MISSION weltweit – Ausgaben 2017
21 bringt.“ 8 Es sind diese Aspekte von Leiden, die Ajith Fernando als „Freude im Leiden“ bezeich net, die ihren Platz neben dem Schmerz hat. 9 An dieser Stelle darf nicht verschwiegen werden, dass Jesus und seine Nachfolger viele Menschen von ihren Krankheiten und Leiden geheilt ha- ben. Diese heilende Kraft kann Menschen auch heute noch zuteilwerden. Als (Mit-)Leidende dürfen wir Gott ganz kindlich um dieses Wun- der bitten – wie es auch sonst keine Sorgen gibt, die wir ihm nicht anvertrauen könnten. Es gibt theologische Richtungen, die an dieser Stelle die „Segnungen der Heilung“ stärker betonen als die „Segnungen des Leidens“. Die Realität des Lebens löst diese Spannung zwischen Heilung und Leiden nicht auf. Es ist weise, in der Lehre beides als eine Gabe Gottes im Blick zu behalten und ein Evangelium zu verkünden, das Gott und nicht den Menschen ins Zentrum stellt. 10 weiterdenken >> sonderbeitrag von hartmut wacker 3 | Gedanken zu einer „Theologie des Leidens“ Studien 11 haben ergeben, dass sich diejenigen in Krankheits- und Leidenszeiten als resilienter (widerstandsfähiger in Krisen) erwiesen haben, die schon zuvor wichtige theologische Wahrheiten in ihren persönlichen Glauben integriert hatten. 3.1 | Die Unvermeidlichkeit von Schmerz und Leiden Wer die Tatsache akzeptieren kann, dass – neben allem Glück und aller Freude – auch Krankheit und Leid in dieser unvollkommenen Welt nichts Ungewöhnliches sind, ist emotional und geistlich besser darauf vorbereitet, wenn das eigene Leben von Leid getroffen wird. Nicht das Verhindern und Vermeiden von Leid um jeden Preis ist dann das oberste Ziel im Leben, sondern der Wunsch nach einer intensi- veren Gottesbeziehung. 3.2 | Gott hält die Geschicke dieser Welt und des Lebens in seiner Hand In diese Dimension gehört die Frage: „Warum lässt Gott das zu?“ Sie gehört mit zur Leiderfahrung. Aber sie braucht nicht das alles beherrschende Thema zu wer- den. Sie findet ihr Gegengewicht in dem Vertrauen, dass Gott mit dieser Welt und jedem Einzelnen „Gedanken des Friedens und nicht des Leides“ hat (Jeremia 29,11), auch wenn das nicht immer unmittelbar sichtbar wird. Es handelt sich auch nicht um ein „Sich-Hingeben“ in ein unpersönliches Schicksal, sondern eröff- net Räume in der persönlichen Gottesbeziehung, in der sowohl Klage und Zweifel als auch Dank und Anbetung Platz finden. 3.3 | Gottes Liebe und Fürsorge zu uns Menschen Darin spiegelt sich das Vertrauen wider, dass Gottes Liebe jedem Menschen ganz persönlich gilt und er sich um jeden Einzelnen sorgt. Krankheits- und Leiderfah- rungen sind kein Indiz dafür, dass diese Liebe Gottes nachgelassen hätte. Im Ge- genteil, Margaret Fishback Powers hat Recht, wenn sie in ihrer Symbolgeschichte „Spuren im Sand“ zum Ausdruck bringt, dass der Leidende, der mit Gott unter- wegs ist, seine „tragende“ Nähe in besonderer Weise erleben darf. Frühere Erfah- rungen aus dem eigenen Leben können dieses Vertrauen unterstützen. 3.4 | Das Ertragen-Können von Mehrdeutigkeiten oder Widersprüchen Dieses Thema spricht die Frage nach unserem Gottesbild an. „Erlauben“ wir Gott, anders zu sein und zu handeln, als wir ihn uns vorstellen? „Darf“ uns ein Gott der Liebe in Situationen führen, die mit Scheitern, dem Verlust von Lebenszielen oder gar dem Leben selbst einhergehen? Kann es sein, dass er der einen Person Heilung schenkt und die Krankheit der anderen zum Tode führt? Das sind zu- tiefst existenzielle Fragen, deren Antworten nicht leicht fallen und mit großen inneren Kämpfen einhergehen. Hier erahnen wir etwas von der menschlichen Be- grenztheit, die Joni Eareckson Tada mit folgenden Worten zum Ausdruck bringt: Manchmal wacht eine Person mitten in der Nacht auf – wie ich gerade wegen der Schmerzen, die mit meiner Behinderung zusammenhängen – und sie denkt, „Wer ist dieser Gott?“ 12 3.5 | Leidenszeiten bergen Gelegenheiten für geistliches Wachstum In den Zusammenhang dieser biblischen Wahrheit gehören die Aussagen, die an- fangs schon ausgeführt wurden. Wer Leiden unter diesem Aspekt einordnen kann, wird sich im konkreten Fall auf die Suche nach solchen Gelegenheiten machen und fragen: Welche neuen Erkenntnisse kann ich über Jesus gewinnen? Wie kann ich in meiner Situation Menschen auf Gott hinweisen? Wo sind Gelegenheiten, die Gott verherrlichen und Gutes für mich entstehen lassen (Römer 8,28)? „Darf“ uns ein Gott der Liebe in Situationen führen, die mit Schei- tern, dem Verlust von Lebenszielen oder gar dem Leben selbst einhergehen? Sonder- beitrag von Hartmut Wacker foto: istockphoto/prudkov 8 R. Foster, Prayer – Finding the Heart’s True Home (1992), 218 9 A. Fernando, The Call to Joy and Pain: Embracing Suffering in your Ministry (2007), 51 ff 10 Vgl. G. LeMarquand, The Prosperity Gospel: A Heresy with Northern Roots Goes Viral, with Reflec- tions on Poverty and Suffering in Africa, in: W. D. Taylor, A. Van der Meer & R. Reimer, Sorrow and Blood: Christian Mission in Contexts of Suffering, Persecution, and Martyrdom (2012), 77–84 11 M. Haught & C. Langermann, Effects of a Theology of Pain and Suffering on Missionary Resilience (1996) 12 J. Eareckson Tada, Redeeming Suffering, in: L. J. Waters & R.B. Zuck, Why o God? Suffering and Disability in the Bible and the Church (2011), Pos. 209. Joni leidet seit einem Badeunfall 1967 unter Tetraplegie.
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