MISSION weltweit – Ausgaben 2020

8 darum geht’s bangladesCh Als Abschluss einer Begegnung kann der obige Satz eine Floskel sein, aber meistens ist die Ein- ladung ernst gemeint. Puh, das hat mich als Deutsche häufig gestresst, weil ich weitaus öfter eingeladen worden bin, als dass ich die Initiati- ve ergriffen habe. Denn Besuche in Bangladesch sind oft langwierig. Zudem kommt man in der Hauptstadt Dhaka wegen des chaotischen Ver- kehrs nur langsam voran und muss allein für den Weg viel Zeit einplanen. Wie antwortet man am besten auf eine Einla- dung? Sage ich: „Ja, mach ich!“, muss ich mich an mein Wort halten. Aber absagen? Damit schla- ge ich die mir angebotene „offene Tür“ direkt zu. Bangladeschische Gastfreundschaft sucht ihresgleichen Die Menschen hier sind sehr freundlich, offen, ja fast neugierig. Sie haben keine Berührungsängste. Im Gegenteil. Manchmal können sie einem fast „zu viel“ werden. Doch ich habe gelernt, dass man ihnen eine unheimliche Freude macht, wenn man sie besucht; man ehrt sie damit! Eine Anmeldung empfiehlt sich, weil sie sich dann besser vorbereiten können. Aber lieber unangemeldet kommen (was sie über- haupt nicht stresst!) als gar nicht! Denn: Die Beziehung steht über allem anderen! Meine erste Lektion in Sachen Gastfreundschaft in Bangladesch bekam ich, als wir nach einem Jahr Sprachschule endlich an unserem ersten Einsatzort angekommen waren. Die Wohnung war nicht fertig, die Handwerker hatten eine Menge Dreck hinterlassen, und ich war abends noch am Putzen. Plötzlich klopfte es an der Haustür. Drei Teenies standen da und wollten reinkommen. Mir passte das gar nicht. Erstens war es schon spät, und zweitens wollte ich vor dem Schlafengehen mit meiner Arbeit fertig werden. Also erklärte ich den Mädchen, dass es gerade nicht günstig sei, und ich bat sie, doch ein anderes Mal zu kommen. Sie erschienen nie wieder! Erst mit der Zeit merkte ich, was ich da angerichtet hatte. „Mal eben“ geht nicht Wenn du in Bangladesch jemanden besuchst, wirst du ins Besucherzimmer gesetzt. Ja, es gibt (häufig) ein Zimmer extra für Besucher! Dann verschwindet die Hausfrau erst einmal. Wenn der Hausherr nicht da ist, um einen zu unterhal- ten, kann es sein, dass man eine ganze lange Weile alleine dasitzt – bis eben die Speise geholt, gekauft oder sogar zubereitet ist. Diese Warte- zeit findet niemand peinlich. Irgendwann bekommt man einen Tee. Später wird einem dann das Essen vorgesetzt, und jetzt fängt der Besuch und das Gespräch erst richtig an. Da gibt es kein „mal eben einen Besuch abstatten“. Man braucht Zeit und Geduld. Wie oft hatte ich überhaupt keine Lust auf einen Besuch, weil ich wusste, was das bedeutete. Deshalb auch stets mein Zögern, wenn ein „Berrate aschben!“ kam. Die Liste abgearbeitet? Mit meinem westlichen „Effizienzdenken“ bin ich häufig zu einem Besuch gegangen in der Hoffnung, dass ich möglichst schnell fertig wer- de, vielleicht sogar auch noch einen zweiten „erledigen“ und dann auf dem Heimweg eventu- ell noch einkaufen kann. Um ehrlich zu sein: Es hat mir nie gutgetan, weil ich mich dann mit meiner „inneren Liste“, die ich „abarbeiten“ Samuel und Anne Strauß waren seit 2004 missionare in Bangladesch. im herbst 2020 übernehmen sie eine neue Aufgabe beim kanadi- schen zweig der liebenzeller mission. unter anderem werden sie auch dort unter menschen aus Bangladesch arbeiten. samuel studierte in seiner kanadischen heimat natur- wissenschaften und war in Bad liebenzell zur Ausbil- dung am theologischen seminar. Anne ist in papua- neuguinea aufgewachsen und krankenschwester von Beruf. die beiden haben drei kinder. „Wenn mir ein sauberes Waschbecken wichtiger wird als menschen, dann sag es mir!“ die beziehung steht über allem mit „accha, berrate aschben!“ wird in bangladesch sehr oft ein gespräch beendet. auch ich sage häufig: „also dann, kommen sie mich besuchen!“ zum rikschafahrer, der mich gerade zu hause absetzt. zur verkäuferin, in deren laden ich regelmäßig gehe. zum schuster, der an der straßenecke sitzt, den ich grüße und ab und an nach dem ergehen seiner Familie frage. oder zur reichen, aber einsamen Frau, die im Park ihre runden dreht. von unseren einheimischen Freunden, die im ganzen land verteilt sind, ganz zu schweigen.

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