ZUM THEMA FRANKREICH 4 FOTO: DEBORA FIANGOA 2010. Flavien ist 19 Jahre alt und seit zwei Jahren Medizinstudent in der Hauptstadt Antananarivo. Er schließt sich einer Gemeinde auf dem Campus an und bekehrt sich dort zum Glauben an Jesus. Gott soll ab jetzt der Herr seines Lebens sein und frei darüber verfügen. Diese Entscheidung bewirkt drastische Veränderungen bei Flavien. Tanzen und singen zum Lob Gottes Früh morgens vor dem Unterricht, bevor die Hitze des Tages brennt, läuft er auf den holprigen Lehmstraßen zur Kirche. Auch seine Angst vor den streunenden Hunden hält ihn nicht davon ab. Dort wird viel gebetet. Der Pastor predigt bibeltreu und lehrt, was es bedeutet, Jesus im Alltag zu folgen. Auch sonst ist Flavien oft an diesem Ort, nicht zuletzt, um beim Studentenchor mitzusingen – und zu tanzen. Beides tun die Studenten leidenschaftlich und gekonnt. Bei den Weihnachtskonzerten treten sie vor Tausenden von Besuchern auf und bezeugen das Evangelium. Der Chor plant auch Evangelisationen in den Dörfern. Da ist Flavien auf jeden Fall dabei, auch wenn es bedeutet, mit Dozenten um freie Zeit zu verhandeln und danach viele Überstunden im Krankenhaus zu machen. Aber so kann er mit seinen Geschwistern von Tür zu Tür gehen und sehen, wie viele Menschen anfangen, an Jesus zu glauben. Mit Freunden gründet er auf dem Campus Gebetsgruppen. In den einfachen, kleinen, ja schuppenartigen Zimmern, in denen sie wohnen, verbringen sie fröhliche Stunden. Flavien wird Vizepräsident des Chores, ist Ansprechpartner für viele Jüngere und dient Gott voller Leidenschaft. Harte Zeiten in Frankreich 2019 landet er in Charles de Gaulle, einem der riesigen Flughäfen von Paris. Als er versucht, in dem Labyrinth von RER1, Metro, Zügen und Bahnhöfen ohne Internet und Kontaktperson nach Alençon in die Normandie zu kommen, würde er am liebsten umkehren und zurückfliegen. Doch er schlägt sich durch zu seinem neuen Arbeitsplatz, einem örtlichen Krankenhaus. In seinem unbeheizten Zimmer lässt ihn die kühle Septemberluft frieren. An seinem ersten Arbeitstag steht er um Punkt sieben Uhr in Anzug und Krawatte auf Station und wundert sich, dass noch keine Ärzte da sind. Die beginnen in Frankreich ihren Dienst nämlich erst um neun … Stück für Stück lernt er, mit den Unterschieden umzugehen. Aber nicht nur die praktischen Dinge machen ihm zu schaffen. Auch geistlich beginnt ein Kampf. Sonntags sind die Straßen nicht gefüllt von Menschen, die fröhlich im Sonnenschein zum Gottesdienst gehen. Sie sind leer, und zwar komplett. Die erste Kirche, die er findet, ist die große katholische Basilika in der Innenstadt. Doch die Messen sind für ihn unverständlich und langweilig. Niemand heißt ihn willkommen. Auch wird ihm vermittelt, dass man aufgrund des in Frankreich herrschenden Laizismus2 im Krankenhaus nicht über Gott sprechen darf. Allein unter Heiden? Mein Mann ist in Madagaskar geboren und lebt seit fünf Jahren in Frankreich. Sein Leben gleicht einer Abenteuergeschichte, in der ihm die Leidenschaft auch einmal abhandenkam. 1 Regionalbahn, die von der Pariser Innenstadt in die Vororte fährt. 2 Strenge Trennung von Staat und Religion.
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