MISSION weltweit – Ausgaben 2020

20 WeIterdeNkeN >> sonderbeitrag zum thema Von thomas wirth thomas Wirth ist gemeinschaftspastor im liebenzeller gemeinschaftsverband (lgV) und arbeitet als therapeutischer seelsorger und geistlicher begleiter in der initiative seelsorge • beratung • bildung (isbb). der gelernte bankkaufmann absolvierte das theologische seminar der liebenzeller mission, war beim süddeutschen gemeinschaftsverband in mühl- acker tätig und zehn Jahre leiter des ec-seelsorgezentrums in kassel. thomas und seine Frau michaela haben zwei kinder. ich in meinem Leben schon viel zu oft durch diese Schwächen angeeckt bin, traten auch die Depres- sionen auf. Zwar nehme ich Ritalin, das mir zum Beispiel beim Filtern von Reizen hilft, und Anti- depressiva gegen Angst und zur Stabilisierung mei- ner Stimmung. Doch das sind nur Krücken – ich werde nie so ‚funktionieren‘ wie ein neurotypischer Mensch. Das ist unglaublich kraftraubend, und die- se fehlende Kraft merke ich jeden Tag.“ Gottes kraft ist wirksam In der Annahme seiner Grenzen und seiner Schwachheit ist Paulus ein Beispiel dafür, wie man von sich selbst wegblicken kann. Er drückt es mit den Worten aus: „Aber der Herr hat zu mir gesagt: ‚Meine Gnade ist alles, was du brauchst! Denn gera- de, wenn du schwach bist, wirkt meine Kraft ganz besonders an dir.‘ Darum will ich vor allem auf mei- ne Schwachheit stolz sein. Dann nämlich erweist sich die Kraft Christi an mir“ (2. Korinther 12,9). Paulus war weder Loser noch Softie. Er redete weder fromm daher noch war er von Komplexen zerfressen. Dieser Mann gab alles, was er hatte, um das Evangelium zu verbreiten. Er machte lange Reisen, wurde wiederholt gesteinigt, erlitt mehrmals Schiffbruch, wurde immer wieder verhaftet und verfolgt, aber er ließ sich nicht aufhalten. Auch Phil ließ sich nicht ausbremsen: „Trotz Depression und ADS studiere ich Theologie. Trotz Erkrankung bin ich seit zehn Jahren glücklich verheiratet. Trotz allem funktioniert mein Leben halbwegs. Aber ich selbst habe absolut nichts damit zu tun. Allein Gott schenkt mir durch Jesus die Kraft, die ich brauche, um dieses Leben durchzustehen. Meine Depressionen sind nicht weg; ich habe immer wieder Zeiten, in denen meine Gedanken von dunklen Wolken durchzogen und von ihnen verdrängt werden. Auch mein ADS fordert mich jeden Tag heraus, und ich habe schon weit öfter als dreimal zu Gott gebetet, ja regelrecht gefleht, dass er doch endlich dieses Leiden von mir nimmt. Aber Gott hat mir klar gemacht, dass ich bescheiden und genügsam sein soll, denn ‚meine Kraft ist in den Schwachen mächtig‘ (Vers 9 in der Luther-Variante von 1984). Durch meine Depressionen und mein ADS bin ich schwach. Und das führt dazu, dass Gott durch mich wirken kann. Nur ihm habe ich zu verdanken, dass ich tun kann, was ich tue.“ Lösbare Probleme wollen wir lösen. Aber wir müssen auch bereit sein, unlösbare Probleme zu tragen, ohne uns im ständigen Ver­ gleichen zu verlieren! Aus Grenzerfahrungen erwächst neue kraft Wer aus tiefstem Herzen weiß, dass er schwach ist, ist insofern auch stark, denn er bittet viel eher um die Leitung und die Kraft Gottes. Wem klar ist, wie begrenzt er ist, der betet eher und ver­ lässt sich auf Gottes Möglichkeiten. Wer um seine Grenzen weiß, der kann auch mit Misserfolgen und Ablehnung anders umgehen und es wirft ihn nicht gleich um. Solche Menschen wissen, dass sie gerade da Gottes Stärke erfahren, wo sie selbst schwach sind. Sie müssen sich nicht permanent mit ande­ ren im Vergleich messen. Gottes ressourcen entfalten Folgende Impulse möchten im Alltag umgesetzt werden, damit sich die Ressourcen entfalten können, die Gott als unser Schöpfer bereithält: l Stemple dich selbst nicht negativ ab (ich kann das nicht, ich bin ungeschickt, ich bin zu dieser Aufgabe nicht geeignet usw.). Du läufst Gefahr, so zu werden, wie du dich selbst beurteilst! l Hast du versagt, dann bekenne es Gott, deinem Vater. Verurteile dich nicht selbst (Römer 8,1). Vergiss nicht, dass du auf demWeg bist, Chris­ tus ähnlicher zu werden. Wachstum erfordert Zeit und Geduld. Sei zu dir genauso barmher­ zig, wie du zu jedem anderen sein möchtest. l Vergleiche dich nicht in unangemessener Weise mit anderen. Du bist einzigartig, von Gott be­ gabt und beschenkt. Gott freut sich an dir. Ent­ wickle eine ähnliche Einstellung zu dir selbst. l Konzentriere dich auf Gottes Gnade, seine Lie­ be und Annahme und denke darüber nach. Gib dem Urteil und der Kritik anderer nicht so viel Raum in deinem Leben. l Begegne anderen Menschen mit realistischen Erwartungen und berücksichtige dabei die speziellen Fähigkeiten und Möglich­ keiten, die Gott einem jeden geschenkt hat. Bewahre dein Herz vor Eifersucht! l Sei in deiner Haltung „lebensbejahend“. Hebe im Vergleich nicht das Negative am anderen hervor, sondern erweitere mit Einfühlungsvermögen und Ausgewogenheit deine eigenen Grenzen. Echte Hoffnung begründet sich nicht im Vergleich mit anderen Menschen, sondern in einem Leben, das mit seinen Grenzen sinn­ voll gestaltet wird und mit Gottes Möglichkeiten rechnet. l lösbare probleme wollen wir lösen. aber wir müssen auch bereit sein, unlösbare probleme zu tragen, ohne uns im ständigen vergleichen zu verlieren. Foto: istockphoto/Francescoch

RkJQdWJsaXNoZXIy NjU1MjUy