MISSION weltweit – Ausgaben 2020
23 absolventen im beruf mission weltweit 7–8/2020 Aufgewachsen ist sie in einer Familie mit einer katholischen Mutter, mit der sie als Kind in die Messe geht. Eines Tages stehen Mitglieder des Jugendkreises „Entschieden für Christus“ an der Tür, klingeln und laden in den Teenkreis ein. Das verändert Carinas Leben komplett, sie findet Antwor- ten auf ihre Fragen und zu Jesus. Nach dem Abitur arbeitet sie ein Jahr in Kinder- heimen in Chile und Paraguay. Sie beschließt, an der Internationalen Hoch- schule Liebenzell (IHL) „Theologie und Soziale Arbeit“ zu studieren. In Korntal betreut sie unbegleitete Flüchtlinge, dann führt ihr Weg für zwei Jahre nach Ecuador. Dort leitet sie die Kurzzeitmitarbeiter an und hilft in der Missionsarbeit mit. Ein Rückzugsort für Prostituierte Seit November 2018 ist sie im Hoffnungs- Haus tätig. Im dortigen offenen Café – mit- ten im Stuttgarter Rotlichtviertel – finden Prostituierte einen Rückzugsort. „Für viele ist es ihr zweites Wohnzimmer“, so Carina Erlenmaier. Die Frauen erhalten kostenlos Essen und Getränke, können sich erholen und mit den Mitarbeiterinnen reden. Täg- lich kommen rund zehn Besucherinnen, zu etwa 40 Frauen haben sie Kontakt. Meist sind es Osteuropäerinnen Anfang 20. Die älteste Besucherin ist gerade 80 Jahre alt geworden. Die Mitarbeiterinnen geben Gottes Liebe weiter und haben ein offenes Ohr für die Einzelschicksale. „Es geht einem nahe und kann belastend sein, wenn man mitbe- kommt, was für ein Leben diese Frauen füh- ren. Man kann sich nicht vorstellen, dass so etwas in Deutschland möglich ist.“ Carina Erlenmaier ist dankbar, dass die Frauen sich öffnen, von ihren Kindern und Träumen reden, die sie nicht mehr haben (dürfen). Ihre Arbeit hat das Gottesbild der 29-Jäh- rigen erweitert. Es fasziniert sie, dass Gott in Bieselsberg, Ecuador und Stuttgart der Gleiche ist: „Er ist so groß, vielseitig und weiter, als wir uns vorstellen können. Er überblickt die unterschiedlichsten Kultu- ren und wirkt in ihnen. Gott vereint uns alle, begegnet aber jedem anders – das fin- de ich total spannend und macht Lust, ihn noch mehr zu entdecken.“ Das HoffnungsHaus will für die Besuche- rinnen da sein. Und das bedeutet – so schwer es auch ist – zu akzeptieren, dass die Frauen meistens nicht aussteigen wol- Mit Gott im Rotlichtviertel Ob in ihrer Heimat Bieselsberg im Nordschwarzwald, bei Missionseinsätzen in Südamerika oder als Sozialarbeiterin in Stuttgart: Carina Erlenmaier erlebt, dass Gott überall derselbe ist und sie gebrauchen kann. Das HoffnungsHaus im Stuttgarter Leonhardsviertel, hier bei der Eröffnung, wurde initiiert vom Evangelischen Gemeinschaftsverband Württemberg „Die Apis“. Carina besucht eine Quichua-Familie während ihres Einsatzes mit der LM in Ecuador. len oder können. Denn oft zwingt die gro- ße wirtschaftliche Not in ihren Heimatlän- dern zu diesem Leben. Natürlich unter- stütze man aussteigewillige Frauen, aber das sei ein sehr langer Weg, denn „damit sagen sie ihrem ganzen bisherigen Leben ab.“ Carina Erlenmaier ist wichtig, dass Christen die Frauen als Menschen sehen und nicht mit dem Stempel „Prostituierte“. Wichtig sei, ihr Schicksal zu verstehen, das die wenigsten sich so ausgesucht hätten. Carina erlebt immer wieder Gottes Han- deln: Zum monatlichen Brunch-Gottes- dienst kommt eine ältere ehemalige Pros- tituierte und bekennende Atheistin. Sie tut so, als würde sie die Zeitung lesen. Aber die Frau hört aufmerksam zu, es arbeitet sichtlich in ihr und sie freut sich, dass sie immer wieder kommen kann. Das Studium an der IHL und die Missions- einsätze haben die junge Sozialarbeiterin gut auf ihre Arbeit vorbereitet: „Durch meine Zeit in Bad Liebenzell habe ich sowohl meine eigenen Stärken und Schwä- chen besser kennengelernt als auch eine Grundlage für viele verschiedene Arbeits- bereiche bekommen, die ich später in Ecu- ador und Deutschland vertiefen konnte.“ Claudius Schillinger Foto: Die Apis
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