„Burundier haben eine große Feinheit für Zwischentöne“

Seit Som­mer 2019 ist Ange­li­ka Süss­koch in Burun­di tätig. Sie arbei­tet in der eng­lisch­spra­chi­gen inter­na­tio­na­len Gemein­de in Bujum­bu­ra (Chris­ti­an Life Minis­tries) mit. Wir haben sie nach ihren Ein­drü­cken befragt.

Ange­li­ka, auch dein Ein­satz ist stark von Coro­na über­schat­tet. Wie sehr bestimmt die Pan­de­mie Burundi?
Wenn man bei uns Coro­na hat, spricht man wenig dar­über – ten­den­zi­ell wird eher dar­über geschwie­gen. Ein Aspekt ist Scham, weil die­se Erkran­kung als Makel emp­fun­den wer­den kann. Des­halb erzäh­len auch vie­le nicht, wenn sie eine Coro­na-Infek­ti­on über­stan­den haben. Ich neh­me wahr, dass die Burun­dier weni­ger Angst haben vor der Infek­ti­on als vor den wirt­schaft­li­chen Fol­gen. Dass die Gren­zen geschlos­sen sind, spü­ren vie­le. Die ärzt­li­che Ver­sor­gung sieht auch ganz anders aus. Hier gibt es so gut wie kei­ne Beatmungs­mög­lich­kei­ten im Gegen­satz zu Deutsch­land. Aber die Men­schen tra­gen immer mehr Mas­ken, auch wenn der Pro­zent­satz rela­tiv gering ist. Es gibt in bestimm­ten Stadt­tei­len ein­fach wenig Mög­lich­kei­ten, den nöti­gen Min­dest­ab­stand ein­zu­hal­ten. Mich trös­tet über allem der Bibel­vers aus Römer 14,8: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; ster­ben wir, so ster­ben wir dem Herrn. Dar­um: wir leben oder ster­ben, so sind wir des Herrn.“ Ich habe kei­ne Grund­angst. Natür­lich ist man sen­si­bel, wenn man Grip­pe­sym­pto­me hat. Aller­dings fra­ge ich mich, ob die Anste­ckungs­mög­lich­kei­ten bei einem Coro­na-Test hier auf­grund von beeng­ten Situa­tio­nen an der Test­sta­ti­on nicht höher ist.

Was bil­det der Schwer­punkt dei­ner Arbeit?
In Bezie­hun­gen leben, das ist das Kern­stück mei­ner Arbeit. Dabei ermu­ti­ge ich Men­schen bei­spiels­wei­se, ihre Res­sour­cen zu ent­de­cken. Aller­dings ver­ste­hen vie­le unter Res­sour­cen aus­schließ­lich Geld: Wie kann ich mein eige­nes Geschäft auf­bau­en, wie kann ich zu Wohl­stand kom­men? Mir geht es aber dar­um, dass die Men­schen ihre von Gott geschenk­ten Gaben ent­de­cken. Also zu ent­de­cken, was jemand kann – unab­hän­gig davon, ob jemand viel Geld hat. Im klei­nen Team haben wir uns zum Bei­spiel getrof­fen, um die Burun­dier zu unter­stüt­zen, wie sie ihre eige­ne Geschäfts­idee wei­ter­ver­fol­gen oder ein Sti­pen­di­um erhal­ten kön­nen. In allem ermu­ti­ge ich sie immer wie­der, Gott zuerst zu suchen. Außer­dem tref­fe ich mich mit Burun­di­ern, um über die geist­li­chen Gaben zu sprechen.

Wel­che Erfah­run­gen hast du bis­lang per­sön­lich mit Gott in Burun­di gemacht? 
Ich rede immer wie­der mit Gott, dass er mir zeigt, wen ich auf ihn anspre­chen kann. Und ich erle­be, wie Gott mich mit Men­schen zusam­men­führt. So habe ich ein­mal einen Jog­ger ange­spro­chen, weil ich den Ein­druck hat­te, ich soll­te mit ihm über Gott reden. Und er war tat­säch­lich am Evan­ge­li­um inter­es­siert und hat sich kurz dar­auf für Jesus ent­schie­den. Ich bin fest davon über­zeugt, dass Gott uns viel mehr in Bezie­hun­gen stellt, damit wir Men­schen mit Jesus bekannt machen. Dabei geht es nicht dar­um, Bezie­hun­gen unter dem Nütz­lich­keits­aspekt zu sehen.

Über was warst du am meis­ten überrascht?
Hier gibt es sehr vie­le „Zwi­schen­kul­tu­ren“. Es spielt eine gro­ße Rol­le, wo jemand wohnt: Auf dem Land, in der Groß­stadt, wel­che Kir­che er besucht. Und ich bin über­rascht, wie aus­ge­prägt das Hier­ar­chie­den­ken ist. Das lehrt mich viel über Stolz und Demut. Die Burun­dier in der Stadt ach­ten auch stark auf das Äuße­re, also, was man sieht, wie jemand geklei­det ist. Und oft sehen die Men­schen sehr schick aus – und haben viel­leicht doch den gan­zen Tag nichts zu essen gehabt.

Was wür­dest du aus Burun­di ger­ne nach Deutsch­land übernehmen?
Das sind ver­schie­de­ne Din­ge: Ich mag ihre fei­ne Art. Dadurch kön­nen sie sehr schnell wahr­neh­men, wie es dir geht und wel­che Atmo­sphä­re herrscht. Burun­dier haben eine gro­ße Fein­heit für Zwi­schen­tö­ne. Auch wird hier anders getrau­ert: In einem Trau­er­fall wur­de ein Zelt im Gar­ten auf­ge­stellt und etwa eine Woche kamen an jedem Abend Men­schen zur Fami­lie, waren ein­fach da, haben sich unter­hal­ten und Anbe­tungs­lie­der gesun­gen. So möch­te ich auch ein­mal mei­ne Beer­di­gung haben. Sich rich­tig zu begrü­ßen, ist hier wich­tig. Burun­dier freu­en sich rie­sig, wenn du ihnen „rich­tig“ auf Kirun­di ant­wor­test. Mit der Begrü­ßung brin­gen sie Wert­schät­zung und Wahr­neh­mung des ande­ren zum Aus­druck. Im Wes­ten ver­las­sen wir uns zudem sehr stark auf uns selbst. Manch­mal habe ich den Ein­druck, dass wir Gott nicht mehr suchen. Wir suchen unse­re Sicher­hei­ten woanders.

Was ist eine der Her­aus­for­de­run­gen, vor denen die Chris­ten in Burun­di stehen?
Vie­le Chris­ten gehen sonn­tags in den Got­tes­dienst, aber das hat kei­ne Rele­vanz für den All­tag. Sie glau­ben zwar an Gott, leben den Glau­ben aber nicht. Ein­üben und bibel­fun­dier­te Leh­re sind sehr wich­tig. Die gro­ße Fra­ge bleibt jedoch: Wie bekom­me ich das Gehör­te in der Woche gelebt?

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