LIEBENZELLER MISSION AKTUELL MISSION weltweit 3/2025 WEITERDENKEN >> SONDERBEITRAG ZUM THEMA VON EDGAR LUZ 19 Wie reagiert wohl seine Frau? Was wird ihr nächster Satz sein? Oder wird sie gleich in Tränen ausbrechen? Dieses Beispiel veranschaulicht eindrücklich, dass Pflicht nicht reicht, um eine Frau zu ehren und wirklich zu lieben – es braucht Leidenschaft. Diese wird oft unterschätzt, auch und gerade in Bezug auf Gott. Es reicht ihm eben nicht aus, dass wir einfach zur Erfüllung einer Pflicht barmherzig sind, sondern wir sollen „Güte lieben“ (Micha 6,8). Es ist ihm nicht genug, dass wir nur geben, weil wir sollen, sondern er liebt den „fröhlichen Geber“ (2. Korinther 9,7). Wir sollen Gott nicht lediglich aus Pflichtbewusstsein dienen, sondern „mit Freuden“ (Psalm 100,2). Leidenschaft wird entfacht Um die Leidenschaft in den zweifelnden Jüngern wieder zu entfachen, gibt Jesus ihnen die Doppelverheißung seiner Allmacht und seiner Allgegenwart (Matthäus 28,18–20). Damit sie den Stillstand beim Mauerbau überwinden, entzündet Nehemia in den Israeliten eine solche Leidenschaft, dass das Projekt in Rekordzeit abgeschlossen werden kann. Vier essenzielle Faktoren dafür möchte ich kurz hervorheben: 1. Identität Nehemia ruft die verunsicherten Menschen auf, daran zu denken, wer sie sind – Gottes geliebtes Volk (Nehemia 4,8). Auch für mich gilt: Gott ist für mich. Mein Angenommensein, mein Wert und meine Kraft kommen nicht aus mir, sondern aus dem, was er für mich getan hat und noch tut. Sein Erbarmen ist jeden Morgen neu (Klagelieder 3,22–23). Sich aktiv zu erinnern, wer ich bin in Christus, ist der beste Start in den Tag. Darum gilt es nach Martin Luther, sich das Evangelium jeden Morgen neu einzuhämmern. Damit beginnt alle christliche Leidenschaft. Georg Müller, der Waisenhausvater von Bristol, beschreibt diese Einsicht einmal in seinem Tagebuch (7. Mai 1841): „Ich erkannte deutlicher als je zuvor, dass die wichtigste Aufgabe in meinem Leben ‚die Freude an meinem Herrn‘ ist. Das war es, worum ich mich jeden Tag kümmern sollte. Die Hauptsache ist nicht, wie viel ich dem Herrn dienen kann, sondern wie ich meine Seele dahin bringen kann, dass sie voller Freude über Gott ist, damit diese Freude mich innerlich stärkt. Ich könnte mich darum bemühen, Ungläubigen das Evangelium zu predigen, ich könnte versuchen, ein Segen für Gläubige zu sein und dennoch keine Freude am Herrn haben und innerlich nicht genährt und gestärkt sein. Wenn das geschieht, dann kommen all die Bemühungen nicht aus dem richtigen Geist.“2 Zu diesem Zweck rät Pfarrer Hanspeter Wolfsberger ganz praktisch zum morgendlichen Bettkantengebet. Wenn ich morgens aufwache, setze ich mich auf die Bettkante und spreche zwei Gebete: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht, ich will mich freuen und fröhlich darin sein“ (vgl. Psalm 118,24) und anschließend das Vaterunser. Gestärkte Identität wirkt als Leidenschaftsbooster. Gestärkte Identität wirkt als Leidenschaftsbooster. Nehemia 4,4–5 beschreibt es wie folgt: „Und das Volk von Juda sagte: Die Kraft der Lastträger schwindet, und es ist noch so viel Schutt da. Wir allein schaffen es nicht mehr, an der Mauer zu bauen. Unsere Bedränger aber sagten sich: Sie sollen es nicht erkennen und sollen nichts von uns sehen, bis wir mitten unter sie gekommen sind und sie erschlagen und das Werk zum Stillstand bringen.“ Die Leidenschaftslosigkeit der Bauleute hatte vier Gründe: Sie … … waren fertig („Die Kraft schwindet“): Verlust der Spannkraft … waren frustriert („noch so viel Schutt“): Verlust der Perspektive … dachten, das Projekt f loppt („Wir schaffen es nicht mehr“): Verlust des Selbstbewusstseins … fürchteten sich („sie erschlagen“): Verlust der Sicherheit Dieser gefährliche Mix von Gedanken und Gefühlen führt zu Entmutigung, Zweifel und Stillstand. Die alten Kirchenväter nannten diesen Zustand acedia, „Seelenmüdigkeit“. Mose (4. Mose 11,15), Elia (1. Könige 19,4) und Jona (Jona 4,3) wurden davon ergriffen. Auch manche der Apostel zweifelten (Matthäus 28,17) trotz des klaren Zeugnisses der Auferstehung Jesu (Lukas 24,25–27), trotz „Intensivbibelschule“ zum Reich Gottes (Apostelgeschichte 1,3). Das zeigt, dass selbst die motiviertesten Mitarbeiter manchmal die Mutlosigkeit überkommt, der ambitionierteste Leiter einmal Angst bekommt und auch der zuversichtlichste Pastor mitunter von Zweifeln eingeholt wird. Ergo: Leidenschaft ist umkämpft! Unser Alltag hat einen hohen Abnutzungseffekt auf unsere Leidenschaft. Leidenschaft wird unterschätzt Wie gehen Jesus und Nehemia mit dem Verlust der Begeisterung bei ihren Leuten um? Keiner der beiden scheint die Betroffenen einfach nur „zur Pflicht zu rufen“. Leidenschaftslosigkeit wird nicht mit Pflichtgefühl ausgeglichen. Leidenschaft ist keine Nebensächlichkeit, zumindest nicht für Gott. Er will nicht, dass wir nur der Pflicht wegen mit und für ihn leben, sondern aus Liebe. Und zwar leidenschaftliche Liebe „mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand“ (Matthäus 22,37). Die Gemeinde in Ephesus hat alles pflichtgemäß erfüllt, trotzdem reklamiert Jesus, dass sie die „erste Liebe verlassen“ hat (Offenbarung 2,4). John Piper geht so weit, zu sagen, dass alles, was wir nur aus Pflicht und nicht in leidenschaftlicher Liebe und Freude tun, Gott verunehrt.1 Ist ja auch klar. Stell dir vor, zum Geburtstag bringt ein Mann seiner Frau 25 langstielige Rosen mit nach Hause. An der Tür empfängt sie ihn. Er übergibt ihr den duftenden Strauß. Sie ist überwältigt. Freude durchflutet ihre Sinne, sie fühlt sich geehrt. Nach ein paar wortlosen Momenten sagt die Frau: „Danke, Liebling, das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen.“ Darauf der Mann ganz stolz: „Aber mein Schatz, das war doch meine Pflicht!“ Unser Alltag hat einen hohen Abnutzungseffekt auf unsere Leidenschaft. 1 John Piper, Von der Pflicht zur Freude, CLV 2006. 2 George Müller, A Narrative of Some of the Lord’s Dealing with George Muller, Bd.1, Muskegon 2003, S. 271.
RkJQdWJsaXNoZXIy Mzg4OTA=