MISSION weltweit – Ausgaben 2017

15 KaNada darum geht’s missioN weltweit 1–2/2017 jüngsten Tochter zur deutschen Ärztin ins zwei Stunden entfernte Zomba fahren wollen, war aber nach Blantyre in ein besseres Krankenhaus geschickt worden. So wurde eine weitere Stun- de holperige Fahrt nötig. Lara und Anna waren am Ende ihrer Kräfte. Ein Bus vor uns fiel mir auf. Auf der Heckklappe war ein riesiger Aufkle- ber angebracht, auf dem stand: „Jesus rettet, Jesus heilt“ . Galt das mir? Wir liegen in unseren Kleidern in unserer Kam- mer und lauschenauf die beunruhigendenGeräu- sche auf der Station. Kaum ist es uns wieder ge- lungen, in einen Halbschlaf hinwegzudämmern, schreit die nächste Mutter die Klage über ihr gerade verstorbenes Kind heraus. „Ist Lara noch da?“, fragt Daniel bang. Ich weiß, was er meint. Der Tod scheint so nah in diesem Moment. Der Morgen bringt jedoch Gutes Anna geht es besser, und auch Lara ist nicht mehr so heiß. Daniels Bein schwillt ab, er kann das Nötigste einkaufen: Handtuch, Zahnbürs- ten, Trinkwasser. Die nächste Nacht zieht er mit Anna zu Bekannten in die Nähe. Lara und ich bleiben in der Klinik. Trotz Erschöpfung zieht es mich hinaus zu den anderen Müttern. Es macht mir nichts mehr aus, angestarrt zu werden. Ich erfahre Mitgefühl, weil gleich zwei Kinder so offensichtlich krank sind. Unter diesen armen Frauen fühle ich mich verstanden und ange- nommen. Als ich nachts wieder in der Kammer liege und über Laras Atemzügen wache, quälen mich viele Gedanken. Von den Ärzten fühle ich mich missverstanden. Nein, wir haben unsere Kinder nicht vernachlässigt. Trotzdem schmer- zen Selbstvorwürfe: Warum habe ich die Blutar- mut der Kinder nicht erkannt? Zu mir kommen doch auch die Kranken im Dorf! „Jesus rettet, Je- sus heilt“ , fällt mir immer wieder ein. Ich weiß, dass Jesus heilen kann . Aber ich weiß nicht, ob er es dieses Mal will! Nach weiteren Tests werden wir am nächsten Tag entlassen. Eindringliche Warnung vom Arzt: Anna und Lara sind noch blutarm, die Abwehrkräfte sehr geschwächt. Es sei „sehr knapp“ gewesen dieses Mal. Mir wird übel, als ich das so höre. Im Auto fängt Anna an zu singen: „Ndaliona dzanja l’Ambuye“, „Ich habe die Hand des Herrn gesehen“. Dieses malawische Lied erzählt vom Eingreifen Gottes. Daniel und mir kommen fast die Tränen. Vorgestern waren wir diesen Weg getrennt gefahren, voll Sorge um das Leben un- serer Kinder. Gott schickte die Botschaft: „Jesus rettet, Jesus heilt!“ Jetzt fahren wir schon wie- der Richtung Heimatdorf. Anna ist schon in der Lage zu singen. Daniel kann wieder selbst Auto fahren. Lara ist über dem Berg. Gott hat tatsäch- lich eingegriffen! Doch nach Hause kommen wir noch lange nicht Bei unseren Kollegen finden wir nun auch Kathi mit hohem Fieber vor. Daniel muss alleine heim ans Chisomo-Zentrum, wo wir damals arbeite- ten. Ich fahre mit Kathi zum Arzt. Die Diagnose ist unklar: Malaria oder Grippe? Ein tagelanger Kampf beginnt. Kathi würgt und weint, erbricht und tobt. Ihr Körper kann die bitteren Malaria- tabletten nicht bei sich behalten. Auch Laras Temperatur ist immer noch erhöht. Irgendwann sprechen Freunde es aus: Wäre es nicht siche- rer, für eine Weile nach Deutschland zu fliegen? Nur Tage später sitzen wir im Flugzeug. Die Kin- der freuen sich, ich aber bin zerfressen vor Sorge. Gleich am nächsten Morgen stehen Untersuchun- genimTropeninstitutan.DerLehrtextfürdenTag lautet: „Fürchte dich nicht, glaube nur, so wird dei- ne Tochter gesund.“ Darf auch ich das glauben? – Nach einigen Stunden ist es amtlich: Unseren Kindern geht es gut! Sie brauchen nur noch Schonung und gute Ernährung. Was sind wir er- leichtert! Jetzt kann das Erholen losgehen! Mir fällt das schwer. Einerseits habe ich Schuld- gefühle, weil wir die Menschen in Malawi ver- lassen haben. Andererseits spüre ich, wie an- strengend die vergangenen Monate waren und dass ich selbst nicht ganz gesund bin. Nach vier Wochen fliegt Daniel wieder nach Malawi. Ich bleibe mit den Kindern für zwei weitere Mona- te in Deutschland zurück. Eiskalte Angst packt mich noch einmal, als ich erfahre, dass ein Ma- lariaausbruch Daniel schon während des Fluges in Lebensgefahr gebracht hat. Wieder bleibt mir nichts anderes übrig, als alles in Gottes Hand zu legen. Wieder gilt: Jesus rettet, Jesus heilt. Drei Monate, nachdem ich „kurz“ aus dem Haus geeilt war, können wir schließlich gesund und froh in unser malawisches Zuhause zurückreisen. Gott hat uns durch diese besonde- re Zeit getragen, Wunder bewirkt und uns sehr beschenkt. Jetzt ist es zu mir durchgedrungen: Jesus rettet, Jesus heilt! Rita Mattmüller l Daniel und rita Mattmüller haben vier Kinder, leiten seit 2012 das Vorbereitungspro­ gramm für Missionare in Kanada und sind verant­ wortlich für das Auslandsse­ mester der Interkulturellen Theologischen Akademie (ITA). Daniel ist werkzeugmacher und war nach der Ausbildung am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission einige Jahre ECJugendreferent. rita ist realschullehrerin. Von 2003 bis 2011 waren sie Missionare in Malawi. Damals im Frühjahr 2009 war die Not so groß, dass Lebensmittelverteilungen nötig waren. FoToS: DAnIEL UnD rITA MATTMÜLLEr Mithelfen: SPEnDEnCoDE 1110-32 Kanada Nach vier Wochen in Deutschland hatten sich alle schon etwas erholt, zumindest körperlich.

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