MISSION weltweit – Ausgaben 2017
16 darum geht’s russlaNd Die Menschen haben nicht die Absicherung durch ein Gesundheitssystem, wie wir es kennen. Es kann lange dauern, bis man einen Arzttermin bekommt. Eine gute Behandlung hat ihren Preis, und Medikamente müssen oft aus eigener Ta- sche bezahlt werden. Krankheit kann die Exis- tenz bedrohen. In einem Artikel war zu lesen, dass Berufstätige sich nicht krankschreiben las- sen aus Angst vor finanziellen Einbußen. Kein Wunder, wenn Gesundheit an erster Stelle aller Wünsche steht. Bei Krankheit ist das Netzwerk von Familie, Freunden, Nachbarn und Gemeinde eine große Hilfe. Es kann auffangen, was der Einzelne nicht leisten kann, vor allem bei chronischer oder akuter Krankheit. Es ist immer wieder erstaun- lich und schön zu sehen, wie das funktioniert. Gemeinschaft und Zugehörigkeit spielen hier eine große Rolle. Ich erlebe sie ganz praktisch in der Nachbarschaft. Abends höre ich jeman- den rufen: „Sabine, Sabine!“ Auf dem Spielplatz vor unserem Haus ist niemand. Dann merke ich, dass der Ruf aus der Nachbarwohnung kommt. Die allein lebende Nachbarin hatte einen Schwächeanfall und konnte sich nicht selbst helfen. Da ihre Wohnungstüre nicht abgeschlos- sen war, war es mir möglich, in die Wohnung zu kommen. Am nächsten Tag wurde sie vorsorg- lich in eine Klinik überwiesen. Manche älteren, alleinstehenden Personen erle- ben solche Situationen. Wenn Kinder da sind, müssen sie die Versorgung übernehmen. Ein Altenheim wäre zu teuer. Manche werden vom Sozialdienst unterstützt, der aber auch bezahlt werden muss. Für eine Familie ist es ein großer Aufwand, einen älteren Menschen zu pflegen. Einen Eindruck davon bekam ich bei meinen Hausbesuchen bei Erna (Name geändert). Sie gehört zu unserer Gemeinde und wurde durch einen Unfall und eine hinzukommende Krebser- krankung pflegebedürftig. Beim Besuch erfahre ich, dass die Tochter die Pflege übernimmt und unterwegs ist auf den Ämtern, um eine andere Einstufung der Invalidität zu bekommen. Damit hat Erna Anspruch auf mehr kostenlose Medi- kamente. Alles, was sie nicht bekommt, muss aus eigener Tasche beigesteuert werden. In lie- bevoller Weise kümmern sich die Tochter und die Familie um Erna. Meine Aufgabe ist die geistliche Unterstützung. Bei den Besuchen gibt es manche Fragen: Was soll ich lesen? Bete ich richtig? Wir sprechen offen über den letzten Weg, das Gehen zu Jesus. Vor langer Zeit haben wir von der Gemeinde ein Heftchen mit Gebeten verschenkt. Das finde ich nun bei Erna. „Das lese und bete ich jeden Tag“, sagt sie. „Herr, meine Kraft schwindet. Ich denke, das Ende ist nahe. Ich lege mein Leben in deine Hand. Danke für all das Gute, das du mir geschenkt hast. Danke für deine Liebe. Vergib mir, wo ich nicht recht gehandelt habe an dir und Men- schen. Hilf mir, in Frieden nach Hause zu kommen. Herr Jesus, dein bin ich im Leben und im Sterben. Amen!“ Ich war sehr erstaunt über das, was in ihrem Le- ben gewachsen war: Vertrauen zu ihrem Herrn Jesus Christus. Für mich war es ein ermutigen- der Einblick in Gottes Wirken im Herzen eines Menschen. Es ist für mich der Ansporn für mei- ne Arbeit hier in Russland: Menschen zu helfen, die persönliche Verbindung zu Jesus zu finden. Schwester Sabine Matthis l Schwester Sabine Matthis lebt seit September 2006 in russland. nach dem Sprachstudium arbeitete sie zunächst in der Gemein de in Jekaterinburg mit. Seit 2009 ist sie in der Gemein degründung in Berjosowski engagiert. Ihr Beruf ist Alten pflegerin, ihre Berufung führte in die Ausbildung an der Bibelschule und in die Schwesternschaft der Lieben zeller Mission. Von 1989 bis 2005 war Schwester Sabine in der Gemeinschaftsarbeit in Deutschland tätig. Nummer eins auf der wunschliste hauptsache gesund! ich wünsche dir gesundheit! Bleib gesund! – das sind die wünsche, die hier in russland an erster stelle stehen. was steckt dahinter? FoTo: S. SABInE MATTHIS Mithelfen: SPEnDEnCoDE 1820-32 russland Menschen in Berjosowski entdecken die Bibel.
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