MISSION weltweit – Ausgaben 2017
20 weiterdenken >> sonderbeitrag von hartmut wacker 1 | Krankheit und Leiden in einer säkularen Gesellschaft Krankheit und Tod, Armut, Unterdrückung und Krieg sind so alt wie die Menschheit selbst, und Leiden ist ein normaler Aspekt des menschlichen Lebens. Es betrifft Christen und Nichtchristen in gleichemMaße. „Wo Menschen sind, da gibt es Leiden“. 1 So banal diese Aussagen klingen mögen: Nicht jeder ist bereit, sich ihrer Wahrheit zu stellen. Auch wir, die wir im wohlhabenden Westen leben, neigen dazu, Gesundheit, Frieden und Wohlstand fast als „Grundrechte“ anzusehen. Letztlich gilt aber auch für uns: „Weder Geld noch Macht noch die beste Vorsorge können es verhindern, dass Trauer, schwere Krankheit, dass Scheitern von Beziehungen oder finanzieller Ruin Einzug in unserem Leben halten.“ 2 Die westliche Welt erlebt seit der Neuzeit einen Prozess der Sä- kularisierung, der sich auf alle gesellschaftlichen Ebenen ausge- wirkt hat. Die christliche Vorstellung eines Schöpfer-Gottes, der in der transzendenten Welt lebt und ohne dessen Wirken sich unsere Welt nicht drehen kann, ist durch andere Erklärungsmo- delle ersetzt worden. „[W]ar es um 1500 in der westlichen Ge- sellschaft praktisch unmöglich, nicht an Gott zu glauben, (so ist) das im Jahr 2000 für viele nicht nur einfach, sondern geradezu unausweichlich (geworden).“ 3 Der Glaube an Gott und die Existenz einer transzendenten Welt ist für viele Zeitgenossen bedeutungslos geworden. Das Leben des säkularen Menschen ist auf die Zeitspanne von der Geburt bis zum Tod begrenzt. Sie gilt es sinnvoll und erfüllend zu ge- stalten. Alles, was in dieser Zeit nicht gelingt, kann nicht mehr nachgeholt oder kompensiert werden. Die Aussage „Hauptsache gesund“ gewinnt an Bedeutung, denn Krankheit und Leiden wer- den auf dem Weg zum Glück nur als Hindernisse verstanden. Sind die äußeren Umstände günstig und das Leben abgesichert, haben die Menschen, so ist die Vorstellung, aus sich selbst he- raus die Kraft, um zu blühen und Erfüllung zu finden. 4 Dieser Gedanke spiegelt sich auch in dem Bemühen wider, durch neue medizinische Erkenntnisse und Methoden, Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik das Leben zu schützen und zu verlängern. Allerdings muss dieser Weltsicht entgegengehalten werden, dass sie – im Gegensatz zu anderen Religionen – keine Strategien zur Bewältigung von tatsächlichen Leidenssituationen, wie sie etwa durch eine chronische Krankheit oder schwere Behinderung ent- stehen, anbietet. 5 2 | Krankheit und Leiden im biblischen Kontext Für Christen ist das biblische Zeugnis und die Beziehung zu Jesus Christus eine Quelle, die gerade in Krankheits- und Leidsituati- onen wichtige Orientierungshilfe gibt. Jesu Erlösungswerk für diese Welt ist untrennbar mit seinem Leiden und seinem Tod ver- bunden. Sein Menschsein bedeutete, dass seine Schmerzens- und Leidenserfahrung dieselbe Qualität hatten, wie es unser mensch- liches Leiden hat. James E. Allman 6 verweist in diesem Zusam- menhang auf Jesus, der sich mit uns in unserer Schwachheit identifiziert und für uns beim Vater eintritt (Hebräer 3). Dieses Wissen ist für viele Christen ein starker Trost im Leiden. Weiterhin spricht das Neue Testament davon, dass Leidenszeiten Reifephasen in unserem Glauben sein können. Sie müssen aber eingebettet sein in dem Wissen um Gottes Liebe und Barmherzig- keit. 7 Richard Foster weist schließlich noch auf einen zeugnishaf- ten Aspekt hin, der im Leiden von Christen sichtbar werden kann: „Es gibt eine Art von Leiden, das Sinn und Zweck hat. Es ist die Art, die das Leben von anderen bereichert und Heilung in die Welt Krankheit und Leiden Foto: istockphoto/margot kessler 1 J. Neathery, Global Suffering, in: L. J. Waters & R. B. Zuck, Why o God? Suffering and Disability in the Bible and the Church (2011), Pos. 4982 2 T. Keller, Walking with God through Pain and Suffering (2007), 3 3 C. Taylor, A Secular Age (2007), Pos. 390 4 Vgl. P. Norris & R. Inglehart, Sacred and Secular – Religion and Politics Worldwide (2011), Teil 1 5 Vgl. T. Keller, Walking with God through Pain and Suffering (2013), 74 6 J. E. Allman, Suffering in the Non-Pauline Epistles, in: L. J. Waters & R.B. Zuck, Why o God? Suffering and Disability in the Bible and the Church (2011), Pos. 3920 7 Vgl. den Kontext von Hebräer 12,10
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