MISSION weltweit – Ausgaben 2018

Martin, während Deiner Zeit als Missionar in Taiwan nahm Dir 2001 ein Autofahrer die Vorfahrt. Seither sitzt Du im Rollstuhl. Statt künftig in China eine Arbeit mit schwerhörigen Kindern aufzubauen, fliegst Du querschnittsgelähmt mit Frau und fünf Kindern zurück nach Deutschland. Bist Du wütend auf Gott? Nein. Und warum nicht? Weil ich unter anderem Trost fand in den Psalmen. Da erkannte ich: Ich darf Gott „vollklagen“ und alle meine Fragen nach dem „Warum?“ stellen. Mich tröstet, dass Gott mich schon immer gekannt und gesehen hat: Wenn Gott so etwas zulässt, dann vertraue ich darauf, dass er mitgeht und es zu seinem Plan gehört. Ein Leben im Rollstuhl kann vielleicht sogar reicher sein als auf zwei Beinen. Ich half mit, den Hilfsbund Global Team aufzubauen, der in China ein Patenschaftsprojekt für hörbehinderte Kinder betreibt und Gehörlose ausbildet. Danach konnte ich bis 2017 als Missionsreferent bei der Liebenzeller Mission weiterarbeiten. Glaubst Du, dass Gott Dich noch heilen kann? Betest Du noch darum? Auch nach fast 17 Jahren bete ich noch um Heilung – aber ich frage mich: Muss es immer dieses großes Wunder sein? Nach meinem Unfall habe ich so viele Wunder erlebt: So hatte mir zwei Jahre vor dem Unfall ein Freund dringend zu einer Unfallversicherung geraten. Dank dieser konnten wir uns ein behindertengerechtes Haus bauen lassen. Die Berufsgenossenschaft stellt mir die besten Rollstühle zur Verfügung, und ich erhalte 80 Prozent meines letzten Gehaltes als Rente. Was sagst Du Menschen mit Behinderung, die nicht so viel Glück hatten? Ich ermutige sie, kleine Schritte zu lernen und nicht zu erwarten, dass Gott heilen muss. Egal, was kommt: Lass dich ganz auf Gott ein und stelle dich der Situation mit seiner Hilfe. Gott kann auch durch schwere Zeiten führen. Christen sollten andere nicht mit Worten, sondern mit Taten begleiten. Am meisten half mir ein Mit-Christ, der kein Wort sagte, sondern einfach meine Hand hielt und mich reden ließ. Er sagte nicht: „Du musst Gott vertrauen.“ Das musste ich selbst erleben. Seit 2013 gehörst Du als erster Rollstuhlfahrer der württembergischen Landessynode an. Warum engagierst Du Dich im Kirchenparlament? Ich bin in der württembergischen Kirche zum Glauben gekommen. Sie ist immer noch meine geistliche Heimat. Ich möchte, dass Menschen heute noch in unserer Landeskirche das Evangelium von Jesus Christus hören. Als Pietist möchte ich hier meinen Glauben leben und weitersagen. Darum gestalte ich gerne in der Landessynode die Kirche in Württemberg mit. Du bist auch im Diakonieausschuss der württembergischen Synode tätig. Setzen sich die christlichen Gemeinden zu wenig für Menschen mit Behinderung ein? Ich weiß, dass sich viele einsetzen und versuchen, die Gottesdienste und Veranstaltungen barrierefrei zu gestalten. Aber es gibt noch so viele Gemeinden und Orte, wo an der Barrierefreiheit gespart wird, wenn es ums Geld geht. Das kann und darf nicht sein. Darum war ich auch an der Entwicklung des „Aktionsplan Inklusion leben“ in der württembergischen Landeskirche und ihrer Diakonie beteiligt. Martin Wurster wird 1963 geboren und wächst mit sieben Geschwistern in einem christlichen Elternhaus auf. 1977 findet er zum lebendigen Glauben und entschließt sich nach einem Gespräch mit einem befreundeten Theologiestudenten, Missionar zu werden. Nach der Ausbildung am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission reist er nach Taiwan und erlebt ein „Sprachenwunder“: Er lernt in zwei Jahren Taiwanisch, später sogar noch Mandarin – und das, obwohl er aufgrund schlechter Deutsch- und Englischnoten vom Gymnasium geflogen war. 14 Jahre lang ist Martin mit seiner Frau Ulrike in Taiwan unter anderem als Pastor und Leiter einer Jugendorganisation tätig. Das Ehepaar bekommt fünf Kinder. Martin Wurster gehört seit 2013 der württembergischen Landessynode an und ist begeisterter Bogenschütze. Seit diesem Jahr arbeitet er als Kirchenpfleger bei der Verbundkirchengemeinde Schömberg-OberlengenhardtLangenbrand. …Martin Wurster? Was macht eigen tlich ... FOTO: ELKE PFROMMER Die Fragen stellte Claudius Schillinger Mehr im Film „Martin Wurster – durchkreuzte Pläne“: www.liebenzell.tv/340

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