen, wie ich bin.“ Das ist ein gutes lied, wenn man will, dass sich leute von Gott angenommen fühlen. Aber seien wir ehrlich: Wenn wir jesus erst einmal kennengelernt haben, werden wir nicht mehr die Alten sein. Plattenbau in Neubrandenburg Mithelfen: SPEnDEncoDE 164-32 Deutschland FotoS: AAron KÖPKE, JAKoB rEGIn

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