franKreich darum geht’s 9 mission weltweit 3–4/2021 ein, in seiner Wohnung einen Tee zu trinken. Er wollte uns nicht einfach so weiterfahren lassen. Die große Gastfreundschaft, die mein Teamkollege Jean-Jaques und ich dann in der nächsten Stunde erlebten, berührte unser Herz. Wir kamen in eine saubere, geschmackvoll eingerichtete Wohnung. Wie es ihm mit „Corona“ aktuell ergeht, wollten wir wissen. Er erzählte uns, dass er über sein Leben nachgedacht hätte. Gesundheitliche Beschwerden aufgrund seines Lebensstils würden zunehmen, und er sei kürzlich 50 Jahre alt geworden (ich hätte ihn auf 35 geschätzt). Deshalb habe er beschlossen, die Straße zu verlassen und einen „richtigen Job“ zu suchen! Weiter erzählte er, wie gut es ihm tue, zu beten. Als gläubiger Muslim tut er das fünfmal am Tag. Nichtsdestotrotz ließ er am Ende unseres Besuchs für sich „im Namen von Jesus Christus“ beten. Wie es manchmal meine Gewohnheit ist, öffnete ich dabei die Hände. Ali bemerkte es und imitierte diese empfangende Geste. Er meinte, die geöffneten Hände helfen ihm, sich bewusst zu werden, dass wir vor Gott Empfangende sind. „Wer bittet, dem wird gegeben“, zitierte ich ergänzend dazu aus der Bibel. Das ist Gemeinde! So stelle ich mir unsere zukünftige Gemeinde in Montpellier vor: Eine Gemeinde, in der JEDER willkommen ist. Eine Gemeinde, in der Gastfreundschaft groß geschrieben wird. Eine Gemeinde, in der Christen ohne Berührungsängste wem auch immer die Hand reichen. Und ein Stück der verändernden Freiheit (vor-)leben, die nur Jesus Christus schenken kann. Vielleicht sind wir in einer sehr homogenen Gemeinde aufgewachsen. Einer, die sich selbst genug ist. Oder in der so viele andere (wichtige?) Dinge anstehen. In solch einer Gruppe fühlt man sich sicher. Die Welt „da draußen“ scheint weit weg; und noch dazu geht es mit dieser ja immer mehr bergab ... Da ist es einfacher, unter seinesgleichen zu bleiben. Täglich versuche ich, mich diesem gemütlichen „Sofa-Christentum“ zu widersetzen, meinen inneren Schweinehund zu überwinden und mich an Jesus zu orientieren: Er hat seine Komfortzone verlassen. Er ist MENSCH geworden. Er ist zu denen gegangen, die am Rand der Gesellschaft standen, mit denen keiner etwas zu tun haben wollte. Beispiele kennt ihr, die muss ich hier nicht aufzählen. Die Frohe Botschaft gilt auch diesen Menschen! Lasst uns unsere (gemeindliche?) Komfortzone verlassen und für die Menschen am Rand der Gesellschaft da sein, zu denen auch Jesus gegangen ist. Nicht als der „fromme Christ“, der jeden Tag eine gute Tat vollbringt, um sein Gewissen zu beruhigen. Sondern als jemand, der – entfacht durch Jesu Liebe und Leidenschaft – denen bedingungslos dient, um die man lieber einen großen Bogen machen würde. Für wen lässt Jesus dein Herz höher schlagen? Claudia Bolanz l Zu gast bei ali syMbolbild: brian kyed on unsplash Hope & Joy ist eine initiative, in der sich christen aus unterschiedlichen gemeinden in montpellier für prostituierte engagieren. Foto: claudia bolanz
RkJQdWJsaXNoZXIy Mzg4OTA=