MISSION weltweit – Ausgaben 2025

LIEBENZELLER MISSION AKTUELL MISSION weltweit 4/2025 WEITERDENKEN >> SONDERBEITRAG ZUM THEMA VON PROF. DR. ULRICH GIESEKUS 19 Zielorientierung: Biblisch gesprochen: Wer die Hand an den Pflug legt, soll nicht zurückschauen. Viele unserer „christentümlichen“ Konzepte sind viel rückwärtsgewandter, als sie in der Bibel eigentlich vorkommen. So wird zum Beispiel das griechische Wort Hamartia oder das hebräische Chatta, die beide „das Ziel verfehlen“ bedeuten, mit „Sünde“ übersetzt (verstanden als „wie böse ich gehandelt habe“). Oder „Buße“ wird als schuldbewusste Reue für schlechtes Handeln begriffen, nicht aber als metanoia, was eigentlich Kurskorrektur bedeutet. Im Ergebnis bringen diese Eigenschaften Orientierung, Bindung, Selbstwert, Lebensfreude und Sinnhaftigkeit. Resiliente Menschen sind seltener krank, emotional nicht so schnell erschöpft, weniger zynisch und deutlich leistungsfähiger. Sie sind zufriedener mit ihrer Arbeitssituation, kontaktfähiger, verträglicher, gewissenhafter und offener für neue Erfahrungen.1 Die gute Botschaft ist: Glück ist keine Glücksache, sondern ein Ergebnis von gelebten Haltungen, Werten und Einstellungen. Auch wenn es im Einzelfall unbarmherzig sein mag: Im Großen und Ganzen sind wir unseres eigenen Glückes Schmied. Die schlechte Nachricht: Die meisten Menschen suchen ihr Glück in Dingen, die nicht glücklich machen − zumindest nicht dauerhaft. In der modernen Psychologie fassen sich diese Haltungen unter einem Begriff zusammen: Resilienz. Die Dinge müssen nicht gut sein, damit es uns gut gehen kann − denn es sind nicht die Dinge, die uns beeinträchtigen, sondern die Bedeutung, die wir ihnen geben. Wir müssen Ninive nicht gut nennen, um Gottes Liebe für seine Bewohner zu teilen. Wir müssen das Leid nicht ignorieren oder verdrängen, um glücklich zu sein. Resilienz ist die Fähigkeit, mit dem Unglück im Leben gut umzugehen. Traumatische Erfahrungen zu verarbeiten, ohne eine dauerhafte Traumafolgestörung zu entwickeln. Sie zeigt sich auf Grundlage vieler Studien in erster Linie an emotionalen Kompetenzen, die ich kurz in unsere Alltagssprache übersetzen möchte: Emotionssteuerung: Wir nehmen unsere Gefühle ernst und wahr, können sie jedoch moderieren. Sie geben uns Antrieb, treiben uns aber nicht vor sich her. Sie werden als Signale verstanden und klug gedeutet – zum Beispiel Wut als ein Bedürfnis nach Wiederherstellung der Selbstbestimmung (im Gegensatz zur Ohnmacht), aber nicht als infantile Zerstörungswut. Trauer führt uns in die Ruhe und Sicherheit bei vertrauten Menschen, aber nicht in die Einsamkeit. Impulskontrolle: Wir denken, bevor wir reden, und überlegen, welche Konsequenzen unser Handeln hat, bevor wir etwas tun. Impulse sind wichtig und dienen dem Stillen von Bedürfnissen, aber nicht kurzfristiger Befriedigung auf Kosten langfristigen Erfolges. Kausalanalyse: Wir wissen, dass es für nichts eine einfache Ursache gibt, sondern Ursachenbündel, die nur teilweise erkennbar sind. Warum etwas in unserem Leben passiert oder nicht, verstehen wir als komplexes Geschehen und verzichten auf simple Antworten. Dabei erkennen wir, welche Faktoren wir ändern können und was unser eigener Anteil an Erfolgen und Misserfolgen ist. Wir gestehen Schuld ein und konfrontieren Unrecht, ohne uns selbst oder andere zu verdammen. Realistischer Optimismus: Wir haben begründete Hoffnung für die Zukunft, aber ohne „rosa Brille“. Als Christen vertrauen wir auf einen Gott, der Anfang und Ende unseres Daseins in der Hand hat und uns liebt. Auch ungläubige Menschen können natürlich einen gesunden positiven Blick auf ihre Zukunft haben. Hier spielt eine dankbare Wahrnehmung der Vergangenheit und Gegenwart eine große Rolle. Ich kann mir Sorgen um den nächsten Urlaub machen – oder den großen Kontext sehen: dass sich 98 % der Menschen diese Sorge wünschen würden. Empathie: Wir sind verbunden mit anderen Menschen und nehmen sie in ihrem gesamten Lebenskontext wahr, besonders auch in ihrem emotionalen Erleben und ihrer individuellen Andersartigkeit. Wir projizieren nicht unsere Gefühle auf andere, sondern hören ihnen zu und achten auf nonverbale Signale. Selbstwirksamkeitsüberzeugung: Wir verstehen uns als begabte und zum Handeln fähige und beauftragte Menschen, bei denen „Saat und Ernte“ in einem Zusammenhang stehen. Es mag unkontrollierbare Wetter und andere Faktoren geben, die eine Ernte gut oder schlecht machen, aber im Großen und Ganzen bekommen wir, was wir investiert haben. Das gilt vor allem für Beziehungen. Wir müssen das Leid nicht ignorieren oder verdrängen, um glücklich zu sein. Was nicht glücklich macht: Ergebnisse wissenschaftlicher Studien Besitz: Wohlhabende Menschen sind nicht zufriedener mit ihrem Leben als andere. Wer Wohlstand als ein hohes Ziel ansieht, ist sogar unterdurchschnittlich zufrieden mit dem Leben, egal wie viel er besitzt. Am unteren Ende der Skala gibt es eine Ausnahme: Verarmte Menschen, die so „vermögend“ sind, dass sie die tägliche Nahrung für ihre Familie sichern können, sind glücklicher als solche, die nicht genug zu essen haben. FOTO: SHUTTERSTOCK/ROB MARMION FOTO: ISTOCK.COM/FRANCKREPORTER 1 Viele dieser Ergebnisse finden sich in der Studie „Führung, Gesundheit und Resilienz“ der Bertelsmann-Stiftung (2013). Insgesamt gibt es einen umfangreichen Schatz an wissenschaftlichen Studien, die Zufriedenheit und Glück untersuchen.

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