Mission 120 Jahre in Liebenzell

BAD LIEBENZELL. Eine unge­wöhn­li­che Pro­zes­si­on beweg­te sich am Sams­tag, 5. April 1902, den Non­nen­bu­ckel, dem heu­ti­gen Mis­si­ons­berg, in Bad Lie­ben­zell hin­auf: Pfar­rer Hein­rich Coer­per, der Lei­ter des deut­schen Zwei­ges der „Chi­na-Inland-Mis­si­on“, sie­del­te mit sei­ner Fami­lie sowie sechs Mis­si­ons­kan­di­da­ten und vier Dia­ko­nis­sen von der Welt­stadt Ham­burg ins idyl­li­sche Schwarz­wald­städt­chen Bad Lie­ben­zell über. Denn der bis­he­ri­ge Sitz der 1899 gegrün­de­ten Mis­si­ons­ge­sell­schaft wur­de über­ra­schend gekün­digt und muss­te dem Bau einer Durch­gangs­stra­ße weichen.

Bei der Suche nach einer neu­en Blei­be kam Coer­per mit der Dia­ko­nis­se Lina Stahl in Kon­takt, die in der Schlay­er­burg in Bad Lie­ben­zell wohn­te. Sie kann­ten sich aus Straß­burg, als der Theo­lo­ge Pfar­rer der dor­ti­gen Dia­ko­nis­sen­schaft war. Die Dia­ko­nis­se bete­te seit über elf Jah­ren dafür, dass sich eine Mis­si­ons­ge­sell­schaft auf dem Berg ansie­delt und emp­fahl ihm die frei­ge­wor­de­ne „Vil­la Lio­ba“. Die­ses vier Jah­re zuvor errich­te­te Gebäu­de soll­te ursprüng­lich eine Sil­ber­wa­ren­fa­brik wer­den. Doch bei der Grund­stein­le­gung des gro­ßen Schorn­steins stopp­ten die Behör­den völ­lig über­ra­schend den Bau. In dem auf­stre­ben­den Kur­ort durf­te kei­ne Fabrik ent­ste­hen. Die Bau­rui­ne kauf­te Kom­mer­zi­al­rat Voll­möl­ler aus Stutt­gart-Vai­hin­gen, um sie als Land­sitz für sei­ne krän­keln­de Frau aus­zu­bau­en. Als sie nach zwei Jah­ren plötz­lich starb, woll­te er nicht län­ger in Lie­ben­zell woh­nen. Er ver­mie­te­te dar­auf­hin das Haus. Als Lina Stahl hör­te, dass Woh­nun­gen frei wur­den, infor­mier­te sie Coer­per. Die wohl­ha­ben­de und kin­der­lo­se Hil­da von Diest, deren Mann als Gene­ral dem Gene­ral­stab des deut­schen Reichs­hee­res ange­hör­te, erklär­te sich bereit, den Groß­teil der Jah­res­mie­te zu über­neh­men. Die­se kann­te Coer­per eben­falls aus Straß­burg und bezeich­ne­te ihn als ihren „geist­li­chen Vater“. Spä­ter kauf­te sie den gan­zen Berg mit allen dama­li­gen Gebäu­den und über­ließ alles miet­frei der Mis­si­on – Bedin­gung: Es soll­ten hier künf­tig Men­schen für die welt­wei­te Mis­si­ons­ar­beit aus­ge­bil­det werden.

Beim Ein­zug an die­sem Früh­lings­sams­tag spiel­ten die Lie­ben­zel­ler Stadt­mu­si­kan­ten vom Turm der Schlay­er­burg das Lied: „Der Pil­ger aus der Fer­ne zieht sei­ner Hei­mat zu“. Der Umzug war müh­sam, die Möbel­wa­gen konn­ten nur bis zum Ende der schma­len Stra­ße fah­ren. Von dort muss­te alles Umzugs­gut über einen Gras­weg die Anhö­he zur „Vil­la Lio­ba“ hin­auf­ge­schleppt werden.

Nun hat­te die Mis­si­ons­ge­sell­schaft ihren neu­en Sitz gefun­den. Die Vil­la wur­de unter ande­rem auch als Woh­nung für Fami­lie Coer­per, für Schwes­tern, als Küche, Wasch­kü­che und Bügel­stu­be genutzt. Dass der Theo­lo­ge und sei­ne Mit­ar­bei­ter sich rasch im Schwarz­wald wohl fühl­te, zeig­te sich auch dar­an, dass 1906 der deut­sche Zweig der „Chi­na-Inland-Mis­si­on“ in „Lie­ben­zel­ler Mis­si­on“ umbe­nannt wurde.

Heu­te ist die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on mit rund 250 Mis­sio­na­rin­nen und Mis­sio­na­ren in etwa 20 Län­dern tätig. Die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter grün­den christ­li­che Gemein­den, bil­den aus, sind in sozia­len Pro­jek­ten aktiv und hel­fen in aku­ten Not­la­gen. Als frei­es Mis­si­ons­werk inner­halb der Evan­ge­li­schen Lan­des­kir­che in Würt­tem­berg finan­ziert sie die­se Arbeit größ­ten­teils durch Spen­den. Welt­weit arbei­tet die Mis­si­ons­ge­sell­schaft über­kon­fes­sio­nell mit mehr als 60 Kir­chen und Orga­ni­sa­tio­nen zusam­men. Bewusst ach­tet es auf eine nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung der Projekte.
Welt­mis­si­on und Bil­dung gehö­ren zudem seit jeher zusam­men: Die Inter­na­tio­na­le Hoch­schu­le Lie­ben­zell und die Inter­kul­tu­rel­le Theo­lo­gi­sche Aka­de­mie bil­den zur­zeit rund 300 Stu­die­ren­de aus – für Mis­si­on, Gemein­de und sozia­le Diens­te in aller Welt. Mit dem impact-Pro­gramm kön­nen jun­ge Men­schen welt­wei­te Kurz­ein­sät­ze und Frei­wil­li­gen­diens­te absol­vie­ren. Zur Lie­ben­zel­ler Mis­si­on gehört auch die Schwes­tern­schaft – eine Lebens- und Dienst­ge­mein­schaft. Die meis­ten der 93 Mis­si­ons­schwes­tern leben zwar im Ruhe­stand, set­zen sich aber immer noch mit gan­zem Her­zen für die Mis­si­on ein. Eben­falls gehö­ren die Christ­li­chen Gäs­te­häu­ser Mon­bach­tal zur Lie­ben­zel­ler Mis­si­on sowie die Lie­ben­zel­ler Mis­si­on Frei­zei­ten & Rei­sen, einer der größ­ten christ­li­chen Ver­an­stal­ter von Grup­pen­rei­sen und Frei­zei­ten in rund 40 Län­dern. Jedes Jahr kom­men außer­dem Tau­sen­de nach Bad Lie­ben­zell zu Mis­si­ons­fes­ten, Kon­gres­sen, Kin­der- und Jugend­ver­an­stal­tun­gen oder ver­fol­gen die Ver­an­stal­tun­gen im Livestream.

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