MISSION weltweit – Ausgaben 2026

MISSION weltweit 1/2026 SAMBIA 11 ZUM THEMA FOTO: MARGIT SCHWEMMLE Nach dem Gespräch fing für mich das Gedankenkarussell an. Wie hatte das passieren können? Sie war eine gute Schülerin, ich hatte mich regelmäßig mit ihr zu Gesprächen getroffen und hatte den Eindruck, dass sie mir vertraute. Warum hatte sie nichts gesagt? Und sollten wir ihr ermöglichen, nach der Geburt des Kindes weiterzustudieren? Was für ein Vorbild konnte sie für andere sein? Es ging ja nicht nur um sie, sondern auch um unseren Ruf als christliche Ausbildungsstätte. Klar war, dass sie mit sofortiger Wirkung vom Unterricht befreit war. Ob es einen Neuanfang geben konnte, wollten wir später entscheiden. Mich beschäftigte die Situation weiter und ich suchte das Gespräch mit Jessica. Sie erklärte mir, dass sie an ihrem Geburtstag mit ihrem Freund unterwegs gewesen sei. Eins habe zum anderen geführt und es sei „einfach passiert“. Sie versicherte mir, sie würde den Vater des Kindes ja auch heiraten. Nach einigen Gesprächen mit ihr, ihrer Kirchengemeinde und der Familie beschlossen wir: Wir wollten Jessica einen Neuanfang nach der Geburt ihres Kindes ermöglichen. Sie würde das Studium wieder aufnehmen können. In ihrer Gemeinde erlebte sie Vergebung und bekam die Unterstützung, die sie brauchte. Zurück kommt eine andere Als Jessica nach über einem Jahr wieder im Unterricht saß, hatten wir eine andere junge Frau vor uns als zuvor. Sie war erwachsener geworden und an der Verantwortung, für ihre Tochter zu sorgen, gewachsen. Sie hatte erlebt, was es bedeutet, einen Neuanfang wagen zu dürfen. Leicht waren die restlichen zwei Jahre des Studiums nicht. Ihre Mutter kümmerte sich um das Enkelkind. Die kleine Monica* hatte eine Phase, in der sie ihre eigene Mutter nicht als Mama akzeptierte, weil diese kaum zu Hause war. Heute weiß Jessica: Mit Gott ist ein Neuanfang möglich. Er hat ihr deutlich gemacht, was Gnade bedeutet. Ja, sie muss immer noch mit den Folgen der ungewollten Schwangerschaft leben: Der Vater des Kindes hat sie bis heute nicht geheiratet und trägt nur sporadisch zum Unterhalt bei. Meist kümmert sich jemand aus ihrer Familie um die Tochter. Aber Jessica weiß, dass es auch nach einer falschen Entscheidung weitergehen kann. Während ich diese Zeilen schreibe, geht mir ein Lied von Manfred Siebald durch den Kopf. Es trägt den Titel „Die Fliege ist tot“. Im Refrain heißt es: Wie wäre es, wenn Gott so wär wie ich und gleich erschlüg, was ihm missfällt – wer könnte dann dem Tod entfliehn? Er hätte Christus nicht gesandt für mich, für meine Schuld und die der Welt, damit ich leben kann durch ihn, durch ihn. Jessica hat ihre Ausbildung inzwischen abgeschlossen. Seither kümmert sie sich vor allem um junge Frauen, die Ähnliches erlebt haben wie sie. Das ist möglich, weil Gott seinen Sohn Jesus Christus gesandt hat, damit wir leben können – trotz Schuld und Versagen. Margit Schwemmle Margit Schwemmle ist seit 2014 Dozentin an der Evangelical University (EU) in Ndola und begleitet junge Sambier in ihrer theologischen Ausbildung als Mentorin. Seit Juni 2016 hat sie auch die Studienleitung inne. Nun strebt sie eine Promotion an. Bis Ende 2025 überbrückte sie die Vakanz in der Leitung der EU. Die frühere Finanzbeamtin hat die Bibelschule Brake absolviert und war mit der Liebenzeller Mission in Malawi und in der Pioniermission in Sambia im Einsatz. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/ schwemmle Jessica weiß, dass es auch nach einer falschen Entscheidung weitergehen kann. Der Flammenbaum auf dem Campus in voller Blüte

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