19 das empfehlen Wir mission weltweit 3–4/2021 WEItErDEnkEn >> sonderbeitrag Zum thema von prof. dr. ulrich gi seKus geht, wenn man zur Mehrheitsgesellschaft gehört. Rassismus ist dann gefühlt nicht der eigene Rassismus und abstoßend, sondern irgendwo weit weg. Mississippi, Südafrika, vielleicht noch Hoyerswerda – auf jeden Fall nicht bei uns. – Irrtum! kurios, lästig, respektlos … Seit 1988 sind wir Eltern von zwei Afrikanerinnen, unseren Adoptivkindern. Sie waren sechs Monate alt, als sie nach dem Tod der Mutter zu uns kamen. Das Leben mit schwarzen Töchtern ist eine neue Erfahrung. Gut gemeinte Herablassungen wie die der älteren fremden Dame, die den beiden „armen Negerle“ ein Eis kaufen wollte. Oder der ungefragte Griff in die krausen Locken. Blöd, aber nicht tragisch. Die Nachbarn ein paar Straßen weiter, die mit ihren Kindern an der Tür klingelten, um die „Mohrle“ zu sehen. Kuriositätenkabinett. Oder die Leute, die von beiden immer als „Schokoriegel“ redeten. … und ständig die gleichen Fragen „Wo kommst du her?“ (Aus Freudenstadt.) „Nein, ich meine, wo kommst du wirklich her?“ (Aus Freudenstadt im Schwarzwald.) – „Du sprichst aber gut Deutsch.“ (Ist ja auch meine Muttersprache!) – „Brauchst du auch Sonnencreme?“ (Ja, auch Schwarze kriegen Sonnenbrand.). Das ist wie bei dem Mann, der einer Schwangeren ungefragt den Bauch tätschelt: lästig und respektlos, aber nicht bösartig. Dabei bleibt es aber nicht. Viele Kommentare sind sehr verächtlich und böse. Wie das Gezischel: „Das haben alles wir bezahlt!“, mit dem Zeigefinger auf das neue Skateboard. Und eine Tochter, die das gar nicht versteht und perplex antwortet: „Nein, das habe ich von meinen Eltern zu Weihnachten gekriegt.“ Als eine unserer Zwillinge, damals 15, von einem zivilen Polizisten angezeigt wurde, weil sie eine Margeritenblüte (!) aus einem städtischen Blumenkübel abgeknipst hatte, um sie ihrer Freundin ins Knopfloch zu stecken, wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie gefährlich eine dunkle Hautfarbe sein kann. Ein paar Tage später erhielten wir vom Bauhof der Stadt eine Rechnung über 150 Euro für die Neubepflanzung eines Blumenkübels. Mein Foto der besagten Margeritenstaude zeigte, dass die Pflanze fröhlich weiterlebte und keine Neubepflanzung stattgefunden hatte. Eine E-Mail, dass ich meinerseits wegen dieser falschen Rechnung Anzeige wegen Betrugs erstatten würde, führte dazu, dass ein sofortiger Rückruf vom Bauhof erfolgte: Es „handele sich um einen bedauernswerten Irrtum, und es wäre kein Schaden entstanden“. Leider noch nicht das Ende der Geschichte Die Anzeige wegen Sachbeschädigung lag aber schon bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Rottweil. Also erhielt unsere Tochter eine Vorladung für eine Gerichtsverhandlung. Der Richter brauchte nur einen Blick in die Unterlagen zu werfen, um die Lage zu erkennen. Ein Satz zum Staatsanwalt: „Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft zustimmt, dass wir den Fall schließen; es gibt keine Straftat und keinen Schaden; die Kosten des Verfahrens trägt der Staat.“ Ich glaube, dass die große Mehrheit der Polizei korrekt handelt – aber einer von hundert reicht aus, dass Minderheiten diese gefährlichen Begegnungen haben und daraus ihr Bild machen. Vertrauen kommt immer langsam zu Fuß und reitet im Galopp davon. Für die betroffenen Minderheiten ist im Einzelfall nicht nachvollziehbar, ob sie aufgrund ihres Aussehens drangsaliert – oder gerecht und wie alle anderen behandelt wurden. Nicht nur von der Polizei, auch auf Ämtern, von Vermietern und anderen. Ich wurde noch nie auf der Straße kontrolliert, unsere Töchter dagegen ständig. Gesunde Abgrenzung, berechtigter Ekel, Selbstschutz Jeder Mensch braucht ein Immunsystem. Das hat die Aufgabe, fremde und eigene DNA zu unterscheiden und die fremde auszumerzen. Ohne diesen Schutz können wir nicht lange überleben. Neben Bakterien und Viren gibt es auch andere Bedrohungen für unsere Gesundheit, auf die wir mit Ekel reagieren. Die Beeren der Eberesche oder Maiglöckchen dürfen uns nicht schmecken. Dass in einem bestimmten Alter – wenn Kinder groß genug sind, um sich Sachen in den Mund zu stecken, aber zu klein, um die Gefahren zu erkennen – alle Bitterstoffe eine Aversion auslösen können, führt zum Konflikt auch über den Brokkoli, der auf dem Teller bleibt. Was Abscheu auslöst Fäkalien und Erbrochenes enthalten gefährliche Keime und Parasiten. Blut und offene Wunden lösen einen angestammten Reflex aus: Wo jemand verletzt wurde, ist es auch für mich nicht sicher – schnell weg hier. Im sozialen Kontext gibt es Signale, die Feindschaft signalisieren und uns zur Flucht oder zum Kampf auffordern. Verbal und nonverbal. Eine Provokation aus heiterem Himmel: „Ey, was ist dein Problem? Was guckst du?“ – Da ist es gut, wenn der Alarm funktioniert. Auch gesellschaftliche Normen, Ethik und Moral kennen Abscheu und Ekel. Handlungen im Zusammenhang von Gewalt und Sexualität können anwidern. Kindesmissbrauch, Frauenverachtung usw. lösen zu Recht eine emotionale Gegenreaktion aus – auch bei den unbeteiligten Beobachtern. Diese Aversionen dienen manchmal dem Schutz der Schwachen – der Opfer und potenziellen Opfer. Alle diversen sexuellen Verhaltensweisen können ebenfalls heftige Gegenreaktionen auslösen, auch wenn sie im gesetzlichen Rahmen stattfinden und teilweise gesellschaftlich akzeptiert sein mögen. Bissiger Spott, Beschämung, Verachtung, Mobbing, Hass und Gewaltanwendung sind – je nach kulturellem Hintergrund – an der Tagesordnung. Auch Hass und Hassrede ist Sünde Über viele Nuancen der Sexualethik kann man unterschiedliche Auffassungen haben; klar ist, dass der Sexualtrieb eine starke Kraft ist, die auch zerstören kann. Sexualität kann egozentrisch, ausbeutend, lieblos sein. Da ist zweifellos Raum für Sünde. Doch auch Hass und Hassrede ist immer Sünde und wird niemals vor dem Wort Gottes bestehen. In der hässlichen Verachtung zeigt christus nimmt den schmerz, das leid und die schuld – alles ekelhafte – auf sich und macht sich solidarisch mit den Verachteten. damit wird die Missachtung von Menschen zur Missachtung gottes. Foto:
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