MISSION weltweit – Ausgaben 2020
13 mission weltweit 5–6/2020 interkulturelle teams deutschland darum geht’s hat. Gerne hatte ich die Moral als inneren Diri genten vorgeschoben, der mit strenger Stimme Einhalt gebieten sollte. Oder ich hatte mir eine innere Jury bestellt, ähnlich wie in Casting Shows, um mich selbst klein zu halten. Doch je mehr ich das Menschliche aus mir her auslösen will, desto mehr merke ich, wie sehr ich doch daran hänge. Die Bewertungsskalen, unter denen ich leide, habe ich doch umarmt. Ich will sie nicht loslassen, weil sie mir auch Zustimmung und Applaus brachten. Ich bin so dankbar, dass ich mir selbst nicht ausgeliefert bin Gott gibt mir einen Schatz in die Hand, der wirk samer ist als Moral und Gericht über mich selbst. Einen Schatz, der die Wogen glättet und meine Füße auf weiten Raum stellt: Es ist seine Freude an mir. Eine Freude, die sich von dem nährt, was Gott mir gab und in diesem Moment gibt. Zum ersten Mal seit Langem höre ich wieder die Schwingung des Instruments, die Energie des Tons. Ich lausche dem Klang und der Einzigar tigkeit des Moments, nicht den Fertigkeiten. Ach, würden wir die Freude mehr erleben! Es gibt sie nur jenseits unserer inneren Beurtei lungswerte. Sie hebt uns aus unserem inneren Argwohn und der Unsicherheit; wir sind nicht mehr angekettete Zuschauer voller Angst vor der Bewertung der anderen und von uns selbst. Wir treten ins Licht, obwohl wir dabei alles andere als perfekt befunden werden. Aber liegt hier nicht gerade das Bezaubernde? Schönheit ist wichtiger als Perfektion. Ich wollte ein guter Musiker werden Hinter dem Vorhang, am Ort meiner Schwach heit, ist der Ort der Begegnung mit Gott. Hier prägt er mich, von hier aus zieht er mit mir los. Das hat mein Leben vor dem Vorhang verändert. Ich wollte ein guter Musiker werden und hatte mich sehr dafür eingesetzt. Leidenschaftlich und verbissen hatte ich Ziele vor Augen und es bis zum Konservatorium geschafft. Doch Gott nahm mich an der Hand: Heute mache ich Musik mit Jugendlichen aus bildungsfernen Milieus und aus unterschiedlichen kulturellen Hintergrün den. Dabei kann ich von meinem Glauben erzäh len. Es sind Jugendliche, die kaum einen tiefe ren Bezug zu Christen haben. Musik ist eine Brücke geworden, Menschen zu dienen Es ist nicht so, dass das eine falsch und das ande re richtiger gewesen wäre. Dennoch ist dieser Weg, den ich heute beschreiten darf, interessan terweise wohltuender für mich. Ich muss es mir und anderen nicht mehr beweisen. Ich werde herausgeholt aus meiner selbstgebauten Isola tion. Musik ist eine Brücke zu Menschen gewor den, eine Möglichkeit, ihnen zu dienen. Gaben wollen aufgebaut und erarbeitet sein. Wir können sie feiern und Applaus genießen. Aber zur Erfüllung kommen sie dann, wenn wir sie in den Dienst stellen. Es ist tragisch, wie sehr uns die Be/Verurteilung unserer selbst die Freu de an unseren Gaben und Geschenken Gottes madigmachen kann. Menschen dienen geschieht jenseits davon, weil wir den anderen im Blick haben und weniger uns selbst. Wenn Menschen sich versammeln, entstehen Bühnen! Für alle, die sich trauen, die sich aus setzen, zu sich stehen und Einfluss nehmen; für alle, die Demut nicht mit Zurückhaltung ver wechseln und den Mut haben, ihr Bestes zu geben, mehr aber auch nicht: Was du tust, ist so wichtig! Lass dich nicht kleinkriegen! Es hat mir selbst so geholfen, dass die Wahrheit Gottes mehr wiegt als alles, was sich hinter mei nem Vorhang abspielt. Wenn nur die reinen Motive gesegnet werden könnten, wäre es wohl schon dunkel um uns. Aber Gott ist größer als unser Menschliches, er umarmt unser Menschli ches, er kennt uns – vor und hinter dem Vorhang. Wohl dem Menschen, der versöhnt ist durch den unendlich liebevollen göttlichen Zuspruch. Bei des, das Innere und das Äußere, sind in Christus getragen und vereint. Ich bin geliebt. Ein Lied soll gesungen werden. Da kommt einer nach vorne, setzt sich ans Klavier und begleitet uns. Eine ganz normale Sache eigentlich, vor dergründig. Doch heute werde ich Zeuge der Schöpfung Gottes: ein einzigartiger Mensch, der sich einzigartig und unverwechselbar mitteilt. Mein Herz fängt an zu tanzen, und die Skalen und Messlinien in meinem Inneren sind ver wischt. Christian Danneberg l Christian und Bettina danneberg gehören seit 2012 zu den interkulturellen teams deutschland und sind in ludwigsburg tätig. christian leitet hier die interkulturelle musikarbeit „lubu beatz“. vor seiner ausbildung am theologischen seminar der liebenzeller mission war er industriekaufmann und studierte zwei semester Jazz- und popularmusik. bettina ist erzieherin von beruf. sie haben vier kinder. Gaben entfalten in der Musikarbeit „Lubu beatz“ es ist tragisch, wie sehr uns die be-/verurteilung unserer selbst die Freude an unseren gaben und geschenken gottes madig machen kann. Foto: christian danneberg
RkJQdWJsaXNoZXIy NjU1MjUy