MISSION weltweit – Ausgaben 2026

AUSGABE 5/6 – JULI/AUGUST 2022 www.liebenzell.org Frankreich: Ich schäme mich … nicht! Malawi: Unversöhnte und Unversöhnliche Japan/Deutschland: Sag niemals nie! MISSION WELTWEIT AUSGABE 1/2026 – JANUAR BIS MÄRZ Mit Sonderbeitrag von Gabriel Häsler Alles neu macht … Gott!

2 8 ZUM THEMA 4 Malawi: Unversöhnte und Unversöhnliche Bengt Riedel 6 Japan: Sicher bei Gott – Chihiros Geschichte Sybille Seifert 7 Kanada: Sams zweites Leben Benjamin Schöniger 8 Japan/Deutschland: Tagebuch eines Anfängers Herrmann Stamm 10 Sambia: Studium mit Hindernissen Margit Schwemmle 12 Frankreich: Ich schäme mich … nicht! Michael Eckstein 13 Sambia: HeartShift – Mission auf neuen Wegen Markus Müller 14 Ecuador: Bloß raus aus dem Schlamm! Rainer und Katharina Kröger 16 Japan/Deutschland: Sag niemals nie! Lara Degler EDITORIAL 3 Alles neu! Dave Jarsetz SONDERBEITRAG ZUM THEMA 18 Jesus auf TikTok begegnen Gabriel Häsler WELTMISSION AKTUELL 17 Aufgespießt: Die stille Wiederkehr des Glaubens LIEBENZELLER MISSION AKTUELL 20 Sambia: Wir würden es sofort wieder machen! 25 Bad Liebenzell: Bausteine für Neues 28 Deutschland: Das Geheimnis der Silberwarenfabrik 28 Frankreich: Ohne Zuhause, aber nicht ohne Hoffnung 29 Deutschland: Gott sei Dank für 125 Jahre „Mission weltweit“ IHL/ITA KONKRET 22 Neu im Studium 23 Aktuelles von IHL und ITA PERSÖNLICHES 24 Missionare unterwegs 25 Familiennachrichten Das erwartet mich DAS EMPFEHLEN WIR 21 Termine 2026 zum Vormerken 26 Tipps und Termine 31 Predigten und Vorträge, Medien, Buchtipps 32 TV-Programm 33 Deine Spende hilft Ecuador: Heilung für leidende Frauen 34 Überraschender Aufbruch Interview mit Mareike Mitschele 31 Impressum Schwerpunkte Das tun unsere Missionare weltweit: GEMEINDEN GRÜNDEN MENSCHEN DIENEN PARTNERSCHAFT LEBEN MISSION FÖRDERN 4 7 Eine Quechua-Frau lässt sich taufen (Ecuador) TITELFOTO: RAMONA KRÖGER

MISSION weltweit 1/2026 18 AKTUELLE INFOS O im Internet: www.liebenzell.org O in der wöchentlichen Gebetsmail: www.liebenzell.org/ gebetsanliegen O in der LM-App „Meine Mission“: www.liebenzell.org/app O auf Facebook: facebook.com/liebenzellermission O auf Instagram: instagram.com/liebenzeller.mission SPENDEN Liebenzeller Mission Sparkasse Pforzheim Calw IBAN: DE27 6665 0085 0003 3002 34 BIC: PZHSDE66XXX Die Liebenzeller Mission ist als gemeinnützig anerkannt. Spenden, Schenkungen und Vermächtnisse müssen nicht versteuert werden. Neulich erzählte mir jemand: „Ich wünschte, ich könnte einfach noch einmal neu anfangen – mit mir selbst, mit meinem Leben.“ Diese Sehnsucht kennen viele. Wenn das Alte zu schwer geworden ist, wenn Schuld, Trauer oder Enttäuschung drücken, dann wächst der Wunsch nach einem echten Neuanfang. In der Jahreslosung aus Offenbarung 21,5 spricht Gott selbst: „Siehe, ich mache alles neu!“ Kein frommer Wunsch, keine leere Vertröstung – sondern das Versprechen des Schöpfers, der Leben verwandelt. Johannes sieht in seiner Vision eine neue Welt, in der alles Leid, jede Träne, jeder Schmerz ein Ende hat. Was zerbrochen war, wird geheilt. Was verloren schien, wird wiederhergestellt. Als Jesus auf dieser Erde lebte, zeigte er, wie dieses „Alles-neu-Machen“ aussieht: Er berührte, stellte in Frage, sprach Kritisches an, vergab, heilte, tröstete. Wo er hinkam, begann neues Leben. Und das gilt bis heute. Wer sich ihm öffnet, erlebt, dass Hoffnung wächst – manchmal sichtbar, manchmal leise, mitten im Alltag, mitten im Unvollkommenen. Das Neue, das Gott schenkt, beginnt nicht erst in der Ewigkeit. Es beginnt hier und jetzt – durch Jesus und in Herzen, die sich ihm anvertrauen. Und doch bleibt unsere große Hoffnung auf den Tag, an dem alles vollendet sein wird: kein Schmerz, kein Tod, keine Tränen mehr. Überall auf der Welt erleben Menschen, wie Gott Neues schafft: Emanu in Frankreich findet Heimat, Paula und Jhordan in Ecuador erfahren Vergebung, Chihiro in Japan gibt ihren Glauben weiter, Sam in Kanada widmet sein zweites Leben Jesus, Jessica in Sambia fängt noch einmal an – und die junge Frau im TikTok-Chat wird von Gottes Liebe überwältigt. Davon erzählen unsere Missionarinnen und Missionare in dieser Ausgabe: Geschichten, die berühren, herausfordern und Mut machen. Darum leben wir aus dieser Zusage: Gott macht alles neu – jeden Tag, in jedem Leben, in jedem Herzen, das sich ihm öffnet. Was für ein Ausblick! Lass dich von dieser Hoffnung bewegen – hin zu Menschen, die Gottes Neues noch nicht kennen. Ein neues Jahr, geprägt von dieser Perspektive, wünscht euch Euer Dave Jarsetz, Missionsleiter 3 Alles neu! EDITORIAL Editorial

ZUM THEMA MALAWI 4 FOTOS: JOSEPH KALUZI Für diesen Tag haben wir einen malawischen Redner eingeladen, den wir gut kennen. Er referiert fast zwei Stunden lang. Sein zentrales Anliegen ist die Gnade Gottes. Dass niemand von uns irgendetwas leisten muss für seine Rettung – oder überhaupt kann. Dass Gott uns rettet, weil er uns liebt. Dass er uns vergibt, wenn wir ihn darum bitten. Dass Gott dem verlorenen Schaf nachgeht, auch wenn es für sein Verlorensein selbst verantwortlich ist. Ein Thema, hinter dem sich alle Christen gut versammeln können … oder? In unserer Gruppe ist es normal, dass nach einem Vortrag viele Fragen gestellt werden und es zu einem interessanten Gespräch kommt. Doch an diesem Tag entwickelt sich eine regelrecht hitzige Diskussion. Wie weit geht die Gnade? „Wann ist es denn vorbei mit Gottes Gnade?“ – „Wenn ich zum 20. Mal mit der gleichen Sache komme, wird Gott irgendwann nicht mehr vergeben.“ – „Wir sollten dieses oder jenes Verhalten in unseren Gemeinden nicht akzeptieren. Dafür gibt es keine Gnade.“ – „Wer das macht, kann nicht gerettet werden.“ Alle diese Sätze fallen, werden auch teilweise mit Bibelstellen untermauert und argumentativ vorgebracht. Am nächsten Tag habe ich während einer Autofahrt Gelegenheit, nochmal mit unserem Redner darüber zu sprechen. Wir sind beide noch aufgewühlt von der gestrigen Debatte. Warum fällt es den Kirchenleitern und Pastoren so schwer, Gottes Gnade zu akzeptieren? Ist das nicht eine Botschaft, die gerne angenommen werden sollte? Ist sie nicht heilsam? Ist das nicht die Frohe Botschaft? Warum fällt es den Kirchenleitern und Pastoren so schwer, Gottes Gnade zu akzeptieren? Weihnachten 2024. Im Projekt „Ubwenzi“ findet wie jedes Jahr die Weihnachtsfeier für Pastoren und Kirchenleiter in der Umgebung statt. Wir treffen uns einen Tag lang, hören aus der Bibel, singen, tanzen, beten und feiern gemeinsam. Es ist ein toller Tag, weil wir hier die Einheit der Christen sichtbar machen. „Umodzi wa Atsogoleri“ ist schließlich auch der Name der Gruppe. Das ist Chichewa und bedeutet „Einheit der Leiter“. Bengt im Gespräch mit Pastor Saidi Unversöhnte und Unversöhnliche

MISSION weltweit 1/2026 MALAWI 5 ZUM THEMA Was kann Gnade bewirken? Irgendwann sagt der Redner etwas, das ich nicht mehr vergessen werde: „Viele Pastoren wollen das Evangelium der Gnade nicht verstehen. Viele sind zufrieden mit Werkgerechtigkeit. Wenn sie in ihren Kirchen das Evangelium der Gnade verkündigen würden, verlören sie die Kontrolle über ihre Mitglieder. Sie verlören ihre Macht, wenn sie den Leuten verkündigen würden, dass man zu seiner Rettung nichts beitragen muss und kann.“ Das Evangelium der Gnade wird manchmal aus Angst zurückgehalten. Pastoren haben Angst, dass die Mitarbeit und das Engagement nachlassen und die Moral den Bach runtergeht, wenn die Leute hören, dass sie das alles gar nicht machen müssten, um in den Himmel zu kommen. Auch der Gehorsam gegenüber dem Pastor und der Gottesdienstbesuch würden vielleicht (noch weiter) abnehmen. Wenn ein Pastor seinen Mitgliedern sagt, dass sie aus Gnade und nicht durch ihre guten Werke gerettet werden, verliert er die Kontrolle über sie. Es ist kulturell schwer zu verstehen, dass ein Pastor die Gemeinde nicht beherrschen, sondern durch sein Vorbild leiten soll (1. Petrus 5,3). Ein zweiter Grund, warum Gnade hierzulande nicht besonders groß gedacht werden kann, ist, dass es unter Malawiern ganz selten echte Vergebung und Versöhnung gibt. Dass ein Konflikt mit einer Aussprache endet, ist schon sehr ungewöhnlich. Man tut zwar so, als wäre alles in Ordnung. Doch der Konflikt schwelt weiter. Die Vorwürfe gegen den anderen werden nie wirklich fallen gelassen. Die Schuld wird nicht vergeben, sondern festgehalten – damit hat man etwas gegen den anderen in der Hand. Dass Gott unsere Sünden an Orten versteckt, von denen sie nie wieder hervorgeholt werden können (Micha 7,19) oder dass Gottes Gnade und Treue wie der Himmel über uns kein Ende haben (Psalm 108,5), liegt außerhalb des Denkhorizonts. Es gibt im Leben der Malawier keine Analogie, kein Bild dafür. Wir sind Botschafter der Gnade Gottes Besonders leid tut es mir für die Menschen, die jeden Sonntag in den Gottesdienst gehen und trotzdem selten die Chance haben, das Evangelium zu hören. Statt eines Hirten, der der Herde vorangeht, haben sie oft einen Cowboy, der sie vor sich hertreibt. Statt eines Dieners, der ihnen mit dem Evangelium Trost und Hilfe bringt, haben sie oft einen Herrscher, der von ihnen Gehorsam und Treue verlangt. Wir wünschen uns und arbeiten daran, dass Pastoren, Kirchenleiter, Mitarbeiter und auch Gottesdienstbesucher das Evangelium der Gnade hören und es ihr Denken und Leben verändert. Dann können sie entgegen ihrer Kultur zu Botschaftern dieser Versöhnung werden. Wir glauben, dass das Evangelium das Potenzial hat, Unversöhnte und Unversöhnliche zu verändern. Wir wollen auch selbst als Botschafter dafür einstehen. Indem wir vergeben, wenn Leute an uns schuldig geworden sind, so wie Gott uns vergeben hat. Und indem wir um Vergebung bitten, wo wir Fehler machen. Du kannst uns mit deinem Gebet bei dieser Aufgabe unterstützen. Bengt Riedel Bengt und Eileen Riedel leben seit März 2021 in Malawi. Im Dorfentwicklungsprojekt „Ubwenzi“ begleiten sie Pastoren und fördern Mitarbeiter. Daneben leitet Eileen mehrmonatige impact-Einsätze und ist in der Jugendarbeit aktiv. Bengt ist studierter Theologe (IHL), Eileen hat die ITA absolviert. Gemeinsam wollen sie andere zu Jesus rufen und ihnen helfen, ihre Berufung zu leben. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/riedel Viele sind zufrieden mit Werkgerechtigkeit. Das Dorfentwicklungsprojekt „Ubwenzi“ liegt in Chilonga, einem abgelegenen Gebiet südwestlich des Malawisees mit 13 Dörfern, in denen rund 10 000 Menschen leben. Zum Projekt gehören ein Kindergarten, eine Grund- und Hauptschule und geistliche Angebote wie Kinderclubs, Programme für Jugendliche, Gemeindeleiterschulungen und übergemeindliche Treffen. Auch die Trinkwasserversorgung der Dörfer wurde in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. „Ubwenzi“ bedeutet in der Sprache Chichewa „Freundschaft“, aber noch viel mehr: Brücken schlagen zwischen Völkern, Unterschiedlichkeiten überwinden, einander die Hand reichen, füreinander da sein, in Liebe und Mitgefühl einander begegnen. Mehr Infos und ein Kurzclip: www.liebenzell.org/ubwenzi Die Gnade Gottes ist das größte Geschenk. Davon sollen alle Menschen hören FOTO: BENGT RIEDEL Die Malawi-Missionare der Liebenzeller Mission treffen sich regelmäßig zu Austausch und Gebet

ZUM THEMA 6 JAPAN Maximilian und Sybille Seifert kamen durch die Gemeindegründungsarbeit der Liebenzeller Mission „Junge Kirche Berlin-Treptow“ als Teenager zum Glauben. Max ist Wirtschaftsinformatiker und studiert im Masterstudiengang „Culture & Theology“. Bille ist Sozialarbeiterin. Seit 2022 sind sie als Missionare in Japan. Sie haben eine Tochter. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/seifert Sie findet diesen Ort in einer Gemeinde, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von finnischen Missionaren gegründet wurde. Auch wenn sie nicht an Gott glaubt, spürt sie doch, dass dieser Ort anders ist und ihre Tochter dort gut aufgehoben sein wird. So beginnt ihr Glaubensweg im Angesicht des nahen Todes. In der Gemeinde erfährt sie, wie sehr Jesus sie liebt, und nimmt ihn in ihr Herz auf. Auch Chihiro bekommt gerade durch das Leid ihrer Mutter die Gelegenheit, Jesus kennenzulernen. Dann tut Gott das scheinbar Unmögliche und heilt Chihiros Mutter auf wunderbare Weise. Chihiro wächst in der Gemeinde heran und lernt dort Jesus als ihren Freund und Retter immer mehr lieben. Mit 16 Jahren entscheidet sie sich für ein Leben mit Jesus und lässt sich schließlich taufen. In jener Zeit ist „Christin sein“ ihre ganze Identität. Sie möchte am liebsten in einem Beruf arbeiten, der das auf den ersten Blick sichtbar macht – etwa als Pastorin oder Missionarin. Glaube nur an der Oberfläche? Chihiro beginnt ein Studium an der theologischen Fakultät und hat dennoch das Gefühl, dass ihr Leben oberflächlich bleibt. So betet sie unter Tränen zu Gott: „Herr, seit Jahren sage ich dir, dass ich dir mein Leben geben will. Aber ich weiß, dass meine Motivation nicht rein ist. Ich suche nach einem Titel. Und doch habe ich keinen anderen Wunsch, als dir zu dienen. Was soll ich tun? Ich schaffe es nicht, ein guter Mensch zu werden − ich bin nicht freundlich, nicht gelassen. Mein Leben ist voller unbeantworteter Fragen und das quält mich. Hilf mir, Herr!“ Plötzlich spricht der Herr tief in ihrem Herzen zu ihr: „Chihiro, ich kenne deine dunklen Seiten und deine Unzulänglichkeiten sehr wohl. Und trotzdem liebe ich dich. Dafür ist das Kreuz da.“ Von diesem Tag an wird sie Schritt für Schritt von der Last befreit, die sie bedrückt hat. Sie will den Herrn immer besser kennenlernen und mit ihm reden. Es ist keine Überwindung mehr, sondern etwas Natürliches und Wohltuendes geworden. Inzwischen ist Chihiro erwachsen und hat eine Tochter in dem Alter, in dem sie damals war, als ihre Mutter so schwer erkrankte. Sie teilt mit ihr den Glauben, der auf so einzigartige Weise in ihr Leben gekommen ist. Und sie betet, dass auch ihre Tochter einmal die rettende Liebe von Jesus für sich annehmen wird. Sybille Seifert Sicher bei Gott – Chihiros Geschichte Chihiro ist gerade einmal zwei Jahre alt, als ihre Mutter schwer krank wird. Die Ärzte geben ihr nur noch kurze Zeit zu leben. In ihrer Verzweiflung sucht sie nach einem Ort, an dem ihr Kind auf den richtigen Weg geführt wird, auch wenn sie selbst nicht mehr da ist. Oben: Chihiro im Kreise ihrer Lieben: Ehemann Yoshito, Tochter Miya, Großmutter, Mutter und Vater Oben rechts: Sybille und Chihiro verabreden sich gerne auf dem Spielplatz. Ihre Töchter heißen beide Miya FOTO: CHIHIRO NUMATA FOTO: SYBILLE SEIFERT

MISSION weltweit 1/2026 KANADA 7 ZUM THEMA Sam, du hast gerade ein neues Kapitel begonnen: als Praktikant in unserer Reach Community Church1 in Toronto. Aber du kommst nicht aus der Großstadt. Wo bist du aufgewachsen? Auf Manitoulin Island, einer Insel etwa sechseinhalb Stunden von Toronto entfernt im Huronsee. Dort fühlt es sich an, als wäre die Zeit stehen geblieben. Sonntags bleibt alles geschlossen, und viele Annehmlichkeiten der Stadt fehlen. Das Leben auf dem Land hat mir eine tiefe Liebe zur Natur und zu den Freizeitaktivitäten dort geschenkt. Gleichzeitig wuchs in mir der Wunsch, den Einheimischen zu dienen, die mich umgaben. Neulich hast du gesagt, Gott habe dir ein zweites Leben geschenkt. Was meinst du damit? In meinem ersten Universitätsjahr wäre mein Leben fast zu Ende gewesen. Im November 2018 wurde ich von einem Auto erfasst, als ich zu Fuß von der Arbeit nach Hause ging. Das Fahrzeug war bei Rot über die Kreuzung gefahren. Mein zweiter Halswirbel war gebrochen – eine sogenannte Galgenfraktur, weil man sich diesen Knochen beim Erhängen bricht. Die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben oder gelähmt zu sein, liegt bei 99 Prozent. Gott hat mich bewahrt: Ich gehöre zu dem einen Prozent, bei dem dies nicht der Fall ist. Vor dem Unfall nahm ich meinen Glauben nicht ernst. Doch Gott lehrte mich, wie zerbrechlich das Leben und wie mächtig seine Gnade ist. Deshalb möchte ich ihm mit der geschenkten Zeit dienen. Jetzt willst du dein ganzes Leben Gottes Mission widmen, damit mehr Menschen durch seine Gnade einen Neuanfang erleben können. Warum hast du dich für ein Praktikum bei uns entschieden? Ich glaube, dass Gott Türen öffnet. Als ich mein Master-Studium begann, wusste ich nicht, wo ich mein Praktikum machen würde. Ein Teil von mir wollte Lehrassistent werden, da mich die wissenschaftliche Seite der Theologie interessiert. Gott öffnete mir jedoch immer wieder Türen bei der Reach Community Church, wo ich den Lobpreis leiten und predigen durfte. Die Gemeinde nahm mich herzlich auf. Nach einigen Gebeten und Überlegungen schenkte Gott mir diese großartige Gelegenheit. Wo siehst du in Kanada Chancen für Neuanfänge mit Gott? Gottes Gemeinde kann hier viel bewirken. Aufgrund meiner Herkunft liegt mir besonders die Arbeit unter indigenen Gruppen am Herzen. Ich glaube, dass die Ureinwohner Kanadas mit ihrer Liebe zu Traditionen sehr spirituelle Menschen sind. Wenn sie ihre Liebe zu dem einen wahren Gott entdeckten, würde das meiner Meinung nach die ganze Welt bewegen. Vielen Dank und Gottes Segen dir, Sam! Benjamin Schöniger Benjamin und Julia Schöniger sind seit August 2020 in einem Gemeindegründungsprojekt im Norden Torontos tätig. Dort arbeiten sie mit jungen Menschen aus vielen Kulturen. Ben studierte Evangelische Theologie an der Internationalen Hochschule Liebenzell und der Evangelischen Hochschule Tabor in Marburg, Julia studierte Familienwissenschaften in den USA. Die beiden haben einen Sohn. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/schoeniger Sams zweites Leben Sam Middleton ist seit September Praktikant in unserem Gemeindegründungsprojekt in Toronto. Im Interview verrät er, wie für ihn ein neues Leben anfing und warum ihn Mission in Kanada begeistert. Sam fühlt sich wohl in der Reach Community Church und unterstützt mit seiner Gitarre gern den Lobpreis in der Gemeinde FOTOS: NICK REUPER 1 Deutsch: Erreiche-dein-Umfeld-Gemeinde.

ZUM THEMA 8 JAPAN/DEUTSCHLAND Wir haben als Familie schon oft neu angefangen. Umzüge, eine fremde Sprache, eine andere Kultur, neue Freundschaften – das alles gehörte dazu. Und wieder steht ein Wechsel für uns an. Wie wird es weitergehen? Vielleicht hilft ein Blick zurück … Es geht los. Das Studium ist abgeschlossen, die erste Stelle steht fest. Vorfreude, Anspannung und Respekt mischen sich. Vier Jahre durfte ich an der Internationalen Hochschule in Liebenzell lernen. Und nun geht es in die Praxis – als Jugendpastor in der Liebenzeller Gemeinschaft Schwenningen. Es ist eine gute Zeit, die wir in Schwenningen zuerst als Paar und dann als frischgebackene Eltern verbringen. Unser erster Sohn kommt dort zur Welt. Beziehungen entstehen, Menschen wachsen im Glauben. Aber es gibt auch schwierige Zeiten, wie den Ausbruch der Covid-19-Pandemie, und unangenehme Lernerfahrungen durch eigenes Versagen. Insgesamt verbringen wir drei Jahre in Villingen-Schwenningen. Der Umzugswagen wird mit unserem Hausrat befüllt. Unsere Herzen sind noch voll vom herzlichen und wertschätzenden Abschiedsfest in der Gemeinde. Wir stehen als Familie vor einem großen Neuanfang. Im nächsten Jahr geht es los nach Japan als Missionare der Liebenzeller Mission. Die Gemeinde in Schwenningen steht hinter uns und sendet uns aus. Zunächst liegen zwei Jahre Sprach- und Kulturtraining vor uns, um danach eine neue Arbeit im Bereich digitale Medien aufzubauen. Bis zur Ausreise sind wir in Gemeinden unterwegs und erzählen dort von unserer Mission in Japan. 17. Mai 2022 august 2021 September 2018 Voll Vorfreude auf unsere Zeit in Japan beladen wir den Transporter Es ist so weit: Am Flughafen verabschieden wir uns von unserer Familie Als Familie sind wir nun in Japan angekommen Mithilfe guter Lehrer macht mein Japanisch schnell Fortschritte Es geht endlich los. Eine Covid-Infektion hat unsere Ausreise etwas verzögert, aber jetzt können wir endlich nach Japan aufbrechen. Unser neues Leben steht kurz bevor. Doch die Ankunft in Japan ist holprig. Der Covid-Test unseres ältesten Sohns fällt positiv aus. Er muss zehn Tage in ein Quarantäne-Hotel – ich gehe mit ihm. Meine Frau darf mit unserem Jüngsten regulär einreisen. Der Anfang ist schwer, aber es folgt eine gute Zeit. Ich besuche eine kleine, aber feine Sprachschule mit guter Gemeinschaft und gewinnbringender Lernatmosphäre. Gott schenkt Gelingen beim Erlernen der japanischen Sprache. Auch als Familie kommen wir immer mehr an. Bei uns festigt sich zunehmend der Eindruck, dass wir hier genau am richtigen Platz sind. Tagebuch eines Anfängers

MISSION weltweit 1/2026 9 ZUM THEMA JAPAN/DEUTSCHLAND Es ist der Tag, der vieles verändert. Wie kann ein so schönes Ereignis einen so verunsichern? Unser Nathan kommt zur Welt und bringt einige Überraschungen mit sich. Zuerst ist es die Trisomie 21, die alle unsere Pläne durcheinanderwirft. Doch sein Name ist für uns ein Reden Gottes. Nathan bedeutet Geschenk. Und als solches wollen wir auch unseren dritten Sohn annehmen. Ein paar Wochen ziehen ins Land und wir entscheiden uns, dass wir trotzdem nach Japan ausreisen wollen. Nicht alles können wir absehen. Wird es gut gehen oder nicht? Wenn wir nicht gehen, fi nden wir es auch nie heraus. Leider stellt sich nach und nach heraus, dass Nathan mit einigen gesundheitlichen Einschränkungen konfrontiert ist. Unsere Ausreise verschiebt sich erst um ein halbes Jahr. Doch irgendwann wird uns zwischen den vielen Krankenhausaufenthalten klar, dass wir nicht mehr als Familie zurückkehren können. Schweren Herzens fällen wir die Entscheidung, dass wir unseren Dienst und unser Leben in Japan beenden werden. Herrmann und Jael Stamm arbeiteten nach ihrem Studium an der Internationalen Hochschule Liebenzell als Sozialarbeiterin und Jugendpastor. Seit Mai 2022 verstärkten sie das Missionarsteam in Japan. Aufgrund gesundheitlicher Probleme ihres dritten Kindes konnte die Familie nach dem Heimataufenthalt 2024 nicht mehr nach Japan zurückkehren. In Deutschland wird Herrmann eine neue Aufgabe im Bereich „Digitale Mission“ beginnen. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/stamm-herrmann-jael his.story_japan FOTOS: HERRMANN STAMM Wieder stehen wir am Flughafen. Dieses Mal brechen wir zu unserem ersten Heimataufenthalt auf. Sechs Monate wollen wir in Deutschland vom guten Start in Japan und unseren weiteren Plänen berichten. Ein Highlight schiebt sich noch mit in die Zeit in der Heimat hinein. „Stämmchen“ Nummer drei ist unterwegs. Die Reisedienstzeit ist anstrengend, aber auch erfüllend. Wir sind überwältigt vom Rückhalt aus Deutschland. Ich bin wieder in Japan, dieses Mal allein. Ich löse unseren Haushalt auf, übergebe das Auto an Kollegen und verabschiede mich bei unseren Bekannten und Freunden. Heute treffen wir uns als Team. Die Andacht meiner Kollegen spricht mich sehr an. Es geht um die Speisung der 5000. Ein Junge bringt sein Weniges und Jesus macht etwas Großartiges daraus. Ich nenne diese Zeilen das Tagebuch eines Anfängers. Es fühlt sich für mich an, als ob mein bisheriges Berufsleben nur aus Anfängen bestanden hat. Wann komme ich aus diesem Anfängerstatus heraus? Selbstzweifel kommen auf: Was kann ich überhaupt? Bin ich für die neue Arbeit in Deutschland tatsächlich geeignet? Der Plan ist, in einen neuen Bereich „Digitale Mission“ einzusteigen. Ich darf Teil davon sein. Vorbereitet und fähig dazu fühle ich mich oft nicht. Aber die Andacht heute ermutigt mich, mein Weniges Jesus zu geben. Und er macht das, was er eben immer macht: etwas Großartiges. Was für ein Privileg, Teil seiner Geschichte zu sein! Herrmann Stamm 25. Februar 2024: 18. 0ktober 2025: 27. Mai 2024 Unser Geschenk ist da Beim Kindermissionsfest berichten wir am JapanStand von unserer Arbeit Dieses Mal reise ich ohne Familie nach Japan Alles muss raus: Mit dem Ausräumen unserer Wohnung geht unsere Zeit in Japan zu Ende

ZUM THEMA SAMBIA 10 FOTO: MARGIT SCHWEMMLE FOTO: SABINE SCHUCKERT Seit drei Monaten hatte Jessica* mir immer wieder gesagt, ihre Familie habe beschlossen, sie solle an einer anderen Universität weiterstudieren. Die Gründe waren eher undurchsichtig und ich erhoffte mir vom heutigen Gespräch mehr Klarheit. Schließlich war sie immer noch bei uns und mir schien, dass Jessica selbst gar nicht wechseln wollte. Eine der Frauen ergriff das Wort. Etwas umständlich erklärte sie mir, dass Jessica nicht mehr bei uns weiterstudieren könne. Der Grund? „Wir haben herausgefunden, dass Jessica schwanger ist.“ Etwas ungläubig schaute ich die vier Frauen an. Bevor ich etwas sagen konnte, fuhr die älteste fort. Sie entschuldigte sich im Namen der Familie für diese unglückliche Situation − Jessica ist nicht verheiratet − und versicherte mir, dass sie alles tun würden, um die Angelegenheit zu regeln. Jessica selbst sagte kein Wort. Bisher hatte ich sie als junge Frau erlebt, die ihre Meinung gut vertreten konnte. Aber mir war schnell klar, dass sich hier die Familie, und im Besonderen zwei ihrer Tanten, in der Verantwortung sahen, für Klarheit zu sorgen. Ist eine Rückkehr möglich? Kaum war der Grund genannt, folgte die Frage: „Darf unsere Nichte nach der Geburt des Kindes ihr Studium bei Ihnen fortsetzen?“ Ich war noch dabei, die Neuigkeit zu verarbeiten, und fühlte mich überrumpelt. So ließ ich die vier wissen, dass ich das nicht allein entscheiden könne. Wir würden zu einem späteren Zeitpunkt eine Antwort geben. Studium mit Hindernissen Gemeinsam mit drei älteren Frauen saß unsere Theologiestudentin im dritten Jahr im Sitzungszimmer der EU (Evangelical University). Sie hatten um ein Gespräch gebeten und ich wusste nicht, was mich erwartete. Die sonst so selbstbewusste Studentin saß auffallend still da, den Blick auf den Boden gerichtet. *Namen geändert Die Freude ist groß: Eine unserer Studentinnen, Enala, bei der Graduierung Margit Schwemmle im Unterricht

MISSION weltweit 1/2026 SAMBIA 11 ZUM THEMA FOTO: MARGIT SCHWEMMLE Nach dem Gespräch fing für mich das Gedankenkarussell an. Wie hatte das passieren können? Sie war eine gute Schülerin, ich hatte mich regelmäßig mit ihr zu Gesprächen getroffen und hatte den Eindruck, dass sie mir vertraute. Warum hatte sie nichts gesagt? Und sollten wir ihr ermöglichen, nach der Geburt des Kindes weiterzustudieren? Was für ein Vorbild konnte sie für andere sein? Es ging ja nicht nur um sie, sondern auch um unseren Ruf als christliche Ausbildungsstätte. Klar war, dass sie mit sofortiger Wirkung vom Unterricht befreit war. Ob es einen Neuanfang geben konnte, wollten wir später entscheiden. Mich beschäftigte die Situation weiter und ich suchte das Gespräch mit Jessica. Sie erklärte mir, dass sie an ihrem Geburtstag mit ihrem Freund unterwegs gewesen sei. Eins habe zum anderen geführt und es sei „einfach passiert“. Sie versicherte mir, sie würde den Vater des Kindes ja auch heiraten. Nach einigen Gesprächen mit ihr, ihrer Kirchengemeinde und der Familie beschlossen wir: Wir wollten Jessica einen Neuanfang nach der Geburt ihres Kindes ermöglichen. Sie würde das Studium wieder aufnehmen können. In ihrer Gemeinde erlebte sie Vergebung und bekam die Unterstützung, die sie brauchte. Zurück kommt eine andere Als Jessica nach über einem Jahr wieder im Unterricht saß, hatten wir eine andere junge Frau vor uns als zuvor. Sie war erwachsener geworden und an der Verantwortung, für ihre Tochter zu sorgen, gewachsen. Sie hatte erlebt, was es bedeutet, einen Neuanfang wagen zu dürfen. Leicht waren die restlichen zwei Jahre des Studiums nicht. Ihre Mutter kümmerte sich um das Enkelkind. Die kleine Monica* hatte eine Phase, in der sie ihre eigene Mutter nicht als Mama akzeptierte, weil diese kaum zu Hause war. Heute weiß Jessica: Mit Gott ist ein Neuanfang möglich. Er hat ihr deutlich gemacht, was Gnade bedeutet. Ja, sie muss immer noch mit den Folgen der ungewollten Schwangerschaft leben: Der Vater des Kindes hat sie bis heute nicht geheiratet und trägt nur sporadisch zum Unterhalt bei. Meist kümmert sich jemand aus ihrer Familie um die Tochter. Aber Jessica weiß, dass es auch nach einer falschen Entscheidung weitergehen kann. Während ich diese Zeilen schreibe, geht mir ein Lied von Manfred Siebald durch den Kopf. Es trägt den Titel „Die Fliege ist tot“. Im Refrain heißt es: Wie wäre es, wenn Gott so wär wie ich und gleich erschlüg, was ihm missfällt – wer könnte dann dem Tod entfliehn? Er hätte Christus nicht gesandt für mich, für meine Schuld und die der Welt, damit ich leben kann durch ihn, durch ihn. Jessica hat ihre Ausbildung inzwischen abgeschlossen. Seither kümmert sie sich vor allem um junge Frauen, die Ähnliches erlebt haben wie sie. Das ist möglich, weil Gott seinen Sohn Jesus Christus gesandt hat, damit wir leben können – trotz Schuld und Versagen. Margit Schwemmle Margit Schwemmle ist seit 2014 Dozentin an der Evangelical University (EU) in Ndola und begleitet junge Sambier in ihrer theologischen Ausbildung als Mentorin. Seit Juni 2016 hat sie auch die Studienleitung inne. Nun strebt sie eine Promotion an. Bis Ende 2025 überbrückte sie die Vakanz in der Leitung der EU. Die frühere Finanzbeamtin hat die Bibelschule Brake absolviert und war mit der Liebenzeller Mission in Malawi und in der Pioniermission in Sambia im Einsatz. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/ schwemmle Jessica weiß, dass es auch nach einer falschen Entscheidung weitergehen kann. Der Flammenbaum auf dem Campus in voller Blüte

ZUM THEMA FRANKREICH 12 *Name geändert Auch als Jesusnachfolger überschreiten wir Grenzen, selbst wenn wir es nicht wollen. Wie gehe ich damit um? Ich fühle mich schuldig und schäme mich, weil dies für andere scheinbar kein Problem ist. Ist die Messlatte nur für mich zu hoch? Darf ich wirklich – vielleicht zum hundertsten Mal – neu anfangen? Solche Gedanken kannte auch Sabine*. Als sie Gott neu gefunden hatte, war sie voll Freude. Sie war glücklich, Menschen kennenzulernen, die auch an Jesus glaubten. Doch bald kam die Ernüchterung: Warum war die Sünde in ihrem Leben noch so präsent, manchmal sogar übermächtig? „Ich bin doch neu geboren. Wie kann das sein?“, fragte sie sich. Wie gehe ich mit Sünde um? In der Gemeinde ermutigte man sich gegenseitig, Jesus nachzufolgen. Aber über Sünde sprach man nicht. In Predigten wurde sie als Zielverfehlung dargestellt, die es unbedingt zu vermeiden galt. Sabine blieb mit ihrer Schuld und Scham allein und zog sich schließlich aus der Gemeinde zurück. „Ich bin nicht würdig, dazuzugehören“, glaubte sie. Über 20 Jahre lebte sie mit diesem Gefühl – und verdrängte es. Felsenfest, wie sein Name vermuten lässt, war auch Simon Petrus nicht (Johannes 1,42; Matthäus 16,18). Er tat so, als kenne er Jesus nicht. Doch Jesus orientierte sich nicht an Petrus’ Versagen, sondern an seinem eigenen Versprechen: Er würde aus Simon einen Petrus (= Fels) machen. Simon Petrus zog sich zwar nach der Verleugnung von Jesus zurück, doch dieser suchte ihn nach seiner Auferstehung wieder auf. Der barmherzige Sohn Gottes vergaß ihn nicht. Vergebung beendet die Einsamkeit Der geduldige und gnädige Gott hatte auch Sabine nicht vergessen. Sie fand eine Gemeinde, in der Sünde kein Tabuthema war. Heute weiß sie, wohin sie mit ihrer Schuld und Scham gehen kann: zu Jesus. Er mustert niemanden aus, wenn die Messlatte nicht erreicht wird. Der Tod und die Auferstehung von Jesus bedeuten Vergebung. Ich muss mich nicht ewig für meine Unzulänglichkeiten schämen. Und Jesus Christus schämt sich nicht, uns Schwestern und Brüder zu nennen (Hebräer 2,11). Drängen dich Scham und Schuldgefühle aus der Gemeinschaft hinein in die Einsamkeit? Jeder bleibt hinter Erwartungen zurück. Niemand genügt Gottes Maßstab. Aber Christen dürfen ihre Fehler bekennen − und erleben, wie Jesus verändert. Im Glauben begreife ich: Jesus schenkt mir einen Neuanfang. Und ich kann sagen: „Ich schäme mich nicht!“ Michael Eckstein Ich schäme mich … nicht! „Was für eine Schande!“ Jeder kennt das Gefühl der Scham: Wenn man die Erwartungen der Kollegen, der Nachbarn oder der Gemeinde nicht erfüllt. Wenn man sich nicht an Regeln hält und dabei erwischt wird. Sofort steigt die Schamesröte ins Gesicht. Müssten wir als Christen nicht besser sein? Gemeinsam Leben teilen in der Gemeinde Générations Michael und Tina Eckstein sind seit Juli 2009 in Frankreich tätig. Seit 2022 unterstützen sie die Gemeinde „Générations“ bei ihrem Gründungsprojekt. Michael ist Teamleiter der Frankreich-Missionare. Vor seiner Ausbildung am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission arbeitete er als Schreiner. Tina ist Ergotherapeutin. Ihre drei Kinder besuchen französische Schulen bzw. studieren. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/eckstein FOTO: MICHAEL ECKSTEIN

MISSION weltweit 1/2026 SAMBIA 13 ZUM THEMA Hier in Sambia scherzen manche: „Solche Straßen wie im Römischen Reich könnten wir auch gebrauchen!“ Doch die eigentlichen Highways unserer Zeit sind längst gebaut: Sie bestehen nicht aus Teer, sondern aus Glasfaserkabeln. Das Internet verfolgt dasselbe Ziel wie damals die Via Sebaste – es verbindet Menschen. Nicht nur Orte, sondern ganze Welten rücken zusammen. Es wird zu einem Platz, an dem Informationen fließen, Freundschaften wachsen und auch – das ist unser Wunsch – Beziehungen mit Jesus entstehen. Als Sambia-Team engagieren wir uns in Schulen, Landwirtschafts- und Jüngerschaftsprojekten, theologischer Ausbildung und Gemeindearbeit. Das alles sind sehr wichtige und wertvolle Aufgaben. Gleichzeitig sehen wir: Der Bedarf ist größer und die Menschen, die wir erreichen wollen, sind ständig unterwegs – auf der digitalen Via Sebaste. Ein Podcast für größere Reichweite und mehr Tiefe Darum starten zwei Pastoren aus Lusaka und ich den zehnminütigen englischen Video-Podcast HeartShift für junge Sambier, die im Glauben wachsen wollen. Auf Instagram, TikTok, Facebook, YouTube und allen gängigen PodcastPlattformen lesen wir kurze Bibeltexte, legen sie praktisch aus und geben am Ende einen konkreten Alltagsschritt weiter, der die Herzen der Hörer zu Jesus hin verändern soll. So können Gottes zeitlose Botschaft und seine Gnade mitten ins Leben sprechen. Der Podcast lädt jeden ein und ermutigt, ganze Sache mit Jesus zu machen. So kann er das Herz und das Leben Einzelner verändern. Wir hoffen und beten, dass theologische Tiefe und praktische Nachfolge zusammenfinden – und viele junge Sambier erreicht werden, die genau danach suchen. Das Internet ersetzt unsere bisherigen Aufgaben nicht. Es ist ein Werkzeug, wie einst die Via Sebaste. Gott hat immer wieder andere Wege gefunden, seine Botschaft in neue Formen zu gießen. Wir sind gespannt, wie er das auch im digitalen Raum tun wird. Bitte betet mit für diesen Podcast und andere Projekte, die gerade entstehen. Verfolgt gern, wie sie sich entwickeln, und bleibt in Kontakt. Unser Wunsch ist, dass Gott über diesen Weg viele Herzen verändert. Markus Müller Die Menschen, die wir erreichen wollen, sind ständig unterwegs – auf der digitalen Via Sebaste. HeartShift – Mission auf neuen Wegen Erbaut wurden sie, um Handel zu treiben, Armeen zu bewegen und Menschen zu verbinden: die römischen Straßen. Eine davon war die Via Sebaste. Sie verband Städte wie Antiochia, Lystra, Derbe und Iconium – Orte, an denen Paulus Menschen in die Beziehung mit Jesus einlud. Diese Straße war mehr als Pflastersteine: Sie wurde zu einem Werkzeug einer hochmodernen Missionsstrategie. Im Studio eines Bekannten entsteht die erste Folge von HeartShift HeartShift (Veränderung des Herzens) ist der Name unseres neuen Podcasts. Über unseren Instagram-Kanal erfährst du, wann die ersten Folgen zu hören sein werden. Danke für deine Unterstützung, damit mehr junge Menschen in Sambia und darüber hinaus in ihrer Beziehung mit Jesus wachsen. Markus und Jana Müller arbeiten seit 2022 mit einem einheimischen PastorenEhepaar in der Gemeindegründung in Lusaka. Die Baptist Community Church soll geistliche Heimat für alle sein, die in anderen Gemeinden weniger erreicht werden. Dafür suchen sie nach neuen Methoden, um vor allem Kinder und junge Erwachsene in eine Beziehung mit Jesus zu führen. Die beiden haben zwei Töchter. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/ mueller-markus-jana jana_markus_mueller_ FOTO: MARKUS MÜLLER FOTO: ISTOCK.COM/TYPHOONSKI

ZUM THEMA ECUADOR 14 „Brüder und Schwestern, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid“ (Galater 6,1a). Mein Name ist Jhordan Suarez, ich bin 25 Jahre alt und stamme aus der Gemeinde „Pfad des Lebens“ in Chamanal. Seit meinem zweiten Lebensjahr bin ich bei meinen Großeltern aufgewachsen. Meine Eltern haben sich nie um mich gekümmert. Der christliche Glaube spielte bei uns keine Rolle. Dann kamen deutsche Missionare an unsere Schule, um uns das Evangelium zu verkünden. In den Kinderclubs, die sie organisierten, lernte ich nach und nach das Wort Gottes kennen. Auf einer Jugendfreizeit wollte ich eigentlich nur das Herz eines Mädchens erobern, das mir sehr gefiel. Doch stattdessen verliebte ich mich in den Herrn Jesus. So beschloss ich, ihm nachzufolgen. Ein Start voller Feuereifer Als ich nach Hause zurückkehrte, glaubte ich, Jesus zu folgen sei ganz einfach. Aber so war es nicht. Ich erkannte, dass die Dinge, die ich vorher für normal gehalten hatte, Gott nicht gefallen. Da ich meine Bibel oft bei mir trug, wurde ich zum Gespött meiner Freunde. Trotzdem ließ ich mich nicht entmutigen. Ich wusste, dass der Erlöser der Welt mich liebt. In meinem Umfeld sprach ich von der Frohen Botschaft. Doch das wurde mir bald verboten. Also trafen wir uns im Haus eines Freundes zum gemeinsamen Bibellesen. Wir beteten, dass andere Jesus kennenlernen mögen. Die Gruppe wuchs schnell. Unser Pastor Rainer mietete einen Raum für uns. Dort trafen wir uns fast jeden Tag, um Gottes Wort zu lesen, zu beten und uns gegenseitig zu ermutigen. Die Gruppe hörte nicht auf zu wachsen. Rainer und Katharina Kröger leben seit 2006 in Ecuador. Sie sind dort Teamleiter und arbeiten in der Mitarbeiterschulung sowie der Gemeindegründung unter Afro-Ecuadorianern nordöstlich von Ibarra. Rainer hat die Ausbildung am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission absolviert. Danach war er jahrelang in Berlin und Edmonton/ Kanada tätig. Katharina ist Krankenschwester und liebt die missionarische Arbeit unter Kindern und Frauen. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/kroegerrainer-katharina Bloß raus aus dem Schlamm! Jhordan Suarez ist einer der ersten Christen in seiner Gegend. Das Interesse am Evangelium ist dort sehr gering. Die neuen Christen bezeichnen ihre Orte aufgrund des zerrütteten Lebensstils als „Sodom und Gomorrha“. Wie Gott ihm half, davon freizukommen, erzählt er selbst. Ich wusste, dass der Erlöser der Welt mich liebt. FOTOS: PRIVAT

MISSION weltweit 1/2026 ECUADOR 15 ZUM THEMA Auch in der Schule begannen wir, unseren Glauben bekannt zu machen. Wir trafen uns täglich zum Beten im Schatten eines großen Baumes auf dem Schulgelände. Nach und nach kamen andere dazu und wollten, dass wir für sie beteten. Schließlich wurde der Baum „Gebetsbaum“ genannt. Ein zukunftsweisender Traum Aber zu dieser Zeit begannen auch die Kämpfe und Herausforderungen in meinem Leben. Das Mädchen, das ich auf der Freizeit hatte beeindrucken wollen, wurde meine Freundin. Obwohl wir wussten, dass es Gottes Wille ist, bis zur Hochzeit zu warten, waren wir ungehorsam. Wir hörten weder auf Gottes Wort noch die vielen Ratschläge der Missionare. So wurde meine Freundin im Alter von 15 Jahren schwanger und musste die Schule abbrechen. Wir wurden zum Gespött der ganzen Gegend. Viele wandten sich wieder vom Glauben ab. Die gerade erst entstehende christliche Gemeinde kam in Verruf. Der Schaden war groß! Auch wir entfernten uns allmählich von Jesus und es fiel uns sehr schwer, zu ihm zurückzukehren. Meine Freundin und ich zerstritten uns und trennten uns schließlich. In dieser Zeit bemühten sich unsere Gemeindeleiter sehr um uns. Einer von ihnen hatte einen Traum von einem schlammigen Teich, in dem viele von uns versunken waren und aus dem wir nicht herauskommen konnten. Als ich das hörte, sagte ich aus tiefstem Herzen zu Jesus: „Erlaube mir, derjenige zu sein, der aus diesem Schlammloch herauskommt!“ Ich war verzweifelt. Doch als ich in dieser dunklen Zeit zu Gott schrie, holte er mich heraus. Nun bereute ich zutiefst, was ich getan hatte. Mit der Hilfe der Gemeindeleiter fand ich auf den richtigen Weg zurück. Blind Date mit der Mutter meines Kindes Nach einiger Zeit lud Rainer mich zum Abendessen in ein Restaurant ein. Was ich nicht wusste: Seine Frau Kathi hatte auch die Mutter meines Sohnes eingeladen. Als ich im Restaurant ankam, saß sie schon da. Kathi und Rainer sagten: „Ihr habt viel zu besprechen.“ Sie ließen uns allein, und wir sprachen uns aus. Ich bat meine Freundin um Vergebung dafür, dass ich sie verletzt hatte. Wir vergaben einander und beschlossen, es noch einmal mit einer Beziehung zu versuchen. Dieses Mal wollten wir alles richtig machen, so, wie es Gott gefällt. Unsere Beziehung und unser Vertrauen zueinander wuchs, und die Freundschaft wurde viel stärker als zuvor. Bald machte ich meiner Freundin einen Heiratsantrag, wir verlobten uns und Monate später heirateten wir. Gott sorgte für alles, was für unsere Hochzeit nötig war. Es war eine Hochzeit, wie man sie in unserer Gegend noch nie zuvor erlebt hatte. Das war ein gutes Zeugnis für unseren Herrn. Heute sind wir Gott dankbar, dass er uns aufgerichtet, gerettet und uns vor allem Mitchristen geschenkt hat, die uns auf diesem Weg begleiten. Wir sind nun seit vier Jahren verheiratet, haben zwei Kinder und dienen Gott in den Aufgaben, die er uns anvertraut hat. Rainer und Katharina Kröger Erlaube mir, derjenige zu sein, der aus diesem Schlammloch herauskommt! Im Kidsclub kamen die beiden erstmals mit Gottes Wort in Berührung Links: Die vierköpfige Familie bringt sich eifrig in die Gemeinde ein. Jhordan ist dort Praktikant und beide Ehepartner studieren nebenher Theologie Rechts: Die Gegend rund um Ibarra wirkt auf den ersten Blick idyllisch Die afro-ecuadorianische Bevölkerung im ländlichen Gebiet um die Stadt Ibarra hat mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Die Infrastruktur ist schlecht, die medizinische Versorgung und Bildungsmöglichkeiten sind unzureichend. AfroEcuadorianer gelten als marginalisierte Gruppe, die kaum Mitspracherecht im öffentlichen Leben hat. Die Liebenzeller Mission arbeitet an acht Orten in diesem Gebiet. Durch Jüngerschaftskurse, Frauenkreise, Unterstützung für Drogenabhängige und mehr verhelfen die Mitarbeiter den Menschen zu besseren Zukunftsaussichten und bringen ihnen den Glauben an Jesus näher. FOTO: RAINER KRÖGER

16 ZUM THEMA Dank Religionsunterricht, Jungschar und EC-Zeltlager hatte ich eigentlich einiges von Gott gehört. Aber als lebenslustiger Teenager empfand ich vieles am Leben von Christen als langweilig. Spaß haben und gute Musik hören − das wollte ich. Beides gab es in meinen Augen in der Kirche nicht. Gott hatte mich auf dem Zettel Eines Tages war ich mit dem Bus unterwegs, als in einem kleinen Dorf eine Gruppe junger Menschen zustieg. „Ist neben dir noch frei?“, fragte mich eine junge Frau aus der Gruppe. Dabei waren noch viele andere Plätze unbesetzt. Warum neben mir? Ich ließ sie Platz nehmen und sie begann ein Gespräch. Eine ihrer ersten Fragen lautete: „Bist du Christ?“ Ich überlegte kurz. „Äh, ja, bin ich.“ Schließlich bin ich konfirmiert, dachte ich. Die junge Frau freute sich und erzählte mir: „Wir wollen heute für Menschen beten, deren Namen wir vorher von Gott erbeten haben.“ Wie sich herausstellte, stand auf einem der Zettel auch mein Name − Lara. Am Ende beteten drei Personen dort im Bus für mich. Sie sprachen mir Gottes Liebe zu in einer Zeit, in der ich sie dringend brauchte. Ein paar Wochen später dachte ich immer noch über diese Begegnung nach und merkte: Gott hat mein Gebet erhört! In meiner Unzufriedenheit mit meinem Leben hatte ich Gott ein paar Monate vorher gebeten, sich mir zu zeigen. Und da wusste ich, Gott spricht mir durch dieses Erlebnis zu: „Ich lebe. Ich bin da. Ich liebe dich, Lara. Lass uns nochmal neu anfangen.“ Seit ich ein Leben mit Jesus begonnen habe, habe ich so manches erlebt, was ich nie für möglich gehalten hätte. Ich erzählte Menschen von Jesus, lernte in Kanada Englisch, begann mich für die Auslandsmission zu begeistern. Dann heiratete ich einen Mann, der das Neue liebt, zog mit ihm nach Japan, predigte auf Japanisch … Die Liste ist lang. Rückblickend erkenne ich: Ein Leben als Christ ist alles andere als langweilig – es bedeutet pures Abenteuer, Leben feiern und verankert sein in dem, der mit mir über die Gipfel und durch die Täler des Lebens geht. Vor einem Jahr haben Stefan und ich Gott erneut die Frage gestellt: „Wo sollen wir dir als Nächstes dienen?“ Heute bereiten wir uns auf unseren Dienst bei impact vor. Ich freue mich auf das Neue und blicke gespannt darauf, wohin uns das Abenteuer mit Gott nun führt. Das Wörtchen „nie“ werde ich vorerst nicht mehr verwenden, denn man weiß ja nie, was kommt. Lara Degler Stefan und Lara Degler reisten 2019 erstmals nach Japan aus. Im November 2025 schlossen sie ihre Mitarbeit bei der Gemeindegründung in Sakuragawa ab. Ab Frühjahr 2026 werden sie impactler in Bad Liebenzell betreuen. Beide haben an der Interkulturellen Theologischen Akademie studiert. Rundbriefe und mehr: www.liebenzell.org/degler — diedglrs Sag niemals nie! „Mich muss nie jemand im Ausland besuchen!“ Davon war ich mit 17 überzeugt. Schließlich liebte ich meine Heimat und konnte Fremdsprachen nicht leiden. Niemals hätte ich gedacht, dass ich Deutschland einmal für mehrere Jahre verlassen würde. Heute weiß ich: Wer mit Jesus lebt, sollte sich auf Überraschungen gefasst machen. Im Herbst 2024 betreuten Lara (ganz rechts) und Stefan (ganz links) das impact-Team, das sich drei Monate in Japan einbrachte FOTO: CARMEN JUNG JAPAN/DEUTSCHLAND

17 WELTMISSION AKTUELL Name, Vorname Straße, Hausnummer PLZ, Ort Name, Vorname E-Mail-Adresse JETZT BESTELLEN! Liebenzeller Mission Liobastr. 21 75378 Bad Liebenzell Telefon: 07052 17-7139 adressen@liebenzell.org Oder direkt online über den QR-Code Datum, Unterschrift Datenschutzhinweis: Ich gestatte der Liebenzeller Mission, meine Daten im Rahmen ihrer Datenschutzbestimmungen (www.liebenzell.org/datenschutz) zu speichern und zu verarbeiten. Ich kann meine Zustimmung jederzeit widerrufen. Du hast „Mission weltweit“ zum ersten Mal bekommen und möchtest regelmäßig Informationen und Impulse aus der weltweiten Mission? Gerne bekommst du die Zeitschrift viermal jährlich kostenfrei und unverbindlich zugesandt. Falls du lieber das ePaper lesen möchtest, erhältst du per Mail den Link, sobald eine neue Ausgabe erschienen ist. Ich möchte „Mission weitweit“ regelmäßig per Post an folgende Adresse: Ich bevorzuge die Online-Ausgabe und möchte den Link per E-Mail an: auch künftig lesen? Die stille Wiederkehr des Glaubens Totgesagt und doch lebendig: Eine neue Studie der Bible Society überrascht mit klaren Zahlen.1 Während lange vom unaufhaltsamen Niedergang des Christentums in England und Wales die Rede war, erlebt die Kirche eine stille Wiedergeburt – „The Quiet Revival“. Seit 2018 ist der Anteil regelmäßiger Kirchgänger von 8 auf 12 Prozent gestiegen, das entspricht fast sechs Millionen Menschen. Besonders erstaunlich: Zu den treibenden Kräften zählen junge Erwachsene, vor allem Männer zwischen 18 und 24 Jahren. Diese Generation entdeckt den Glauben neu – nicht als Tradition, sondern als bewusste Entscheidung. Sie sucht Sinn, Gemeinschaft und Hoffnung in einer verunsicherten Welt. Gleichzeitig wächst die Vielfalt: Ein Drittel der jungen Kirchenbesucher hat einen Migrationshintergrund. Der Trend wirkt über die Kirchenmauern hinaus. Gläubige berichten von höherer Lebenszufriedenheit, stärkerer sozialer Verbundenheit und größerem Engagement für Gerechtigkeit und Umwelt. Der jahrzehntelang beschworene Siegeszug der Säkularisierung verliert an Glanz. Der Glaube kehrt leise zurück. Vielleicht brauchen wir auch in Deutschland kein großes Revival, sondern viele kleine Aufbrüche – dort, wo Menschen wieder fragen, glauben, hoffen und handeln. Dave Jarsetz FOTO: ISTOCK.COM/DIAMONDS-OF-NATURE Im Himmel ist alles neu Wie sieht das eigentlich aus, wenn Gott einmal alles neu macht? Kinder machen sich dazu ihre eigenen Gedanken. Im Film „Wie sieht’s denn im Himmel aus?“ dreht sich alles darum, was uns nach dem Tod erwartet. Unter anderem stellen vier Mädchen und Jungen ihre Vorstellungen in Wort und Bild vor. Der Film ist zu finden unter www.liebenzell.tv/707 Aufgespießt Mein Wunsch 1 Rhiannon McAleer, Rob Barward-Symmons: The Quiet Revival. How England and Wales are rediscovering faith, Bible Society, Swindon 2025. Anni, 10 Jahre: „Es gibt keinen Streit und Krieg. Wenn man Menschen nicht gemocht hat, mag man sie im Himmel und kann mit ihnen Freundschaft schließen.“ FUNDSTÜCK „Wie sieht’s denn im Himmel aus?“

18 LIEBENZELLER MISSION AKTUELL WEITERDENKEN >> SONDERBEITRAG ZUM THEMA VON GABRIEL HÄSLER Mit der TikTok-App sucht man nicht bewusst nach Videos. Der Algorithmus wählt aufgrund meiner bisherigen Vorlieben die Inhalte aus, die mich vermutlich ansprechen. So kann man sich stundenlang von einem Kurzvideo zum nächsten klicken. Als ich gerade wieder ein Kurzvideo wegdrückte, um mir das nächste anzuschauen, befand ich mich plötzlich in einer TikTok-Livesendung. Eine verschleierte Muslima beantwortete Fragen der Zuschauer, die – wie ich – per Algorithmus bei ihr gelandet waren. „Warum trägst du ein Kopftuch?“, fragte jemand. Sie erklärte es. In diesem Moment sprach der Heilige Geist direkt in mein Herz: „Was liegst du auf deinem Bett und schaust dir Videos an? Steh auf und erzähle den Menschen auf TikTok von Jesus.“ Nun, ich produzierte schon seit Längerem evangelistische Videos und lud sie auf Plattformen wie TikTok oder YouTube hoch. Aber Livestreams nutzte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht, um Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Also stand ich auf, zog mich an, ging hinunter in die Stube, richtete mein Handy auf mich und startete eine TikTok-Livesendung. Das war vor anderthalb Jahren. Seither gehe ich jede Woche „live“ und darf erleben, wie Hunderte von Menschen ihr Leben Jesus anvertrauen. Nie dagewesene Möglichkeiten Die sozialen Medien sind ein Missionsfeld mit ungeheurem Potenzial. Hast du schon einmal darauf geachtet, was die Menschen im Wartezimmer, an der Bushaltestelle oder im Zug machen? Sie richten ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihr Handy. Die meisten konsumieren Inhalte aus den sozialen Medien. Eine Studie von „Datareportal“ aus dem Jahr 2025 besagt, dass etwa 65 % der Weltbevölkerung soziale Medien nutzen – Tendenz steigend.1 Der typische Nutzer bewegt sich auf mehr als sechs Plattformen. Ganz vorne dabei: Facebook, YouTube, Instagram, WhatsApp und TikTok. Im Durchschnitt verbringt eine Person 19 Stunden pro Woche auf diesen Plattformen – vor allem mit Videos oder anderen Beiträgen. Sonderbeitrag von Gabriel Häsler FOTO: ISTOCK.COM/MARTIN DIMITROV 1 https://datareportal.com/reports/digital-2025-global-overview-report, 2.12.2025. JESUS AUF TIKTOK BEGEGNEN Es war schon nach 21 Uhr. Ich lag im Bett und vergeudete meine wertvolle Lebenszeit, indem ich mir auf meinem Handy sinnlose TikTok-Videos anschaute. Allen evangelistisch denkenden Menschen dürfte an dieser Stelle ein Licht aufgehen: Die sozialen Medien sind ein Missionsfeld mit nie dagewesenen Möglichkeiten. Wer es schafft, mit dem Evangelium in diese Handys hineinzukommen, ist genau da, wo die Menschen sind. Seit meinem Erleuchtungserlebnis im Bett setze ich mich also jeden Dienstag um 20:30 Uhr mit meiner Bibel vor die Webcam und starte eine Livesendung. Ich gehe gleichzeitig auf YouTube, Instagram, Facebook und TikTok live. Dabei lese ich einen Abschnitt aus der Bibel vor und lege ihn Vers für Vers aus – immer mit evangelistischer Absicht. Im zweiten Teil des Abends gehe ich auf Fragen ein und bete für die Anliegen der Leute. Ein Mitarbeiter namens Algorithmus Einem Großteil meiner Zuschauer geht es wie mir damals im Bett: Sie sitzen irgendwo und klicken sich durch ein Meer sinnentleerter Videos. Und plötzlich sind sie in meiner Live-Sendung. Je nach Interesse klicken sie gleich weiter – oder sie bleiben und hören zu. Zu Beginn sind kaum Leute da. Doch nach und nach kommen immer mehr hinzu, und bald sind über 300 Zuschauer auf allen vier Kanälen dabei. Manche schütteln genervt den Kopf und „gehen“ weiter. Andere schreiben hämische oder beleidigende Kommentare in den Chat. Oft sind auch Muslime dabei, die mit ihren Beiträgen im Chat versuchen, andere von ihrer Sache zu überzeugen. Aber jeden Dienstag sind auch offene, suchende und hungrige Menschen dabei. Denn ich habe einen Mitarbeiter, der genau diese Menschen findet und zu mir bringt: den Algorithmus.

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