MISSION weltweit – Ausgaben 2020

12 darum geht’s mittlerer osten In der arabischen Welt wird man von wildfrem- den Menschen auf der Straße nach Hause auf einen Kaffee eingeladen. Man bekommt laufend Einladungen zu gemeinsamen Abendessen, bei denen drei unterschiedliche Gerichte serviert werden. Will man nach dem Besuch nach Hause gehen, hört man immer folgende Worte: „Bleibt noch! Es ist noch viel zu früh!!!“ Zurück in Deutschland war alles anders. Anstatt des Drei-Gänge-Menüs gab es bei einem Besuch „nur“ Spaghetti mit Tomatensoße. Einladungen waren oft zeitlich begrenzt. Und wenn man ankündigte, nach Hause zu gehen, wurde man nicht daran gehindert. Das war ganz komisch für meinen Mann und mich – wir wussten zunächst nicht so recht, wie wir uns selbst mit eigenen Gästen oder gegenüber Gastgebern verhalten sollten. Mein Mann musste mich jedes Mal davon abhalten, für Gäste drei unterschiedliche Gerichte zu kochen – und ich erinnerte ihn dar- an, dass er unseren Besuchern beim Abschied nicht mehr sagen solle, dass es viel zu früh sei, um schon nach Hause zu gehen. Gastfreundschaft hat tiefe Wurzeln Wir merkten: In der arabischen Welt hat die Gastfreundschaft einen ganz anderen Wert als in der deutschen Kultur. Jemandem Gastfreund- schaft erweisen ist so tief in der orientalischen Kultur verwurzelt, und es gilt als Schande, die- se nicht auszuüben. Einen Gast zu Besuch zu haben, heißt nicht nur, dem Gegenüber Ehre und Respekt zu erweisen, sondern auch, beides selbst zu erhalten. Meine Nachbarin erklärte mir einmal: „Je mehr Gäste wir haben, desto ange- sehener sind wir. Die Anzahl der Gäste bestimmt unseren Stand in der Gesellschaft!“ Eine andere arabische Freundin erzählte: „Weißt du, ich erweise Gastfreundschaft allein Gott zuliebe. Ich will meinen Lohn dafür nicht von anderen Men- schen erhoffen, sondern allein von Gott.“ In Deutschland eben (wohltuend) anders Trotz unseres anfänglichen Kulturschocks durf- ten wir natürlich auch in Deutschland herzliche Gastfreundschaft empfangen. Eben auf eine andere Art und Weise als in der arabischen Welt. Wie erfrischend war es, nur so viel essen zu müs- sen, wie man wirklich will – im Orient wird einem dauernd der Teller wieder vollgeschöpft. Wir konnten im Heimataufenthalt auch nur für einen kurzen Besuch bei jemandem vorbeischau- en anstatt einen ausgedehnten Besuch zu ma- chen, wie es Brauch ist in der arabischen Welt. Wir erlebten: Gastfreundschaft gibt es in jeder Kultur, doch hat sie in jedem Land, ja jeder Fami- lie, einen anderen Stellenwert und Beweggrund. Nur das Beste für die Gäste Sollten wir als Christen nicht einen gemeinsa- men Beweggrund in Bezug auf die Gastfreund- schaft haben? Immer wieder, wenn ich in der arabischen Welt Gastfreundschaft erfahre, muss Haus und Herz öffnen Als wir im vergangenen Jahr in unseren Heimataufenthalt nach Deutschland kamen, erlebte ich meinen ersten Kulturschock. Dass die Deutschen Gast- freundschaft anders als die Araber leben, war mir bewusst. Aber dass es so anders ist – das war für mich ein Schock.

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